Random Encounters: Interview mit Robert Yang
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Beim “A MAZE.”-Festival in Berlin hatten der hochgeschätzte ehemalige Superlevel-Autor Dennis und ich die Gelegenheit, mit Robert Yang zu sprechen. Yang hat sich mittlerweile einen weitreichenden Ruf als Experte für Penisspiele erarbeitet und am ersten Festivaltag einen Vortrag gehalten, in dem er sein Wissen über digitalen Sex sowie kuriose private Anekdoten preisgab. Und für alle, die nicht dabei sein konnten, darf er sich nun noch einmal selbst vorstellen:
Robert Yang Hi, ich heiße Robert Yang, ich bin Videospielentwickler und -akademiker, ich lehre an der NYU, wohne in Brooklyn und entwickle eine Menge Videospiele über schwulen Sex.
Dennis Kogel Kannst du der Anschaulichkeit halber eines deiner Videospiele über schwulen Sex beschreiben? Wie wäre es mit Stick Shift?
RobertStick Shift ist ein Spiel, in dem du deinem Auto – deinem schwulen Auto – einen runterholst. Es ist wichtig, dass das Auto schwul ist, denn das ist es, und in diesem Spiel bedienst du den Schaltknüppel des Wagens, bis das Auto zum Orgasmus kommt.
Dennis Zauberhaft. Warum machst du Videospiele über schwulen Sex, was ist daran wichtig für dich?
Robert Einerseits ist es mir wichtig, weil ich selber schwul bin, und ich hab das Gefühl, dass es wenige Spiele gibt, die mich in dieser Hinsicht ansprechen. Deswegen will ich offensichtlich sein, deutlich schwul rüberkommen, weißt du, so nach dem Motto “Dies sind schwule Spiele, dies ist ein schwules Auto, dies sind schwule Männer, die das für sich machen und nicht für dich”. Ich fand das recht wichtig als politische Aussage, denn als ich aufwuchs, hatte ich nie das Gefühl, das es für mich schwule Vorbilder in der Spieleindustrie gäbe. Nicht dass ich für irgendjemanden ein Vorbild sein sollte, Gott bewahre, aber ich will auffallen und zeigen, dass es schwule Menschen gibt, die schwule alternative Spiele entwickeln.
Dennis Was ist schwierig daran, schwulen Sex in einem Spiel unterzubringen?
Robert Schwierig ist, dass das Medienökosystem schwulen Sex in Videospielen nicht wirklich unterstützt. Videos einiger meiner Spiele werden auf Youtube gemeldet oder gelöscht, und auf Twitch sind zwei meiner Spiele sogar komplett verboten. Wenn du versuchst, eines dieser Spiele auf Twitch zu streamen, sperren die eventuell deinen Account. Und Twitch ist eine der größten Platformen für Spielekultur auf der Welt, und es ist ziemlich scheiße, von dieser Plattform verbannt zu werden, nur wegen ein paar Pimmeln.
Dennis Wie sind die Reaktionen auf deine Spiele?
Robert Wenn die Spiele auf YouTube landen, sind es meistens Hetero-Cis-Männer, die sie spielen, und wenn sie diese Videospiele über schwulen Sex testen, kriegen einige von ihnen Panik und ihre Augen quellen hervor und sie sind unfähig, weiterzuspielen. Aber wenn sie sich wieder einkriegen, kommt ihnen der Gedanke “Wie kann ich das jetzt möglichst lächerlich machen und irgendwie fies sein?” Einige der Leute, die meine Spiele spielen, nutzen sie, um sich über schwulen Sex lustig zu machen, auf eine richtig eklige Art. Sie tun so, als wäre es falsch oder lustig, weil es schwul ist, nicht weil es eine absurd verdrehte Form von Schwulsein abbildet. Sie mutieren und verzerren es zu etwas Abstoßendem, und sagen so “Iieh, schwule Spiele, iieh, ekelhaft”, und dann fühle ich mich natürlich schlecht, weil ich ihnen dadurch, dass ich dieses Spiel gemacht habe, erst die Möglichkeit gegeben habe, widerlich und homophob zu sein. Also manchmal fühl ich mich echt schlecht mit dem, was ich tue. Ich hab manchmal das Gefühl, dass es nicht wirklich funktioniert.
Dennis Worauf hoffst du, was Sex in Spielen angeht? Wovon möchtest du gern mehr sehen?
Robert Ich würde gerne eine größere Bandbreite verschiedener Spielarten von Sex sehen. Ehrlich gesagt hoffe ich auch auf explizitere Darstellungen. Wenn man eine weibliche Brust zeigt, kann Steam dein Spiel vom Markt nehmen, und das bedeutet, dass dich der größte Anbieter im Internet daran hindert, dort zu verkaufen. Ich hoffe also darauf, dass es uns gelingt, mehr Grenzen zu sprengen und die Spieleindustrie und die Infrastruktur zu überzeugen, mehr Sexspiele zuzulassen, denn tatsächlich ist es aus irgendeinem Grund sehr schwer, mit Sexpielen Geld zu verdienen. „Sex sells“, aber es ist schwer, für Sex Geld zu kriegen, und das ist übrigens ein großes Problem in allen sexbezogenen Branchen. Sexarbeiter_innen werden von Kreditkartenfirmen und Paypal und so ausgeschlossen, nur wegen dem Metier, in dem sie sich bewegen. Ich will nicht sagen, dass ich mit dem gleichen Argwohn beäugt werde wie Sexarbeiter_innen, aber ich betrachte mich als einen ihrer allies und verstehe das Problem total, und ich denke, das ist ein globales, ein gesellschaftliches Problem: Wir müssen Sex destigmatisieren.
Nina Kiel Wenn man deine Blogeinträge liest, merkt man schnell, dass du eine Menge schlauer Gedanken in deine Spiele steckst, aber viele Menschen – auch die, die deine Spiele mögen – merken das nicht wirklich. Bedrückt es dich, dass viele nur das Offensichtliche sehen und nicht die politischen Aussagen?
Robert Ja, ich glaube, das ist etwas, womit ich gelernt habe umzugehen, besonders mit der ganzen YouTube-Geschichte. Ich muss akzeptieren, dass ich nur für eine Hälfte der Aussage verantwortlich bin, und die Spielenden für die andere. Manchmal ist es aber auch toll, wenn jemand neue, andere Interpretationen aus deinem Werk herausliest. Ich veröffentliche meine Statements, weil ich der Meinung bin, dass Intention wichtig ist. Und vielleicht liest sie jemand und überdenkt danach seine Interpretation. Bei meinen ersten Spielen, den Radiator-Titeln – die handeln von einer schwulen Scheidung und so – war ich nicht wirklich zufrieden mit der Art, wie sich Leute darüber unterhielten, deswegen begann ich, über meine Spiele zu schreiben, um zu sagen “Okay, ihr redet über dies, aber was ist denn mit dem und dem und diesem”. Es ist quasi meine Methode, die Konversation zu beeinflussen, aber ich weiß, dass mein Einfluss beschränkt ist, was das angeht, und akzeptiere das.
Nina In deinem Vortrag erwähntest du Dragon Age: Inquisition als Beispiel für ein Spiel, das sich zu sehr darum bemüht, “guten Sex” zu zeigen. Bist du der Meinung, dass es besser wäre, den Sex gar nicht zu zeigen oder ist es wichtig, die Darstellung zu verbessern?
Robert Ich finde es merkwürdig… ich meine, das ist eine Fantasywelt voller Magie, aber der Sex ist nicht magisch. Wenn ich sage, dass der Sex in dem Spiel “gut” und sauber und so ist, meine ich damit, dass er keinen Einfluss auf den Rest des Spiels hat. Sauber abgetrennt, komplett abgekoppelt. Wenn man in Dragon Age: Inquisition Sex hat, hat das auf so gut wie nichts Einfluss, und im Idealfall sollte es doch so sein wie “Oh, du hattest gerade Sex mit dem Charakter, der Charakter fühlt sich jetzt supergut und hat mehr Lebenspunkte” oder sowas. Natürlich würden Leute dann versuchen, diese Mechaniken auszunutzen, und vielleicht haben sie es deswegen nicht so gemacht, aber ich sehe das nicht als gute Ausrede. Ich denke, man sollte herausfinden, wie man es so hinkriegen kann, dass es Einfluss auf den Rest des Spiels hat, so dass man das Gefühl hat, dass der Sex wirklich wichtig ist. Ich meine, wenn man die Geschichte ausklammert, ist es ein Strategiespiel mit großem Fokus auf Spielmechaniken, daher sollte auch Sex Einfluss auf die Mechaniken und die Strategie haben. Ansonsten ist es kein wirklich wichtiger Teil des Spiels, oder?
Nina Hast du das Gefühl, dass es sich langsam bessert? Ich meine, in Dragon Age: Inquisition gibt es zum Beispiel queere Paare und es zeigt so viele verschiedene Formen von Beziehungen, das ist doch immerhin etwas. Findest du, dass das ein gutes Zeichen ist und dass wir vielleicht in der Zukunft besseren Sex erwarten können?
Robert Ich würde zustimmen, dass es besser ist, aber das heißt noch lange nicht, dass es gut ist. Ich meine, der eine Trans-Charakter in Dragon Age: Inquisition existiert im Grunde nur, um das Wesen eines anderen Charakters aufzuzeigen. Das war kein gutes Beispiel für einen Trans-Charakter. Ich fand das echt seltsam, dass das von so vielen Menschen abgefeiert wurde, mir kam es wie eine Alibifigur vor, die nur existierte, um etwas zu beweisen, um Teil der Geschichte eines anderen zu sein. Und ich prangere das an. Ich hoffe, dass das alles nicht zu arschig klingt, aber… ich hoffe, dass das als ehrliche Kritik verstanden wird. Ja, die Spieleindustrie bessert sich, aber ich hoffe, dass das erst der erste Schritt von vielen ist.
Nina Das ist keine Frage, auf die es eine einfache Antwort gibt, aber was glaubst du, muss sich ändern, damit Spiele wie deine auf Steam oder Twitch akzeptiert werden? Warum sind sie überhaupt verboten? Ich meine, wir tendieren dazu, Gewalt zu akzeptieren, Sex aber nicht. Das ist ein generelles Problem unserer Gesellschaft. Wie können wir das ändern?
Robert Yang Eine Menge hängt damit zusammen, wie diese riesigen Firmen Risiken betrachten. Sie denken “Oh, wieso sollte ich das Risiko eingehen, wenn ich damit nicht viel Geld machen kann, oder viel Profit, oder Zuwachs”, weißt du, und deswegen ergibt es Sinn für sie, das zu verbieten. Es ist immer noch falsch, aber ich verstehe die Logik dahinter. Wenn du mit Steam oder Valve oder meinetwegen Apple oder so sprichst, dann sagen sie dir, dass sie es verbieten müssen, weil Kreditkartenfirmen und Kapitalismus generell so über Risiken denken und es ausschließen wollen. Und weil Sexkram halt ein hohes Risiko darstellt, heißt das, dass sie es nicht anbieten, und es gibt viele Gründe, warum das schlecht und problematisch ist. Deshalb denke ich, um wirklich was Bedeutendes in Spielen zu verändern, müssen wir wohl den Kapitalismus stürzen, oder so.