Retrospektive: Shin Nihon Kikaku

Im zarten Alter von zehn Jahren betrat ich in Italien meine erste Spielhalle, voll mit Arcade-Automaten. Ich war im Wunderland. Überall blitzte und blinkte es und auf einmal hörte ich diese wundervolle Melodie…

Ich blickte auf die Bildschirme und sah schießende Panzer, explodierende Flugzeuge, sich schlagende Mädels, wilde Samurai und zerstörungswütige Monster. Mit dem Namen, der in blauen Lettern auf dem Bildschirm stand, konnte ich damals noch nicht viel anfangen.

SNK Logo 1982SNK (Shin Nihon Kikaku, auf Deutsch: Neues Japan Projekt) wurde im Juli 1978 von dem 34-jährigen Eikichi Kawasaki in Osaka, Japan gegründet.

Kawasaki war ein Multitalent. So war er nicht nur Präsident von SNK, sondern auch Director, Produzent, Konzepter, Komponist und Game-Designer. NAM-1975, Cyber-Lip, Super Sidekicks, Fatal Fury, Art of Fighting, The King of Fighters, Samurai Shodown, Metal Slug X und SNK vs Capcom: SVC Chaos sind nur einige der Titel, an denen er mitgewirkt hat.

Kawasaki gründete die Firma ursprünglich, um Soft- und Hardware-Komponenten für Geschäftspartner aller Art zu entwerfen und anzufertigen. Doch kurz darauf beschloss er, Spiele zu produzieren und vertreiben, um im aufstrebendem Markt der Coin-Op Videospiel-Automaten mitmischen zu können. Der Markt boomte und jeder wollte ein Stück von dem Videospiele-Kuchen abhaben.

Micon Block von 1978 bildet dabei den Grundstein, erregte aber kein größeres Aufsehen. Erst Ozma Wars (1979) und Safari Rally (1980) zeigten die Stärken der jungen Firma. Besonders der Side-Scrolling-Shooter Ozma Wars diente SNK dazu, Erfahrungen in einem Genre zu sammeln, in dem der Entwickler bald Maßstäbe setzen sollte.

Ozma WarsOzma Wars basierte auf der gleichen Arcade-Hardware, auf der auch Taito’s Space Invaders lief. Nach Space Invaders war es das erste Vertical Shoot’em Up überhaupt. Für die damalige Zeit waren besonders die dezidierten Levels (vier an der Zahl) eine kleine Sensation. Auch die Tatsache, dass der Space Fighter des Spielers über eine Energieanzeige verfügte und nicht nach dem ersten Treffer zerstört wurde, war ungewöhnlich. Doch erst mit dem nächstem Spiel sollte SNK der internationale Durchbruch gelingen und sich die Tore nach Amerika öffnen.

VanguardVanguard erschien 1981 und gilt als der Urvater für moderne Klassiker wie R-Type oder Gradius. Das Spiel wurde von Centuri in Nord Amerika vertrieben. Die in Florida ansässige Firma zählte damals zu den sechs größten Vertrieben für Coin-Op Automaten und bezog seine Spiele zumeist aus Übersee. Einer der Hauptlieferanten war Konami. 1985 stellte Centuri jedoch die Lizenzierung von Spielautomaten ein.

Im gleichen Jahr, als Vanguard Amerika eroberte, eröffnete “SNK Corporation of America” in Sunnyvale, Kalifornien seine Pforten. Nach Kawasakis Meinung war dieser Schritt unumgänglich, da man in den USA firmeneigenen Automaten aufstellen wollte, um den Bekanntheitsgrad der Firma zu steigern. Mit dieser Aufgabe wurde John Rowe beauftragt, der später Tradewest (das heutige Midway, das mittlerweile zu Warner Bros. gehört) gründen sollte und seit 2008 der Präsident und CEO der High Moon Studios (Darkwatch, The Bourne Identity) ist.

Zwischen 1979 und 1986 produzierte SNK 23 Spieletitel. Mittlerweile hatte sich die Firma komplett auf die Vermarktung und Erstellung von Arcade-Games für Automaten und Konsolen fokussiert. Mad Crasher (1984), Alpha Mission (1985) und Athena (1986), welches 1987 für das NES portiert wurde, zählten nach Ikari Warriors (1986) zu den wichtigsten Namen aus dieser Zeit.

Ikari WarriorsIkari Warriors wurde von John Rowe über Tradewest vertrieben und schlug in Amerika ein wie eine Bombe. Die Amerikaner waren verrückt nach Spielen aus dem Shooter-Genre, was auf die große Popularität der Rambo-Reihe und den Erfolg von Commando zurückzuführen war. Gamedesigner Keiko Iju merkte bei einem Interview an, dass der Titel des Spiels vom zweiten Rambo-Film inspiriert sei (Rambo: First Blood Part II, auf Japanisch: Rambo: Ikari no Dasshutsu). Herausstechendes Merkmal von Ikari waren der Zwei-Spieler Modus und die Möglichkeit, alle vier Achsen des Joysticks zur Kontrolle der Spielfigur nutzen zu können.

Aufgrund des großen Erfolges von Ikari Warriors wurde das Spiel für das Atari 2600, Atari 7800, Commodore 64, Commodore Amiga, Amstrad CPC, Apple II, ZX Spectrum und NES lizensiert und portiert. Einige Jahre später sollten die Sequels Victory Road (1986) und Ikari III: The Rescue (1989) erscheinen.

Kawasaki erkannte, dass die Veröffentlichung von SNK-Titeln auf anderen Konsolen den Bekanntheitsgrad (und somit auch den Umsatz) seiner Firma deutlich steigern könnte. Allerdings litten viele Firmen noch unter den horrenden Folgen des “North American Video Game Crash Of 1983“. Nur eine Firma schien diesen Fallout unbeschadet überstanden zu haben: Nintendo.

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Der Video Game Crash ist auch unter dem Namen “Atari Debakel” bekannt und findet seinen Ursprung im Jahre 1983. Dieses Ereignis zwang nicht nur viele Entwickler dazu, ihre Firmen zu schließen, sondern beendete auch den Lebenszyklus der zweiten Konsolengeneration — die berühmteste Konsole aus dieser Zeit war das Atari 2600. Die Krise dauerte etwa zwei Jahre an und wurde für die Konsumenten besonders im Frühjahr 1984 deutlich spürbar.

Atari 2600

Mehrere Faktoren führten zu diesem Fallout, doch besonders das Überangebot an Konsolen und Spielen wird von vielen als Hauptgrund angesehen. Atari 2600, Atari 5200, Bally Astrocade, Colecovision, Coleco Gemini, Emerson Arcadia 2001, Fairchild Channel F System II, Magnavox Odyssey2, Mattel Intellivision, Intellivision II, Sears Tele-Games systems, Tandyvision, Vectrex — die potentiellen Käufer verloren einfach die Übersicht.

Doch damit nicht genug. Ursprünglich wurde die Spielebibliothek der einzelnen Geräte von den Unternehmen kontrolliert (Publishing Controll). So verbot Atari Software von anderen Anbietern auf ihrer Konsole. Doch aufgrund eines Rechtsstreits mit der neu gegründeten Firma Activision wurde 1982 diese Beschränkung nach richterlichem Beschluss aufgehoben. Die Firma Activision, die aus ehemaligen Atari-Entwicklern bestand, freute sich. Doch die Freude war nur von kurzer Dauer. Denn schon kurz nach Verkündigung des Urteils schossen überall Videospielabteilungen großer Unternehmen aus dem Boden. Man wollte schließlich auch ein Stück von dem Kuchen haben. Die Folge war eine Flut von unfassbar schlechten Spielen, die die Kundschaft weiter verschreckte.

Im Grunde war es die Firma Atari selbst, die der amerikanischen Videospieleindustrie den Gnadenstoß verpasste. 1981 veröffentlichte das Unternehmen das Spiel Pac-Man, eine Portierung des Arcade-Klassikers. Doch es wurden nur etwas mehr als die Hälfte der produzierten Cartridges vekauft. Die Kosten für die Produktion und das Marketing des Spieles überstiegen die Einnahmen und Atari musste große finanzielle Verluste verbuchen.

Aber Atari lernte nicht aus den Fehlern und veröffentlichte 1982 nach nur sechs Wochen Entwicklung das Spiel E.T. the Extra-Terrestrial. 1,5 Millionen Kopien wurden verkauft — doch Atari hatte den Andrang überschätzt und blieb auf etwa 3,5 Millionen Cartridges sitzen. Die Kosten für die Produktion, die Lizenz und das Marketing führten bei der Firma zu einem Verlust von etwa 536 Millionen Dollar. Der Marktführer hatte sich damit sein eigenes Grab geschaufelt. Durch das “Atari Video Game Burial” wurde die Industrie dann auch in der Presse auf das Heftigste kritisiert.

In Deutschland war von diesem Debakel nicht viel zu spüren, da durch ein aggressives Marketing die Heimcomputer schon seit 1981 auf dem Vormarsch waren — allen voran der C64.

Auch Japan schenkte den Ereignissen in Amerika nur ein müdes Lächeln. Die Japaner konzentrierten sich lieber auf ihre eigenen Systeme — das Famicom von Nintendo, das Sega SG-1000 und die MSX Computer. Und genau hier sah Kawasaki seine Chance…
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Famicom

Das Famicon wurde 1983 von Nintendo in Japan veröffentlicht und zwei Jahre später unter dem Namen “Nintendo Entertainment System” (NES) in Amerika verkauft. Das Spiel Super Mario Bros. (1985) beendete endgültig die Krise und machte Nintendo zum Marktführer.

Vom Erfolg der Konsole angespornt, unterschrieb SNK 1985 bei Nintendo als “Third-Party Licensee”. Der Unterhaltungskonzern Nintendo, der dank Leuten wie Gamedesigner Shigeru Miyamoto neue Standards in der Industrie schaffen sollte, hatte aus den Fehlern des ehemaligen Konkurrenten Atari gelernt. Die Firma überwachte akribisch das Spieleangebot und führte ein offizielles Qualitätssiegel ein. Außerdem durfte jeder Publisher nur fünf Titel pro Jahr veröffentlichen. Der 10NES-Chip verhinderte zusätzlich das Abspielen von Software nicht lizensierter Hersteller.

Natürlich gab es genug Hersteller, die Wege fanden den Chip zu umgehen oder trotz Qulitätssiegel unglaublich schlechte Spiele zu produzieren. Aber eine unkontrollierte Spieleflut wie zuletzt beim Atari 2600 konnte unterbunden werden.

SNK LogoAufgrund der neuen Zusammenarbeit mit Nintendo eröffnete SNK in Torrance, California einen weiteren Ableger. SNK Home Entertainment sollte die Herstellung und den Verkauf der Konsolen-Spiele koordinieren. Zu dieser Zeit verließ John Rowe die Firma, um sich mit Tradewest selbstständig zu machen. Er blieb aber ein treuer Verbündeter und vermarktete so zum Beispiel die Ikari Warriors Serie. Neuer Präsident über SNK Corporation of America und SNK Home Entertainment wurde 1986 Paul Jacobs. In diesem Jahr löste sich die Firma offiziell von ihrem alten Namen “Shin Nihon Kikaku” und wird als eingetragenes Unternehmen nur noch unter der Abkürzung SNK aufgeführt. Jacobs sollte den Spielehersteller bis 1991 begleiten.

CrystalisDer große Erfolg von Ikari Warriors für das NES veranlasste SNK dazu, Spiele zu entwickeln, die exklusiv für das Nintendo Entertainment System bestimmt waren. Bisher hatte SNK nur Adoptionen seiner Arcade-Klassiker veröffentlicht. So erschienen 1989 Baseball Stars und 1990 Crystalis (God Slayer in Japan). Crystalis wurde besonders unter Spielern beliebt, die eine erwachsenere Version von Nintendo’s Legend of Zelda suchten. Auch Baseball Stars konnte viele Gamer aufgrund des simplen aber neuartigen Managersystems (Spielermarkt) für sich gewinnen.

1989 ging der Konsolenkrieg durch die Veröffentlichung des Sega Genesis und TurboGrafx-16 in eine neue Runde. Um sich gegen die wachsende Konkurrenz behaupten zu können, stellte Nintendo 1991 das Super Nintendo Entertainment System (SNES) vor. SNK besaß kein Interesse daran, in den Konkurrenzkampf involviert zu werden und konzentrierte sich wieder auf die Entwicklung von Soft- und Hardware im Arcadebereich. Andere Firmen wie Romstar und Takara lizensierten stattdessen erfolgreiche SNK-Arcade-Titel und verkauften diese in den USA für die unterschiedlichen Heimkonsolen.

Zu dieser Zeit beauftragte SNK auch den Handheld-Spezialisten Tiger Electronics, um einige erfolgreiche Titel umzusetzen.

Schon 1988 begann SNK in Zusammenarbeit mit Alpha Denshi (ADK) damit, an der Lösung zu einem der größten Probleme für Spielhallen-Betreiber zu tüfteln. Zu dieser Zeit besaß der herkömmliche Arcade-Automat nur Platz für ein Spiel. Die Games wurden auf großen Boards ausgeliefert. Wollte der Besitzer nun das Spiel wechseln, musste er das komplette Board ausbauen und stellenweise sogar die interne Technik anpassen — für viele Betreiber bedeutete dies verlorene Zeit und zusätzliche Kosten, da der Umbau für gewöhnlich von einem Elektroniker vollzogen wurde. Die Ingenieure arbeiteten also an einem modularem Arcade-Kabinett.

neogeo mvs1990 wurde das “NeoGeo MVS” (Multi-Video System) der Öffentlichkeit vorgestellt und… über Nacht zum Erfolg. Inspiriert von der Welt der Heimkonsolen integrierte SNK ein Slot-System in das Kabinett, das Platz für bis zu sechs Spiele bot. Die Cartridges konnten schnell und ohne technischen Aufwand ausgetauscht werden. 500 Dollar pro Spiel, also in etwa nur die Hälfte des Preises anderer Konkurrenzprodukte, war ein weiterer Grund für die Begeisterung, die dem System entgegen gebracht wurde. Die geringe Größe des Kabinetts ermöglichte zusätzlich einen einfachen und kostengünstigen Transport. Somit tauchten die NeoGeo-Automaten nicht nur in Spielhallen und Bars auf, sondern auch in Supermärkten, Buch- und Süßwaren-Läden.

Doch nicht nur die Betreiber, sondern auch die Gamer waren angetan. Die ersten vier Spiele — NAM-1975, Baseball Stars Professional, Top Player’s Golf und Magician Lord — zeugten von hoher Qualität. Magician Lord wurde kurz nach seiner Veröffentlichung als eines der bedeutendsten Side-Scrolling Adventure Games seiner Zeit gehandelt.

SNK verhalf der Arcade-Industrie zu einem neuen Aufschwung und wollte diesen Erfolg auch in die Welt des Home-Entertainment übertragen.

Im selben Jahr veröffentlichte SNK das “NeoGeo Advanced Entertainment System” (AES). Ziel war es, die Hardwareüberlegenheit des Arcade-Kabinetts in das Wohnzimmer zu transferieren. Nahezu alle Arcade-Adoptionen litten in dieser Zeit unter der schwachen Rechenpower der Heimkonsolen und musste sehr stark verstümmelt werden, um eine einwandfreie Wiedergabe zu garantieren. Doch SNK wollte keine Kompromisse bei den Homeversionen eingehen. Das AES war daher baugleich zum MVS und wurde von der selben CPU und Speichereinheit angetrieben.

Weenie

Wegen der hohen Anschaffungskosten sollte das System nur an Hotels und Videotheken verkauft werden und Interessenten zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Doch bei SNK gingen immer mehr Anrufe und Briefe von begeisterten Gamern ein, die bereit waren den hohen Preis für das AES zu zahlen. So wurde das System im Jahre 1991 auch für die breite Öffentlichkeit zum Verkauf angeboten — zum Preis von 599 Dollar (umgerechnet etwa 550 Euro). Im Paket waren neben der Konsole zwei (!) Controller und ein Spiel, wahlweise Baseball Stars oder NAM-1975, enthalten. Kurz bevor das System in Nord Amerika veröffentlicht wurde, verringerte SNK den Kaufpreis auf 399 Dollar und fügte Magician Lord zur Spieleauswahl hinzu. Einzelne Games kosteten zwischen 200$ bis 300$, was sich auf die große Speicherkapazität der Module (bis zu 716 MBit) zurückführen lässt.

SVC Chaos Cartridge

Das System wurde unter dem Slogan “Bigger, Badder, Better” vertrieben und war der Cadillac unter den Heimkonsolen. Die Controller waren riesig und das Layout orientierte sich an dem großem Bruder, dem MVS. So erhielten die Käufer kein mickriges Controll-Pad, sondern zwei massive Joysticks (280mm x 190mm x 95mm) mit jeweils vier Arcade-Buttons.

Bigger Badder Better

In Bezug auf Rechenleistung war das AES ein Biest. Unter der Haube arbeiteten zwei CPUs: Ein 16/32-bit Motorola 68000 Haupt-Prozessor, getaktet auf 12 MHz und ein Zilog Z-80 Backup-Prozessor mit 4 MHz Leistung. Das System war etwa 50% schneller als das Sega Genesis und verfügte zusätzlich über separate Video- und Audio-Chipsätze. So konnte das AES insgesamt 4096 Farben und 380 Sprites darstellen und erzeugte mit über 15 Soundkanälen Musik in CD-Qualität.

Vergleich AES

Obwohl die Konsole als 24-Bit System vermarktet wurde, war es in Wirklichkeit ein 8/16/32-Bit Hybrid. Auch die Angaben bei der Auflösung waren nicht ganz korrekt. Zwar konnte die Hardware technisch gesehen 320 x 240 Pixel darstellen, doch kam es durch einen Designfehler der Grafikhardware beim horizontalen Scrollen der Grafik zu Bildstörungen am linken und rechten Bildschirmrand. So fügte SNK nachträglich einen 8 Pixel breiten Rand zur Überdeckung dieser Fehler ein. Um das 4:3 Seitenverhältnis zu bewahren, wurde auch der obere und untere Bildschirmrand um 8 Pixel verkleinert. Die ungewöhnliche Videohardware führte auch zu einem etwas dunklerem, aber kontrastreicherem Bild.

NeoGeo AES

Neben der technischen Überlegenheit wurde auch die Größe der Cartridges bzw. der ROMs aggressiv beworben. Der Modulspeicher fasste 330 MBit, was in den “MAX 330 MEGA PRO-GEAR SPEC”-Slogan mündete, der nicht nur beim Starten des Spiels erschien, sondern auch auf die Verpackungen gedruckt wurde. Einige der angebotenen Spiele durchbrachen bereits die 100 MBit Mauer und wurden von SNK als “THE 100 MEGA SHOCK!”-Games vermarktet. Dies war zur damaligen Zeit ein erfolgreiches Verkaufsrezept, da SNES- oder Genesis-Spiele gerade mal die 16 MBit erreichten.

NeoGeo Startup Screen

Später wurde die ROM-Größe auf bis zu 716 MBit vergrößert — 8 Speicherbänke mit jeweils 64 MBit sowie eine Speicherbank mit 4 MBit für Grafik, 8 Bänke mit jeweils 8 MBit für das Programm, 128 MBit für den Sound — und resultierte in einen “GIGA POWER PRO-GEAR SPEC”-Start Up Screen.

NeoGeo Memory Card

Das NeoGeo sollte auch die erste Konsole sein, die Speicherkarten unterstützte. Für etwa 40$ konnte man sich eine Karte mit PCMCIA-Standard kaufen und auf dieser seine Spielstände und Highscores speichern. Verlockend war die Möglichkeit, das sowohl das AES als auch MVS einen Kartenslot besaßen und man so seine Erfolge aus der Spielhalle mit nach Hause nehmen konnte. Allerdings fassten die Speicherkarten nur etwa 2 Kilobyte (Platz für etwa 20 Spielstände) und wurden von zu wenig Games unterstützt.

In den ersten Jahren war das NeoGeo noch recht profillos. Es gab zwar großartige Spiele wie SNK’s NAM-1975 und Cyber-Lip, Top Player’s Golf, Baseball Stars Professional oder ADK’s Magician Lord und Ninja Combat — doch die wirklich herausragenden Titel ließen noch auf sich warten. Die Spielebibliothek war ein buntes Gemisch aus Sport-, Renn-, Shooter-, Geschicklichkeits-, Puzzle- und Quiz-Spielen. Auch gab es kein eindeutiges Maskottchen, wie zum Beispiel Mario oder Sonic. Zwar wurde die Bulldogge aus der Zeitschriftenwerbung so etwas wie ein Markenzeichen, doch diese wurde wenige Jahre später wieder fallen gelassen. Es musste erst ein anderer Spielehersteller die Bildfläche betreten, damit sich SNK seiner Stärken bewusst wurde.

Im April 1991 erblickte Street Fighter II des japanischen Gamedeveloper Capcom das Licht der Welt und löste eine neue Euphorie unter den Arcade-Gamern aus. SNES und Mega Drive wurden zurück in die Ecke geworfen, die Taschen mit Münzen voll gepackt und die nächste Spielhalle aufgesucht. One-On-One Fighting Games waren der letzte Schrei, dass erkannte auch SNK.

NeoGeo Cartridge

Man konterte mit Fatal Fury (Garou Densetsu in Japan, 1991) und konnte einen ebenbürtigen Prügler ins Rennen schicken. Dadurch, dass das MVS und das AES identisch aufgebaut waren, konnte SNK den Titel schon im Dezember 1991 für seine Heimkonsole veröffentlichen. Street Fighter II erschien erst am 10. Juni 1992 für das SNES. Allerdings besaß Capcoms Spielehit deutlich mehr Tiefe und Komplexität. Fatal Fury spielte sich eher wie ein klassisches Action-Game und ließ die ausgefeilte Kampf-Mechanik von SFII vermissen. Der 250$ hohe Verkaufspreis schreckte zudem viele der Interessenten ab.

Fatal Fury 2

Erst mit Fatal Fury 2 gelang SNK 1992 der große Wurf und machte das Unternehmen zur Referenz unter den “2D-Competitive Fighting Games”-Herstellern. Aufgrund der Rechenpower war FF2 seiner Konkurrenz optisch überlegen. Auch Gamplay-Technisch hat SNK versucht, das Genre weiterzuentwickeln. So verfügten die 8 Kämpfer nicht nur über gewöhnliche Spezial-Moves, sondern auch über Super Special Attacks. Diese konnten vom Spieler erst aktiviert werden, wenn die Lebensanzeige unter 25% sank. Des Weiteren war es möglich, den Attacken seines Gegners auszuweichen, indem man seinen Spielcharakter auf die Hintergrund-Ebene bewegt.

Art of Fighting1992 aktualisierte Capcom seine Spielserie und veröffentlichte Street Fighter II: Champion Edition. Die Version spielte sich schneller und flüssiger, außerdem waren nun auch die vier Bossgegner als eigene Spielcharaktere wählbar. SNK antwortete mit dem Fatal Fury Prequel Art of Fighting, der allerdings nur technisch überzeugen konnte. Das Gameplay war ruppig und die Story sowie Charaktere lächerlich. Das Skalieren der Charaktere und Hintergründe war aber trotzdem beeindruckend und sollte später noch in der erfolgreichen Serie Samurai Shodown eingesetzt werden. Art of Fighting war der erste 100 MBit Titel der SNK Spielebibliothek und der “THE 100 MEGA SHOCK!” machte die Runde.

King of Fighters 94

1994 erschien der erste Teil der King of Fighters Serie und löste eine erneute Hysterie um das erfolgreiche Genre der 2D-Fighting-Games aus. Die KoF-Reihe zählt zu den bekanntesten Spielen, die SNK je produziert hat. Der Name entstammte dem Untertitel des Spieles Fatal Fury 2: The King of Fighters. The King of Fighters ’94 führte das 3-gegen-3-Teamkampfsystem ein, sowie andere Elemente wie Attack Deflector (Ausweichen) und Emergency Escape (Abrollen), die später auch in vielen anderen Spielen Anwendung fanden. Bei den wählbaren Kämpfern handelte es sich um ein buntes Gemisch aus neuen Charakteren und Figuren aus alten SNK-Spielen wie Fatal Fury, Art of Fighting, Ikari Warriors und Psycho Soldier. Der Kämpfer-Pool war für damalige Verhältnisse riesig und wurde mit jedem zusätzlichem Teil erweitert. Bis 2003 sollte jedes Jahr ein neuer Titel erscheinen.

Capcom und SNK überboten sich im Laufe der 90er regelmäßig mit neuen und besseren Ausgaben ihr Kampf-Serien. Capcom veröffentlichte insgesamt zehn Sequels zu Street Fighter II und diverse Marvel-Prügeler, SNK veröffentlichte sechs Fatal Fury Sequels, vier Samurai Shodown Spiele und insgesamt zehn Ausgaben des King of Fighters Franchise. An vielen dieser Spiele war übrigens der Gamedesigner Takashi Nishiyama beteiligt, der noch wenige Jahre zuvor für Capcom gearbeitet und Street Fighter II mitentwickelt hatte. Doch damit nicht genug. SNK produzierte noch weitere Kampf-Spiele wie Last Blade, Kizuna Encounter und Matrimelee.

Last Blade

Mit Spielen wie Fatal Fury, Samurai Shodown und der King of Fighters Serie bekam SNK nun endlich ein Gesicht. Charaktere wie Terry Bogard (Fatal Fury) brachten etwas Coolness in die Spielhallen und änderten auch das Bild des klassischen Gaming-Nerds, dass die Medien zu der Zeit umschrieben. Spielhallen wurden nun nicht mehr durchweg von Highscorejägern und Hardcorezockern aufgesucht. Auch Gelegenheitsspieler forderten sich gegenseitig bei KoF heraus und wirbelten die alt eingesessene Szene etwas auf. Nakoruru von Samurai Showdown war eine der erste Videospiel-Charaktere, die öffentlich auf einem Poster abgebildet wurde. Akteure aus Videospielen wurden auch beim weiblichen Geschlecht immer beliebter. Besonders der Rivalitätskampf zwischen Kyo Kusanagi (KoF ’94) und Iori Yagami (KoF ’95) hatte es den Mädchen angetan. Eine neue Gruppe von Fangirls entstand und plötzlich tauchten immer mehr Frauen in den Spielhallen auf.

King of Fighters Charaktere

SNK und Capcom beherrschten zu dieser Zeit den Arcade-Markt und anstatt sich weiter zu bekriegen, hielten es die beiden Firmen für angemessen, an einem gemeinsamen Spiel zu arbeiten. So erschien 2000 Capcom vs. SNK. Für die eigentliche Entwicklung des Spieles war allerdings Capcom verantwortlich. SNK erhielt somit nur einen kleinen Betrag für die Lizenzierung ihrer Spielecharaktere und wurden nicht am Gewinn beteiligt. Dies war einer der Gründe, warum SNK ein Jahr später in enorme finanzielle Schwierigkeiten geraten sollte. Doch Moment, soweit sind wir noch nicht.

Anfang der 90er ging es SNK nämlich blendend. Die Arcade-Kabinetts waren wieder auf dem Vormarsch und SNK zählte zu den Marktführern. Sowohl das MVS als auch die Heimkonsole AES verkauften sich hervorragend. SNK Corporation of America expandierte und schloss sich mit der kleinen Schwester SNK Home Entertainment in Torrance zusammen. Es entstand SNK of America. Paul Jacobs, der das NeoGeo nach Amerika brachte, gab seinen Posten als Präsident an Marty Kitazawa ab, der sich ab sofort auf die Zusammenarbeit zwischen SNK Japan und SNK Amerika konzentrierte. Vizepräsident wurde John Barone. Er war das neue Gesicht der Firma und hatte die Oberaufsicht über das NeoGeo-Franchise. Er wird als Initiator des NeoGeo CD und des Hyper NeoGeo 64 angesehen. Doch dies waren nur zwei der Gründe, warum ihn viele SNK-Fans hassten.

Obwohl der Umsatz von SNK stetig stieg, blieben die Verkäufe des NeoGeo AES hinter den Erwartungen zurück. Dabei war nicht unbedingt der hohe Preis der Konsole das Manko, sondern die vergleichsweise enormen Anschaffungskosten der Spiele. Für den Preis eines AES-Games konnte sich der Käufer auch drei bis vier SNES-Cartridges zulegen. Man einigte sich darauf, einen neuen Datenträger zu finden, der kostengünstiger zu produzieren sei. Anfang der 90er war gerade die CD auf dem Vormarsch und wurde als geeignetes Medium ausgewählt.

SNK veröffentlichte am 9. September 1994 das NeoGeo CD und verkaufte am ersten Tag bereits 25.000 Geräte. Zwar kostete die Konsole immer noch 300$, die Firma konnte die Preise für die Spiele aber unter 50 Dollar drücken. In Japan erschien zuerst eine Front-Loader Variante, die aber nach nur 25.000 ausgelieferten Einheiten durch einen Top-Loader ersetzt wurde, da dieser günstiger in der Herstellung war. Doch die anfängliche Euphorie verflog bald.

Einerseits wurden die neuen Gamecontroller von den alteingesessenen Arcade-Gamern nicht sehr positiv aufgenommen. Um die Herstellungskosten weiter zu drücken, entschied sich SNK dazu, das NeoGeo CD ohne Arcade-Sticks auszuliefern. Der neue Gamecontroller war allerdings seinem Vorgänger qualitativ deutlich unterlegen. Doch ein viel größeres Problem war das Single Speed Laufwerk, sowie der interne Speicher von gerade einmal 7 MB Größe.

Das AES besaß aufgrund der Cartridge-Technik keine spürbaren Ladezeiten, da die Daten innerhalb von Millisekunden in den Systemspeicher eingelesen wurden. Die langsame Lesegeschwindigkeit des NeoGeo CD-Laufwerks zwang die Spieler allerdings dazu, zwischen den einzelnen Stages Wartezeiten von über 60 Sekunden einzulegen. Auch das Vorladen neuer Daten war wegen dem geringem internen Speicher nicht möglich. Stattdessen durfte man eine halbe Minute auf einen nervigen Ladescreen mit einem jonglierenden Äffchen starren.

Um das NeoGeo CD gegenüber dem AES zu pushen, veröffentlichte SNK einige seiner Spiele exklusiv für seine neue Konsole. Eines der bekannteren war Shinsetsu Samurai Spirits: Bushido Retsuden, ein RPG, welches im Samurai Shodown Universum angesiedelt war und etwas später auch für den Sega Saturn und die Sony Playstation umgesetzt wurde. Das Spiel wurde nie in Amerika oder Europa veröffentlicht. Allerdings verfügte das NeoGeo CD über kein “Region Lock“, wodurch viele SNK-Fans dem Videospiele-Import-Markt zu einem kleinem Aufschwung verhalfen. Der populärste Exklusivtitel aber war wohl Taito’s Puzzle-Klassiker Bust-A-Move.

SNK musste gegen die enormen Ladezeiten des NeoGeo CD angehen, denn die Wellen an Beschwerdebriefen und empörten Telefonanrufen brach nicht ab. 1996 veröffentlichte das Unternehmen daher eine überarbeitete Version unter dem Namen NeoGeo CDZ. Der Cache des Laufwerks wurde vergrößert. Somit konnten das Folgelevel schon während dem Spielen geladen werden und die Wartezeiten wurden deutlich reduziert. Bis heute hält sich das Gerücht, dass auch die Laufwerksgeschwindigkeit verdoppelt wurde. Doch in Wirklichkeit wurde nur ein stärkerer Motor eingebaut — das Single Speed Laufwerk blieb erhalten.

NeoGeo CD

Aufgrund eines Designfehlers überhitzte das NeoGeo CDZ häufig, was zu vielen Reklamationen führte (Hallo Xbox360). Ein weiteres Problem waren die immer größer werdenden Module, wodurch der interne Speicher des NeoGeo CD nicht mehr mit kam. Dadurch wurden neuere Spiele nicht mehr für das System umgesetzt, da sie zu sehr abgespeckt werden mussten, um noch vernünftig lauffähig und spielbar zu sein.

Trotz dem Debakel im Heimkonsolenmarkt konnte SNK dank guter Software weiterhin einen soliden Umsatz verbuchen. Im April 1996 erschien der erste Teil der Metal Slug Serie und gab der Firma einen erneuten Aufschwung.

Metal Slug Illustration

Metal Slug wurde von der Nazca Corporation entwickelt, die aus einigen Programmierern und Spieleentwicklern des Gamedevelopers Irem entstand. Irem zeichnet sich unteranderem für Spiele wie In the Hunt, Gunforce 1 + 2 und Last Resort verantwortlich. Die Games weisten schon deutliche Parallelen zu der Metal Slug-Reihe auf, besonders im Bezug auf Gameplay und Art-Style. Wem diese Titel nichts sagen, wird möglicherweise bei dem Name R-Type aufhorchen, welches ebenfalls aus der Irem-Spieleschmiede stammt.

Der Name Metal Slug bezieht sich auf das gepanzerte Gefährt, in das der Spieler an bestimmten Punkten des Spiels steigen kann. “Metal” leitet sich dabei von dem Baustoff des Panzers ab. Da das Kettenfahrzeug kriechen konnte, gab ihm der Lead Designer Meeher den Zusatz “Slug”.

Metal Slug

Metal Slug war ein sofortiger Erfolg für das junge Entwicklerteam. Die einfache Steuerung, detailverliebten Animation, handgemalten Grafiken, der hohe Schwierigkeitsgrad und die Non-Stop-Action machten Metal Slug zu einem der besten Run-and-Gun Spiele aller Zeiten. Auch der Slapstick-Humor, der sich in Parodien über Saddam Hussein, dem Nazi Regime und den Filmen Full Metal Jacket sowie MASH zeigte, trug zum Erfolg der Serie bei. Vom großem Erfolg überrascht, kaufte SNK Nazca auf und veröffentlichte drei weitere Teile (Metal Slug 2, X und 3). Der dritte Teil der Serie wird unter den Fans oft als der Beste angesehen. Das Spiel wurde für nahezu alle Konsolen portiert. Viele Nachfolger entstanden, die allerdings nicht mehr an den hohen Qualitätsstandard sowie den Erfolg der Serie anknüpfen konnten.

Metal SlugAllerdings wurde der erste Teil nur in einer sehr geringen Auflage für das AES produziert, wodurch es zu Lieferengpässen kam. Besonders in den USA mussten viele Fans auf modifizierte MVS-Versionen zurückgreifen (zwischen 200$ – 300$), um das Spiel auch zu Hause genießen zu können. Die Preise für das Spiel schossen in die Höhe und eine Original-AES-Version konnte nur noch in Online-Auktionen für Preise um die 1000$ gekauft werden.

Nicht nur Metal Slug litt unter der geringen Auflage. Gegen Mitte der 90er hatte SNK die Produktion von AES-Cartridges auf unter 10% gedrosselt, im Vergleich zu Beginn des Jahrzehnts. Die Tatsache, dass SNK die Spiele für die Heimkonsolen nur über direkte Mail Order verkaufte, kam dem Unternehmen nicht gerade zugute. Glücklicherweise brach die Nachfrage von Spielehallenbesitzern nicht ab und das MVS verkaufte sich blendend. Auch die zahlreichen Adoptionen für die Sony Playstation und den Sega Saturn spülten Geld in die Kassen.

Somit war 1996 das beste Jahr für das Unternehmen. Japaner, Amerikaner und auch Europäer warfen wie verrückt Münzen in die Automaten und Spiele wie King of Fighters ’96, Real Bout Fatal Fury und Samurai Shodown 4 entwickelten sich zu Publikumsmagneten.

Samurai Shodown 4

Berauscht vom Erfolg brachte SNK 1997 das 3D-fähige Hyper Neo-Geo 64 als Platine für Spielhallen auf den Markt. Dieser Schritt wurde notwendig, da die Konkurrenz zu der Zeit die Kunden bereits mit 3D-Spielen begeistern konnte. Doch der Versuch scheiterte, denn grafisch konnte sich die ambitionierte Hardware nicht mit etablierten Platinen wie dem Sega Model 3-Board messen. Insgesamt erschienen nur sieben Titel für das HNG64.

Hyper NeoGeo 64

Bis zum Jahre 1998 bezog SNK sein Haupteinkommen aus dem King of Fighters Franchise. Jedes Jahr veröffentlichte das Unternehmen einen neuen Teil und erreichte mit KoF ’98 schließlich den Höhepunkt der Serie. Im selben Jahr veröffentlichte SNK auch seinen nächsten großen Streich — zumindest dachte man das. Es erschien das NeoGeo Pocket, ein Handheld mit Schwarz/Weiß-Bildschirm. Der Zeitpunkt hätte nicht schlechter gewählt werden können, denn nur wenige Monate später erschien der GameBoy Color. Die Verkaufszahlen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Also stellte man die Produktion nach einem halben Jahr wieder ein und präsentierte Mitte 1999 das NeoGeo Pocket Color — ein im Prinzip baugleiches Modell, eben nur mit Farbbildschirm. Um die Besitzer des Vorgänger-Modells nicht zu verärgern, integrierte man in die neuen Spiele einen S/W-Modus, wodurch die Titel auch abwärtskompatibel waren.

Das NeoGeo Pocket Color war seinem direktem Konkurrenten technisch sogar überlegen. So konnte das NeoGeo mehr Sprites (64 vs. 40) und mehr Farben (146 vs. 56) gleichzeitig darstellen. Außerdem verbrauchte der 16-Bit Toshiba Prozessor weniger Strom als der 8-Bit Z80 Prozessor im GBC, wodurch es das NGCP auf bis zu 40 Stunden Laufzeit brachte. Der Konkurrenz ging hingegen schon nach 15 Stunden der Saft aus.

NeoGeo Pocket Color

Da SNK über interessante, hauseigene Lizenzen verfügte, entstanden in der kurzen Zeit einige sehr gute Exklusiv-Titel, wie zum Beispiel Samurai Shodown und King of Fighters R-1. Vor allem in den USA war der Kleine ein Erfolg und erreichte sogar den Status des “erfolgreichsten Nicht-Nintendo Handheld seit dem Game Gear”. Allerdings machte SNK einige Fehler: Sie verhandelten nicht mit anderen Herstellern, so dass fast nur SNK-eigene Titel erschienen und aus Kostengründen veröffentlichte man die Spiele nur in Pappverpackungen und nicht, wie in Japan, in Plastikpackungen.

SNK rutschte in die roten Zahlen ab. Im Frühjahr 1999 hatte das Unternehmen schon ihre Hardware-Produktionsstätten geschlossen und die NeoGeo World Vergnüngungs-Center aufgelöst. Das Unternehmen suchte händeringend nach einem Investor und nahm schließlich ein Angebot der Firma Aruze an. Aruze hat sich mit den so genannten Pachinko-Automaten eine goldene Nase verdient und erhoffte sich neue Einnahmen durch den Kauf der Nutzungsrechte an SNK-Charakteren. 2000 kaufte Aruze den angeschlagenen Soft- und Hardwareentwickler auf und entwickelte zahlreiche Pachi-Slot Maschinen, die auf bekannten SNK-Franchises beruhten. Aruze besaß aber kein Interesse an dem Softwarezweig von SNK und investierte so gut wie kein Geld in das Unternehmen. Auch um die Veröffentlichung von neuen Spielen kümmerte man sich nur sporadisch.

King of Fighters ’99 Evolution und Fatal Fury: Mark of the Wolves galten als die besten Kampfspiele für Segas aktuelle Konsole, die Dreamcast. Doch SNK hatte auf das falsche Pferd gesetzt, denn im März 2001 stellte Sega die Produktion der Konsole ein — und die Playstation 2 begann gerade mit ihrem Siegeszug.

Garou: Mark of the Wolfes

2000 erschien auch der bereits angesprochene Blockbuster Capcom vs. SNK, dessen gesamter Gewinn allerdings Capcom zugute ging. SNK versuchte den Verlust auszugleichen und produzierte zwei SNK vs. Capcom Spiele für den NeoGeo Pocket Color. Beide Titel verkauften sich etwa 50.000 Mal, konnten SNK aber nicht mehr retten.

Enttäuscht von der fehlenden Untertsützung durch Aruze verließ Kawasaki mit einer Handvoll Mitarbeiter das Unternehmen. Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, gründete Kawasaki mit fünf weiteren ehemaligen SNK-Geschäftsführern ein neue Entwicklerfirma — BrezzaSoft. Aruze hingegen entschied sich aller Unternehmensstränge außerhalb von Japan zu entledigen. SNK USA wurden geschlossen. Die Rechte für Arcade-Automaten wurden an Apple Industries verkauft. Durch die fehlenden Einnahmen aus Europa und Amerika fiel SNK tiefer in die roten Zahlen und Aruze entschloss sich, die Firma in den Konkurs zu zwingen. Ironischerweise verkaufte Aruze in diesem Zusammenhang diverse SNK-Franchises (darunter auch KoF) an BrezzaSoft. Weitere Rechte gingen an Eolith, Mega Enterprises und Noise Factory.

SNK wurde am 22. Oktober 2001 geschlossen.

Terry Bogard

Da Eikichi Kawasaki wieder die Rechte über das King of Fighters Franchise besaß, veröffentlichte BrezzaSoft in Zusammenarbeit mit Eolith KoF 2001 und KoF 2002. Parallel erschien 2002 der vierte Teil der Metal Slug Serie, der von Mega Enterprises entwickelt wurde. Doch Metal Slug 4 enttäuschte die Fangemeinde und gilt als schlechtester Teil der Serie.

Für Kawasaki war die Geschichte von SNK aber noch lange nicht beendet. Im Hintergrund begann er damit, die Firma wieder aufzubauen. Im August 2001 grundete er das Unternehmen Playmore und kaufte Stück für Stück die Rechte der verschiedenen Spieletitel zurück. Kurz darauf vereinte er Playmore und BrezzaSoft und verfügte so im Oktober 2002 wieder über alle Rechte zur Veröffentlichung weiterer Spiele aus dem SNK Universum.

Weil Aruze weiterhin Pachi-Slot Maschinen mit SNK-Charakteren herstellte, wurde das Unternehmen von Playmore wegen Copyrightverletzung angeklagt. Aruze musste der neuen Firma SNK-Playmore 6,2 Milliarden Yen (etwa 58.5 Million Dollar) zahlen. Mit diesem Startkapital konnte im Dezember 2002 die SNK NeoGeo USA Corporation gegründet werden. Ein ehemaliger Mitarbeiter, Ben Herman, kündigte seinen Job als Vice-President of Sales bei Nintendo und wurde der neue Präsident von SNK USA. The King of Fighters 2000/2001 Doppelpack sollte das erste vertriebene Spiel des wiedervereinten Softwareherstellers in Amerika sein.

Angespornt von dem gewonnenen Gerichtsverfahren gegen Azure ging Kawasaki verstärkt gegen modifizierte MVS-Cartridges und Raubkopien vor. Man einigte sich schlussendlich mit zwei Firmen und handelte einen Vertrag aus, der das Produzieren von vergriffenen AES-Cartridges wie Metal Slug erlaubte und modifizierte MVS-Versionen unterband.

Am 7. Juli 2003 benannte sich Playmore in SNK Playmore um.

SNK Playmore

Bis 2004 setzte man noch auf das Neo Geo AES und wiederbelebte auch den Arcade-Pendanten, das MVS. King of Fighters 2002, SVC Chaos: SNK vs. Capcom, Metal Slug 5 und Samurai Shodown V Special waren die letzten Spiele für die Systeme. In der Folge ging man eine Kooperation mit Sammy ein, um künftige Spiele auf deren Atomiswave Plattform zu veröffentlichen. Als neue Konsole für Umsetzungen hatte man sich hauptsächlich die Playstation 2 ausgesucht. Doch auch für die Xbox erschienen einige Titel.

SNK Playmore konzentriert sich mittlerweile wieder verstärkt auf den Heimsektor, ohne dabei seine Arcade-Wurzel zu vernachlässigen. So beendete man 2006 die Zusammenarbeit mit Sammy und entwickelt mittlerweile für das fortschrittlichere Taito Type X².

Wer heutzutage in Genuss von Klassikern wie Metal Slug oder King of Fighters ’98 kommen will, hat es leichter denn je. SNK hat in den vergangenen Jahren viele Spiele-Reihen für die Playstation 2 neu aufgelegt und diverse Collections veröffentlicht. Das Unternehmen stellte auch einige Spiele wie Fatal Fury Special bei Xbox Live Arcade ein, unterstützt aber zur Zeit Nintendos Virtual Console für die Wii. Zahlreiche Titel stehen bereits zu vertretbaren Preisen über die Plattform zum Download bereit. Sehr empfehlenswert ist zudem die Metal Slug Anthology.

SNK hält auch weiterhin an dem King of Fighters und Metal Slug Franchise fest. KoF 12 für die Xbox 360 und Metal Slug 7 für den Nintendo DS waren allerdings eine herbe Enttäuschung. Trotzdem lässt dies erkennen, dass SNK weiterhin bemüht ist, am Spielemarkt mitzumischen. So veröffentlichte der Spieleentwickler 2007 das erste Adult-Game für den Nintendo DS — Doki Doki Majo Shinpan.

King of Fighters 12

Das Unternehmen konzentriert sich zudem auf den wachsenden Markt der Smartphones und veröffentlichte vor einigen Monaten Metal Slug für das iPhone. Zur Zeit wird zusätzlich über eine Online-Version des erfolgreichen 2D-Shooters gemunkelt, für den sich Mega Enterprises verantwortlich zeigen soll.

Meiner Meinung nach erreicht keines der aktuellen Spiele von SNK den Qualitätsstandard der hier erwähnten Klassiker. Um so angenehmer empfinde ich es, dass die Firma dank der Zusammenarbeit mit Nintendo und anderen Unternehmen es auch jungen Spielern und alten Arcade-Fans ermöglicht, Spiele-Titel wie King of Fighters, Garou: Mark of the Wolfes, Metal Slug, Fatal Fury und SNK vs. Capcom neu zu entdecken. Und im Gegensatz zu anderen “Klassikern”, die ich in meiner Jugend großartig fand, kann ich heute immer noch Stunden mit diversen SNK-Titeln verbringen.

Wer an dieser Stelle immer noch nicht genug von dem NeoGeo und seinen Entwicklern hat, dem lege ich noch diesen Link und nachfolgendes Video ans Herz. Ich für meinen Teil werde mich jetzt wieder in die Welt der schießenden Panzer, explodierenden Flugzeuge, sich schlagenden Mädels, wilden Samurai und zerstörungswütigen Monster stürzen.