Rezension: "Playing Yesterday. Mediennostalgie im Computerspiel."

„Nostalgie [ist] eine Neuschöpfung aus den beiden griechischen Wörtern nostos für Heim oder Heimkehr und algia für Schmerz […]. Diesen Neologismus prägte der Schweizer Mediziner Johannes Hofer in seiner Dissertation 1688 […].
Für Hofer und seine Zeitgenossen war dies eine ernstzunehmende, medizinisch behandelbare Krankheit, […] [a]ls Behandlungsmethoden […] schlug man daher Opium, Blutegel oder einen Urlaub in der Heimat vor.“

(Sebastian Felzmann, aus Playing Yesterday. Mediennostalgie im Computerspiel)

2011 traf ich Sebastian Felzmann beim ersten researching games-BarCamp in Wiesbaden. Damals hielt er einen viertelstündigen Vortrag, der aus den Grundthesen seiner Master-Arbeit zu Mediennostalgie im Computerspiel bestand. Mein Namensvetter konnte seine Theorie klar und deutlich erklären, ohne zu sehr den akademischen Duktus unserer Zeit zu missbrauchen. Ich war begeistert.

Knapp ein Jahr später halte ich nun seine erste Monografie in den Händen. Playing Yesterday. Mediennostalgie im Computerspiel ist eine Generalüberholung seiner Abschlussarbeit, erweitert um zusätzliche, stets nachvollziehbare Argumentationsketten und anschaulichen Erläuterungen. Das mit 102 Seiten vergleichsweise knappe Werk mag den geneigten LeserInnen vielleicht kurz vorkommen, aber dennoch ist es informationsreich und horizonterweiternd.

Das theoretische Fundament, vordergründig bestehend aus Aleida Assmanns, Jan Assmanns und Maurice Halbwachs’ Theorien des kulturellen sowie kollektiven Gedächtnisses, wird auch ohne vorherige Lektüre den LeserInnen verständlich gemacht. Von diesen Gedächtniskonzepten aus entwickelt er seinen Nostalgiebegriff, der anschließend in seiner Ausprägung der Mediennostalgie. Diese beleuchtet er auf über 60 Seiten anhand der Beispiele Film (explizit durch Pleasantville als Beispiel für inszenierte Nostalgie sowie Sky Captain and the World of Tomorrow und Grindhouse als Beispiel für nostalgische Inszenierungen) und Computerspiel noch näher, immer mit einer Frage im Hinterkopf: Wieso denken wir, dass früher alles besser war?

„Mediennostalgie lässt sich […] als die Sehnsucht nach der spezifischen Verfasstheit eines Mediums zu einem spezifischen Zeitpunkt deuten. Sie richtet sich demnach gegen die voranschreitende Entwicklung eines Mediums und wird von dieser erst hervorgebracht. Dabei zielt die nostalgische Sehnsucht entweder auf die Ästhetik des Mediums oder dessen Inhalt: ‘wie wird erzählt’ kontra ‘was wird erzählt’.“

Doch auch die in Online-Foren heimische verklärte Erinnerung an damalige Computer-Alltagstäglichkeiten des Schreckens™ wie das Arbeiten auf Kommandozeilenebene werden thematisiert. Aussagen über die ‘gute, alte Zeit’, über das Damals werden in einen größeren Kontext gesetzt. Damals: Die Zeit, wo Pong noch die Fantasie beflügelte, wo man zu Spielen wie Ultima VII noch einen Talisman und eine qualitativ hochwertige Karte dazubekommen hat und wo das erste Indiana Jones-Computerspiel noch so richtig, richtig geil war. Wie bitte? Die heutigen Spiele sind doch mindestens genauso gut? Ach, sei ruhig, du hast doch keine Ahnung. Damals war einfach alles besser.

Sebastian Felzmann bietet erste Antworten dazu, warum wir das überhaupt denken. Meines Erachtens ist Playing Yesterday. Mediennostalgie im Computerspiel ein wunderbarer Beweis, dass sich die deutschen Game Studies-ForscherInnen auf dem richtigen Weg befinden. Weiter so!

Playing Yesterday. Mediennostalgie im Computerspiel ist Juni 2012 beim Verlag Werner Hülsbusch erschienen. Das Buch kostet 22,50 € und ist über den verlagseigenen Online-Shop und über Amazon erhältlich.