DmC: Devil May Cry

Was war das für ein Geschrei, als Capcom die Entwicklung des neuesten Ablegers der Devil May Cry Reihe an das englische Studio Ninja Theory abgab. Diese Stümper hatten doch mit Heavenly Sword und Enslaved bisher nur zwei mittelprächtige Action-Adventures vorzuweisen. Dann sollte es auch noch eine inhaltliche Neuausrichtung geben und Hauptcharakter Dante bekam eine frische Frisur. Die alteingesessenen Fans waren sich sicher: Das konnte nichts werden.

Zum Glück habe ich keinen der vorherigen vier Teile gespielt und bin von Ninja Theory — dank des aus meiner Sicht sehr überzeugenden Enslaved — nichts Schlechtes gewöhnt. Gute Voraussetzungen also, um DmC: Devil May Cry als das zu genießen, was es ist: ein sehr gutes und rundes Videospiel.

Runde Videospiele sind mir wichtig. Damit ist für mich gemeint, dass alle vorhandenen Elemente stimmig zueinander passen und sich bestenfalls gegenseitig befruchten. Im Fall von DmC befruchtet sich einiges. Optik und Akustik gehen eine Symbiose aus vorantreibendem Chaos ein, während das Leveldesign die Mechaniken der Fortbewegung ausnutzt und umgekehrt gefordert wird, noch viel schrillere Orte zu präsentieren. Dazu noch ein Kampfsystem, welches den Spieler zu Experimenten zwingt, diese auch belohnt, und eine Geschichte, die zwar nicht besonders vielschichtig, aber für ihren Zweck vollkommen ausreichend ist. Fertig ist das runde Spiel.

Dante ist ein nerviger Kotzbrocken, der sich die Zeit mit Frauen und Alkohol vertreibt. Außerdem ist er das Kind eines weiblichen Engels und eines männlichen Dämons. Mit den besten Bestandteilen aus Himmel und Hölle ausgestattet, steht ihm die Ehre zu, einen bösen Fiesling zur Strecke zu bringen, der die Welt aus seinem hohen Bankenturm regiert. Dessen Hilfsmittel sind dabei eine bewusstseinsverändernde Limonade und Propaganda verbreitende Nachrichtensendungen. Wer an dieser Stelle wenig subtile Gesellschaftskritik erwartet, der wird belohnt.

Eine im Untergrund agierende Revolutionsgruppe will das bestehende System aus einlullendem Zuckerwasser und … äh … einlullender Informationsbeschallung nicht länger hinnehmen. Ganz ehrlich, was genau ist so schlimm an der von Dämonen regierten Welt? Die Bevölkerung scheint glücklich und zufrieden zu sein. Gut, es gab die ein oder andere gequälte Seele, aber wo gibt es die nicht? Die Guerilla-Kämpfer rund um Dantes Bruder Vergil und die moderne Magierin Kat wollen sich diese Scharade jedenfalls nicht länger ansehen und rekrutieren Dante für den ultimativen Kampf gegen das Böse.

Dieser Kampf gestaltet sich durch die zweigeteilte Spielmechanik als spaßiger Plattformer auf der einen und als eingängiges Beat’em Up auf der anderen Seite. Wichtiges Element sind in beiden Abschnitten die Engel- und Dämonenfähigkeiten Dantes, die ihm seine Eltern zu gleichen Teilen weitergereicht haben. In den Sprung- und Rennabschnitten dienen sie als Enterhaken zum Heranziehen oder Verschieben von Objekten und der Spielfigur selbst, während sie im Kampf als schnelle oder kraftvolle Waffe gebraucht werden. Auch hier ist das gesamte Spielkonzept eine sehr runde und abgestimmte Sache.

Die vorhandenen Fähigkeiten ergeben sich aus der Geschichte und werden nahtlos ins Spielgeschehen eingeflochten. Ist es zu Beginn kein Problem, die dämonischen Schergen mit dem Standardschwert zu zertrümmern, lassen sich spätere Gegner nur mit dem geschickten Einsatz des gesamten Waffenarsenals überwinden. Fliegenden Monstern müssen Schutzschilde per Enterhaken entrissen werden, während die stärkeren Fußtruppen zunächst mit den kräftigeren Dämonenwaffen geschwächt werden, um schließlich den finalen Angriff setzen zu können. Das so entstehende Schere-Stein-Papier-Prinzip erfordert vom Spieler einen klaren Kopf und schnelle Finger.

DmC bietet ein umfangreiches Upgrade-System für Fähigkeiten und Waffen. Wer die Kämpfe möglichst abwechslungsreich gestaltet und nicht immer mit der gleichen Waffe und derselben Attacke auf die Bösewichte einschlägt, bekommt eine höhere Style-Bewertung und damit mehr Talentpunkte, die er in neue Angriffe stecken kann. Eine größere Auswahl an Angriffen bringt mehr Punkte, damit mehr Upgrades und noch mehr Angriffe und so einen positiven Teufelskreis aus spektakulären Kämpfen und spielerischen Belohnungen. Erneut eine runde Sache.

Doch all diese ineinandergreifenden Systeme wären nichts, wenn man während des Spiels durch öde, traurige Umgebungen wandern müsste und immer die gleichen Gegner präsentiert bekäme. Glücklicherweise beweist Ninja Theory im Bereich Leveldesign, dass sie zu den ganz Großen gehören. Die meiste Zeit verbringt Dante in der dämonischen Parallelwelt Limbo. Dort gelten weder die normalen Gesetze der Schwerkraft noch verhält sich die Umgebung so, wie man es von toten Objekten erwarten würde. Gebäude verformen sich vor dem Auge des Spielers, versperren ihm den Weg oder reißen neue Passagen auf. Wände schieben sich zusammen, wollen einen zerquetschen und ein sicher geglaubter Sprung auf die nächste Plattform wird zur halsbrecherischen Kletterpartie, weil sich im Flug plötzlich Decke und Boden in eine andere Himmelsrichtung bewegen.

Aber nicht nur die Instabilität der Umgebungen kann überzeugen, sondern auch der visuelle Rausch von Farben und Formen. In vielen Abschnitten blitzen und blinken einen grelle Neonfarben an und verschiedene Videofilter tauchen das Geschehen in ein vibrierendes Licht. Während der allgemeine Trend der Videospielbranche eher zu einem Farbspektrum von hellbraun bis dunkelbraun tendiert, bedient sich DmC in jedem Farbtopf und präsentiert einen punkig-rotzigen Look, der frisch ist und reinhaut. Besonderes Highlight ist hierbei ein Discolevel, dass sich von einer schummrigen Tanzfläche in ein vibrierendes Elektrospektakel verwandelt. Ein audiovisueller Sinnestaumel der besonderen Art.

Auch kleine Spielereien wie häufige Texteinblendungen oder kurze Vorschaubilder neuer Gegnertypen fügen sich in den besonderen Präsentationsstil ein und erzeugen wieder das Gefühl eines ineinandergreifenden Uhrwerks. In DmC passt die übertrieben inszenierte Geschichte zum ebenso überdrehten Spielgeschehen. Die Kämpfe ergänzen sich mit dem stetigen Fähigkeitenfortschritt und selbst der hartherzige Lümmel einer Hauptfigur erlebt eine Charakterentwicklung, die zum harten Äußeren mit einem warmen pochenden Herzen im Inneren von Devil May Cry passt. Eine durch und durch runde Sache eben.

Die Kollegen von Insert Moin haben DmC: Devil May Cry eine besonders lange Folge gegönnt und sind ebenso begeistert wie ich. Reinhören!