5 aus 15: Sonja

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Jahr vorbei, Listenzeit! War ja auch gut was los in 2015. Und da – für manch einen sicher überraschend – Superlevel kein homogenes Konsensgeflecht ist, dessen Synapsen in Fabus Fingertätowierungen zusammenlaufen und per Telepathie ins WWW gelangen, darf in diesem Jahr jedes Teammitglied seine eigene Liste der persönlichen Spieleperlen zusammentragen. Dabei geht es ausschließlich darum, dass nichts ausgeschlossen wird. Doppelnennungen, Early Access, dieses Tennis-Spiel für den Virtua Boy, alles kann, nichts muss. Total crazy!

Wer will, darf natürlich auch gerne seine eigene Liste im Forum hinterlassen. Am Ende wird dann abgerechnet und die ultimative Leser-Top-5 erstellt. Habe ich schon erwähnt, dass wir von Buzzfeed geschluckt wurden? Guten Rutsch!


Far Cry 4

Far Cry 4

Zugegeben, Far Cry 4 erscheint als denkbar ungeeigneter und unwahrscheinlicher Kandidat für eine Best-of-2015-Liste eines Blogs mit Indie-Schwerpunkt. Schließlich ist es voll von all dem Mikrotransaktions-, Sammel- und Freischaltblödsinn, mit dem uns Ubisoft seit Jahren ärgert. Die Charaktere sind ohne Tiefgang und die Handlung ist mit „schlicht“ noch ziemlich freundlich umschrieben. Obendrein ist es noch nicht mal dieses Jahr erschienen, sondern bereits 2014.

Und trotzdem zählt Far Cry 4 zu meinen Lieblingsspielen des Jahres. Weil es das erste Spiel war, durch das ich 2015 wirklich mit der PS4 warmgeworden bin. Weil die nepalesisch inspirierte Bergwelt von Kyrat wahnsinnig hübsch anzusehen ist. Aber vor allem wegen seiner großartigen Tierwelt. Wer jemals erlebt hat, wie ein Nashorn, das nur zufällig in der Nähe war, auseiner sicheren Niederlage gegen eine Übermacht an Gegnern in einem hochgerüsteten Wachpunkt einen triumphalen Sieg macht – fliegende Autos und explodierende Tanks inklusive –, der weiß, was ich meine. Far Crys Tiere sind mehr als nur Dekoration, sie sind auch mehr als nur Gegner oder potenzielle Beute. Sie sind intelligente NPCs, die den Spielverlauf auf immer wieder überraschende, unkalkulierbare Weise beeinflussen und das Spiel damit interessanter machen. Und sie laden viel eher dazu ein, sich mit ihnen zu beschäftigen, als die Menschen. Es ist Far Crys Verdienst, dass ich von der Existenz des Honiganzeigers erfahren habe. Far Cry 4 hat mich gelehrt, in hohem Gras auf das hissende Geräusch der Grubenotter zu achten, zumindest außerhalb Berlins. Und ich verdanke dem Spiel die Erkenntnis, dass der Honigdachs nichts anderes ist als Hassliebe in Tierform.


Her Story

Her Story

Dem vorigen Titel zum Trotz: Je älter ich werde, umso mehr schätze ich Spiele, die sich entspannt an einem Abend bewältigen lassen. Nicht nur, weil mir meine Zeit immer knapper bemessen scheint, sondern auch, weil das Erlebnis ein anderes ist als bei einem Spiel, mit dem ich mich wochen- oder monatelang beschäftige. Das Durchspielen in einer einzigen Sitzung, ohne Unterbrechung – und im Idealfall ohne den Frust des ständigen Scheiterns – ist eine ganz andere Art von Spielerfahrung, die in ihrer komprimierten Intensität eher vergleichbar ist mit einem Kinobesuch oder einer Theatervorstellung. Kein anderes Spiel hat mir im Jahr 2015 diese Erfahrung in der gleichen Eindringlichkeit beschert wie das geniale Her Story.

Der interaktive Psychothriller fesselt von der ersten Sekunde und sorgt immer wieder für kleine Erfolgserlebnisse, wenn ein weiterer Mosaikstein der komplexen Geschichte gefunden wird. Nur selten fühlt sich Interaktivität so gut an wie hier. Zusammen mit seiner gelungenen Präsentation und einer Geschichte, die auch nach Abschluss des Spiels noch lange zum Nachdenken anregt, wurde Her Story trotz seiner Kürze zu meinem Lieblingsspiel in diesem Jahr.


Darkest Dungeon

Darkest Dungeon

Normalerweise spiele ich nichts, was ein „Dungeon“ im Namen trägt. Für Darkest Dungeon habe ich eine Ausnahme gemacht und es nicht bereut. Dabei gibt es sich zunächst – von seiner speziellen Optik abgesehen – wie ein recht konventionelles Rollenspiel, in dem Helden unterschiedlicher Klassen auf gefährliche Missionen in die Verliese, Wälder und Unterwassergewölbe einer freudlosen und todbringenden Welt ausgesandt werden. Diese Missionen formen aus den Heldenschablonen echte Individuen – allerdings anders als gewohnt: Die blutigen Kämpfe, aber auch allein die Angst davor, was im zunehmenden Dunkel lauern könnte, erhöht bei den Helden das Stresslevel beständig. Nur wenige Helden ziehen aus dem stetig zunehmenden Stress neue Stärke, bei den meisten entwickeln sich Psychosen und Verhaltensauffälligkeiten, die sie mindestens unzuverlässig machen und damit das Wohl der gesamten Truppe gefährden.

Zwar können Helden zwischen den Einsätzen ihren Stress etwa im Kloster oder der Taverne abbauen und ihre Psychosen behandeln lassen. Doch es ist nahezu unmöglich, dass zu jeder Zeit eine sowohl kampfstarke als auch geistig gesunde Truppe zur Verfügung steht, die dann auch noch vollzählig aus dem nächsten Einsatz zurückkehrt. Dieses Spielprinzip sorgt nicht nur für einen höllischen Schwierigkeitsgrad und immenses Suchtpotenzial, es kommuniziert gleichzeitig auch eine großartige Botschaft: Hört endlich auf, eure Helden massenweise in dunkle Verliese und unterirdische Todesfallen zu schicken, als wären Menschen nichts anderes als eine endlos vorhandene Ressource!


White Night

White Night

In meiner fiktiven Liste der größten Enttäuschungen 2015 hätte ein Spiel gute Siegchancen, das allerorts mit Lob überschüttet wurde: Das Sci-Fi-Horrorspiel Soma, das mich leider nicht richtig in seinen Bann ziehen konnte und irgendwann beiseitegelegt wurde. Viel schöner gegruselt habe ich mich dagegen mit White Night. Das Horror-Adventure, in dem ein verlassenes Anwesen erkundet werden muss, ist mit seiner expressionistischen Schwarz-Weiß-Ästhetik eine Augenweide und das Spiel mit (spärlichem) Licht und Schatten erzeugt immer wieder Momente, die wirklich zum Fürchten sind.

Vor allem aber hat mich die zeitgeschichtlich eingebettete Geschichte wesentlich stärker berührt und geängstigt, als es dem Szenario von Soma gelang. Die Handlung bewegt sich elegant zwischen Familiendrama, Psychohorror und Eso-Trip und entfaltet dabei eine zweite Ebene des Schauderns. Bei so viel Gänsehaut sind kleine technische Schönheitsfehler für mich Nebensache. Apropos Technik: Da es sich sowieso nur mit dem Controller richtig gut spielen lässt, ist White Night auch mein heißester Geheimtipp im derzeit noch recht spärlichen Indie-Portfolio der PS4.


Life is Strange

Life is Strange

An diesem Spiel hat mich so vieles gestört: Ich finde es furchtbar, wie angestrengt die Autoren versuchten, das, was sie für Jugendsprache hielten, in jeden Satz zu pressen. Ich mochte den leidenden Tonfall nicht, den die Synchronsprecherin der Protagonistin verlieh. Aber vor allem ärgerte ich mich darüber, dass hier eine Außenseitergeschichte erzählt wird, die geeignet wäre, Stereotypen und Klischees zu hinterfragen – und die dann doch auf Nummer Sicher geht: eine Protagonistin, die ziemlich dem gesellschaftlich normierten Schönheitsideal entspricht. Ein nerdiger Kapuzenpulli machte zumindest zu meiner Schulzeit noch keinen sozialen Außenseiter. Dazu Mitschüler, deren Gemeinheit recht eindimensional damit erklärt wird, dass ihre Eltern viel Geld haben, und die natürlich immer im feinen Strick auftreten.

Dennoch war Life is Strange 2015 das Spiel, das mich emotional am meisten gefangennahm. Was die Charaktere an Tiefe vermissen lassen, macht die Dramaturgie wieder wett. Und je mehr ich mich in die Handlung des Episodenspiels vertieft habe, umso mehr rückten seine Unzulänglichkeiten in den Hintergrund. Life is Strange ist ein bisschen so wie die Teenager, in deren Welt es spielt: Irgendwie noch etwas ungelenk und unfertig, aber voller Energie, Kreativität und Emotion.