Der Fluch von Naxxramas: Ein Flügelschlag ins Gesicht
Lange hatte ich mich dagegen gewehrt, doch vor einigen Tagen ignorierte ich meine Prinzipien und gab einige Groschen aus, um neue Karten für Hearthstone zu erwerben. Grund dafür war nicht die aufgestaute Frustration, mehrmals von legendären Karten in Grund und Boden gerammt zu werden — vielmehr war ich es Leid, ständig mit den gleichen Karten und Strategien antreten zu müssen. Bis zum heutigen Tag habe ich eine Unmenge an Stunden in das Spiel investiert und war dabei (nebst einigen Wutanfällen) stets unterhalten, ungleich diverser AAA-Spiele, deren Kauf ich oftmals schnell bereute. Doch selbst mit mehr Karten kam wieder eine gewisse Langeweile auf. Ich hatte alles bereits gesehen, gehört oder gespielt. Es dürstete mich nach brandneuen, noch nie gesehenen Herausforderungen. Die Veröffentlichung der ersten Erweiterung namens “Der Fluch von Naxxramas“ kam daher genau richtig. Im Austausch gegen Spielgold oder wahlweise Echtgeld werden 30 neue Karten, ein Einzelspieler-Abenteuer und damit auch neue Duelle versprochen. Ohne groß zu überlegen, war das Abenteuer gekauft.
Oder zumindest ein Teil davon, denn die Erweiterung wird in den nächsten Wochen stückweise veröffentlicht. Jede Woche öffnet sich ein neuer Flügel, der mit drei Gegnern, zwei Schwierigkeitsgraden und spezifischen Herausforderungen aufwartet. Während der erste Flügel für den nächsten Monat kostenlos erhältlich ist, kostet der Zugang für die anderen Flügel je 700 Gold, oder insgesamt 17,99 Euro. Für den Preis eines Flügels erhält man derzeit also vier Eintritte in die Arena oder sieben Kartenpäckchen, was ihn recht happig erscheinen lässt. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch, als ich gegen den ersten Gegner antrat. Und erlitten sofort einen Dämpfer.
Blizzard hat komplett auf eine Story verzichtet. Keine Informationen über den eigentlichen Grund für die Duelle werden preisgegeben, eine einzige Szene erblickt man am Anfang des Spiels, die jedoch kein Licht ins Dunkel bringt. Binnen weniger Sekunden kämpft man auf einem neuen, thematisch angepassten Spielfeld mit den gleichen Regeln gegen die altbekannte KI, die sich nun in Form von neuen Gegnern, Karten und Heldenfähigkeiten präsentiert. Gelegentlich meldet sich während des Duells noch der Endgegner der Erweiterung, Kel´Thuzad, mit einem schnippischen Satz zu Wort. Dabei bleibt es aber. Für einen Milliardenkonzern wirkt dies leicht dürftig und lieblos, kommt so aber immerhin schnell zum Hauptpunkt: Dem Spiel.
Naxxramas basiert auf dem Zerstören von Karten und der Fähigkeit Todesröcheln. Effekte von Karten werden aktiviert, sobald diese ausradiert wurden. Ein Nerubisches Ei beschwört so beispielsweise nach seinem Ableben eine weitaus stärkere Kreatur. Der Abgang von Kreaturen ist so mit Konsequenzen verbunden und soll zumindest in der Theorie die Spielweise ändern. Wie ich allerdings schnell feststellte, ist ein Ignorieren der Gegner und ein aggressives Deck immer noch die beste Wahl. Nach einer halben Stunde hatte ich bereits alle drei Gegner und die zwei Herausforderungen abgeschlossen, ohne eine einzelne Niederlage eingefahren zu haben. Hilfreich dabei war unter anderem auch die KI selbst, welche immer noch an einigen Kinderkrankheiten leidet. Angriffe werden übersprungen, gefährliche Monster im Gegensatz zu harmlosen Kreaturen komplett ignoriert oder die Bosse stürzen sich gleich selbst in den Tod. Von einer Herausforderung fehlte anfangs jede Spur.
Ich war daher mehr als überrascht, als ich mich an den Heroischen Modus wagte und mich dieser innerhalb von wenigen Zügen vernichtete. Die Fähigkeiten der drei Bosse werden darin noch mehr verstärkt, bis zum Punkt, wo es keine Freude mehr ist, überhaupt gegen diese anzutreten. Ein Lernen der einzelnen Strategien, der gespielten Karten und der Bau von spezifischen Decks für jeden einzelnen Boss sind nötig, um siegreich aus den Duellen hervorzugehen. Und selbst dann spielte Glück immer noch eine große Rolle. Meine anfängliche Motivation wandelte sich deshalb schnell in Frustration um, die bei Maexxna ihren Höhepunkt erreichte. Maexxna profitiert nicht nur von den zusätzlichen 15 Lebenspunkten, welche die Bosse in diesem Modus erhalten, sondern startet das Spiel auch bereits mit zwei Kreaturen. Äußerst hilfreich für dieses Duell wäre nun eine bestimmte Karte namens Alexstrasza, die mit einem Preis von 1.600 Staub zufälligerweise auch zu den teuersten und seltensten Karten zählt und für mich damit nahezu unerreichbar ist. Eine Herausforderung entsteht hier nicht durch eine gute KI oder einem durchdachten Deck, sondern durch die Konstruktion einer nahezu unlösbaren Situation, was einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Siege fühlen sich zwar erfüllend an, ich stelle mir allerdings auch oft die Frage, warum ich meine Nerven mit dieser unfairen Situation freiwillig strapaziere.
Die wohl wichtigste Frage kann zudem auch noch nicht beantwortet werden: Welche Rolle werden die neuen Karten im sogenannten Metagame spielen? Beliebte Strategien, Decks und Karten können in der Leiter ständig wechseln, was eine Einschätzung noch schwieriger gestaltet. Aktuell nehmen die Karten nach meinen Erfahrungen aber eher eine ergänzende Funktion ein, statt alles auf den Kopf zu stellen. Der Geisterhafte Krabbler oder das Nerubische Ei stärken so aggressiv orientierte Decks wie den Zoo, während Netzfürst der Nerub’ar für den oftmals langsamen Druiden nützlich sein kann. Die neuen Karten fügen sich gut in oft gespielte Decks ein, bieten sich derzeit aber noch nicht für komplett neue Strategien an. Ob und wie sich dies ändern wird, ist erst in den kommenden Wochen sichtbar.
Was bisher von Der Fluch von Naxxramas vorhanden ist, enttäuscht mich eher. Für einen doch hohen Preis war ich nur kurz unterhalten, da die Duelle oftmals an der pedantischen KI scheitern. Ob sich die Mühen zudem für die neuen Karten überhaupt lohnen, steht auch noch in den Sternen. Selbst wenn der Weg nicht die Erwartungen erfüllt, lassen viele Leute diesen über sich ergehen, um an neue Karten zu gelangen. Und Blizzard scheint sich dem bewusst zu sein.