10 Jahre Dolphin: Eine Ode an die Emulation
Vor gut neun Jahren saß ich auf einem unbequemen Ikea-Sessel, starrte auf einen flackernden Röhrenbildschirm und prügelte mit einer rosafarbenen Prinzessin auf eine gelbe Ratte ein, welche von meinem Freund gesteuert wurde. Stundenlang, jeden Freitag, bis zum Einbruch der Dunkelheit und darüber hinaus. Dabei war es mir oftmals verwehrt, siegreich aus den Kämpfen hervorzugehen, was mit diversen Fluchwörtern quittiert wurde, gefolgt von Relativierungsversuchen meinerseits (beliebte Argumente waren unter anderem eine fehlende Erfahrung mit dem Spiel und der Gebrauch des eh “unfairen” Pikachus). Glücklicherweise wurde später auch Mario Kart: Double Dash!! zu der Spielesammlung des Freundes hinzugefügt, was mir endlich öfters durch blaue Panzer zum ersehnten Sieg verhalf. Dies wiederum kam dann nicht sonderlich gut bei meinem Freund an, weshalb ich wenige Minuten später wieder in Super Smash Bros. Melee betrachten konnte, wie meine Peach abermals gegen den Bildschirm klatschte. Der Nintendo GameCube war deshalb ein zweischneidiges Schwert für mich: Zwar festigte er Freundschaften, stellte diese aber genauso oft auf die Probe.
Eventuell schuf ich mir aus diesen Gründen vier Jahre später eine Wii an, um durch rigoroses Training den Spieß endlich umzudrehen und die Oberhand zu gewinnen. Dieser Gedanke hielt sich allerdings nicht lange, da meine Aufmerksamkeit von einer der Flut an Shovelware qualitativ hochwertigen Titeln für diese in Anspruch genommen wurde. Zumindest bis Nintendo sich entschloss, mit Portierungen einiger ausgewählter Spiele an die vergangene Ära zu erinnern: So wurden unter anderem Pikmin, Metroid Prime, Resident Evil 4 und kürzlich sogar The Legend of Zelda: The Wind Waker auf die neuste Generation gehieft. Obwohl einige dieser Titel bereits ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben, fühlen sie sich noch immer frisch und aktuell an (im Gegensatz zu der Grafik, aber es kommt ja bekanntlich auf die inneren Werte an).
Falls sich Nintendo sich nun aber aus unerklärlichen Gründen entschließt, die Gelddruckmaschine namens “Portierungen” abzustellen, wird der GameCube trotzdem nicht in Vergessenheit geraten: Dolphin, ein Emulator für den besagten GameCube und die Wii feierte kürzlich sein 10-jähriges Jubiläum und veröffentlichte zeitgleich einen neuen Meilenstein des Programms. Wem der Begriff Emulator nun nicht bekannt ist, dem sei mit den nächsten drei Sätzen auf die Sprünge geholfen.
Emulatoren setzen es sich zum Ziel, ein ursprüngliches System (in diesem Fall also der GameCube und die Wii) möglichst originalgetreu in einem anderem System (PC) zu duplizieren. Dabei wird jedes Element des Systems genaustens analysiert und programmiert, vom dem CPU bis hin zu dem Speicherplatz. Da es sich bei der Wii nun grundsätzlich um einen GameCube auf Steroiden handelt, war es möglich, beide Systeme in einem Emulator unterzubringen.
Im Jahre 2003 (gut ein Jahr nach der Veröffentlichung des GameCubes in Europa) begannen die ursprünglichen Autoren von Dolphin, F|RES und ector, mit diesem Prozess und veröffentlichten im selben Jahr eine erste Version des Emulators. Nach einigen Unterbrechungen des Projekts wurde 2008 dann der gesamte Code auf Google Code veröffentlicht, zusammen mit einer rudimentären Unterstützung für die Wii. Der Emulator wurde zu einem Open Source-Projekt, welches von jeder Person verbessert werden konnte. Heute sind nun etwa 81.4% der GameCube-Titel in einem spielbaren Zustand und fast täglich werden weitere Verbesserungen eingereicht.
Wer nun auch in Erinnerungen schwelgen möchte (oder wie ich diverse Titel nachzuholen hat), braucht dafür viel Geduld, realistische Erwartungen und einen leistungsfähigen PC. Wer nun immer noch interessiert ist — oder den letzten Satz komplett überlesen hat –, findet hier das Programm für seine Plattform (ich empfehle die aktuellste stabile Version, 4.0.1). Dolphin läuft auf Windows, Mac OS X, Linux und neuerdings auch auf Android, letzteres allerdings eher schlecht als recht. Hat man das Programm nun erfolgreich installiert, wird man mit folgendem Fenster begrüßt:
Nachdem man unter »Einstellungen/Pfade« den Ordner mit seinen Spielen verlinkt hat (welche natürlich alle mithilfe von CleanRip erstellt und nicht an einem Strand gefunden wurden), sollte unter dem »GCPad« oder der »Wiimote« die Tastenbelegung noch angepasst werden. Obwohl es möglich ist, die Spiele mit einer Maus und einer Tastatur zu spielen, empfehle ich ein Gamepad für GameCube-Titel. Für Wii-Titel sollte man sogar im Besitz einer WiiMote, eines Nunchucks, einer Sensor Bar und (falls nötig) eines Bluetooth-Adapters sein. Vertraut mir: Wenn sich einige Titel bereits mit einer WiiMote nicht richtig steuern lassen, möchte man seine geschundenen Nerven auf keinen Fall mit einer Maus und einer Tastatur strapazieren. Falls man sich erfolgreich mit der Steuerung herumgeschlagen hat, kann mit »Start« der Bootvorgang beginnen.
Wer nun nur an GC-Titeln interessiert ist und keine Lust hat, einen Kampf auf Leben und Tod mit den Einstellungen zu führen, kann alternativ auch Ice nutzen, welches einen Großteil der oben beschriebenen Aufgaben übernimmt. Als Bonus wird dabei der Big Picture Mode von Steam als Frontend für den Emulator genutzt, weshalb dem gemütlichen herumgammeln auf der Couch nichts mehr im Weg steht.
Startet das Spiel überhaupt nicht, oder sieht es so aus, als hätte ein Programmierer über seinen Durst getrunken, hilft ein Rechtsklick auf den Spielebanner, welcher unter »Wiki« die nötigen Einstellungen und bekannten Fehler des Spieles aufzeigt.
Ruckelt das Spiel hingegen, lässt sich leider nicht viel daran ändern. Die Standardeinstellungen von Dolphin sind darauf optimiert, alles möglichst flüssig darzustellen. Ganz verzweifelte Spieler können in den Einstellungen herumwühlen, was bei mir persönlich aber selten positive Resultate hervorbrachte. Gewisse Spiele liefen nur mit starken Rucklern, andere hingegen kontinuierlich und problemlos stabil. Ein guter CPU kann hier Abhilfe schaffen, ansonsten gilt es, die Ruckler lieben zu lernen.
Falls aber alles flüssig läuft, lohnt es sich, die verbleibende Leistung des Computers herauszukitzeln und den GPU zum Glühen zu bringen. Unter »Grafik/Verbesserungen« lässt sich die interne Auflösung hochschrauben, was ein merklich schärferes Bild zur Folge hat. Nervige Kanten lassen sich mit Anti-Aliasing ausradieren, die anisotropische Filterung verbessert die Qualität der Texturen noch leicht.
Wer die letzten Zeilen gelangweilt überflogen hat und bereits den Emulator erkundet, kann sich gerne neuen Horizonten zuwenden. So lassen sich im Forum HD Texturenpakete finden, welche die Spiele in einem neuen Glanz erstrahlen lassen. Wer die diversen Klassiker nicht alleine spielen möchte, kann mithilfe von Netplay fast jeden lokalen Multiplayer über das Internet spielbar machen. Wem dies noch nicht genug ist und seinen Geisteszustand gänzlich verlieren möchte, versucht die HUD-Elemente aus dem Spiel zu entfernen und mithilfe der freien Kamera beeindruckende Postkarten für Weihnachten zu schiessen. Nicht vergessen werden sollte natürlich die Option, sich einfach einen echten GameCube zuzulegen.
Ich erhebe einen Toast für die diversen Entwickler von diesem beeindruckenden Stück Software und werde mich nun daran versuchen, endlich ein CPU-Pikachu in Super Smash Bros. Melee zu besiegen. Danach wird eine Revanche bei anfangs besagtem Freund eingefordert.
Links zum Thema
Dolphin Wiki
Netplay Guide
HD Texturenpaket für Wind Waker
HD Texturenpaket für Xenoblade
Anleitung zum Entfernen vom HUD
USB Adapter für originale GC Controller