Rezension: "Theorien des Computerspiels zur Einführung"

„Das Ziel ist […], ein theoretisch abgestimmtes Set von Analyseperspektiven und -methoden darzustellen, das […] den bisherigen methodologischen Diskurs […] resümiert und ihn […] auf ein Niveau jenseits der Beliebigkeit disziplinärer Einzelaspekte und kontingenter Materialselektionen hebt.“

(GamesCoop, aus Theorien des Computerspiels zur Einführung)

Dieses äußerst anspruchsvolle Vorhaben formuliert das Siegener MedienwissenschaftlerInnen-Kollektiv GamesCoop (bestehend aus Benjamin Beil, Philipp Bojahr, Thomas Hensel, Britta Neitzel, Timo Schemer-Reinhard sowie Jochen Venus) in der Einleitung.

Das beim Junius-Verlag erschienene Buch ist unterteilt in sechs unabhängig voneinander lesbare Kapitel, in denen über einzelne Forschungsansätze (Genre, Steuerung, Involvierung, erlebtes Handeln, Bildmedium, Störung) referiert wird. Diese funktionieren nach folgendem Schema: In knapper Form werden einige Grundtheorien des jeweiligen Einzeldiskurses präsentiert, woraufhin eine oder eine Kombination aus mehreren verstärkt ausgearbeitet wird. Der mediologische Diskurs wird also nicht nur zusammengefasst, sondern auch indirekt bewertet, indem Stellungnahme bezogen wird. Damit erweist sich der Band nicht etwa als der (be)wert(ungs)freie Versuch einer Aufbereitung, was nicht zwangsläufig als eine Schwäche interpretiert werden muss. Schließlich können durch diesen Fokus einzelne Ansätze sehr gründlich und mit Beispielen untermauert behandelt werden.

Wer sich fragt, ob sich der Erwerb und die Lektüre lohnt, sollte die eigenen Erwartungshaltungen hinterfragen. Für 14,90 Euro wird man hier keine Enzyklopädie der Computerspieleforschung erhalten, aber durchaus interessante Einblicke und Querverweise. Wenn Jochen Venus die Entstehung einer mentalen Karte des Raumes in GTA: San Andreas als einen Grundpfeiler des Spielerlebnisses hervorhebt oder wenn Philipp Bojahr den Ursprung des Easter Eggs als Protestform beschreibt, da es eine intendierte Störung der diegetischen Ebene darstellte – genau in solchen Momenten findet das Buch seine großen Stärken. Einen großen Wermutstropfen gibt es leider trotzdem: Der Schreibstil in einigen Beiträgen ist mir zu akademisch verschwurbelt und damit für Non-MedienwissenschaftlerInnen eine nicht zu unterschätzende Hürde. Auch die stellenweise zu unkritische Haltung zu Konzepten wie der Interaktivität und der Immersion missfällt mir persönlich.

Man merkt es schon: Diese Rezension springt hin und her. Mal sehe ich etwas als positiv an, dann kommt wieder ein Schwachpunkt, dann sehe ich wieder etwas Tolles an dem Buch. Welche Meinung kann ich nun am Ende der Rezension geben? Leseempfehlung: Ja oder nein? Um zu einem Fazit zu kommen, möchte ich nochmal auf den Umschlag eingehen. Dort ist ein Companion Cube aus Portal abgebildet, der jetzt für eine kleine Analogie meinerseits herhalten muss. GLaDOS lässt folgende Worte verlauten, kurz bevor man die beherzte Metallbox in den Schlund der Müllverbrennungsanlage schicken soll:

„While it has been a faithful companion, your Companion Cube cannot accompany you through the rest of the test.“

Als Feuerholz muss dieses Buch ganz sicher nicht herhalten. Aber, wenn man Freude an der Lektüre haben möchte, sollte man auch keinen ‘Grundkanon’ oder gar eine deutsche Game-Studies-Bibel erwarten. Um in der Portal-Metapher zu bleiben: Wenn der Erkenntnisgewinn in der Computerspieleforschung eine Testkammer ist, so ist Theorien des Computerspiels zur Einführung ein treuherziger Kamerad, der uns einen guten, interessanten, trotzdem nicht erschöpften Überblick über mögliche Analyseansätze. Eine eigenständige Weiterbildung bleibt wichtig – dieses Buch ist allerdings eine empfehlenswerte Zwischenetappe für bereits erfahrenere LeserInnen.