Alphalevel: The Fall

„Hello and welcome to consciousness.“

Was bin ich und wen spiele ich da eigentlich? Ich habe mir diese Frage in Spielen selten so oft gestellt, wie in der kurzen Alpha-Version von The Fall. Auf den ersten Blick bin ich eine typische Sidescroller-Figur, die Dinge in ihrer Umgebung untersucht und schießen kann. Die Dialoge verraten mir jedoch, dass ich eigentlich nur der Raumanzug bin, ein intelligentes, technisch fortschrittliches Gadget. In mir steckt der Pilot – und der ist bewusstlos, abgestürzt auf einem fremden Planeten und vom Aufschlag schwer verletzt. Indem ich mich bewege, bewege ich die leblosen Gliedmaßen in mir. Ein nahezu ekelhaftes Gefühl, das die Atmosphäre des Spiels allerdings nur unterstreicht. Gliedmaßen herummanövrieren, Arme und Beine bewegen, wo sich die Muskeln dagegen wehren. Schrecklich. Vielleicht wurde das Spiel nicht zuletzt deshalb auf Kickstarter bereits erfolgreich finanziert. Eine neue, narrative Idee, die soviel freundliche Spenden generiert hat, dass sie sogar auf Wii U erscheint.

Im Rahmen ihrer Kickstarter-Kampagne scheuen sich die Entwickler von The Fall nicht, ihre Inspirationsquellen zu nennen: Super Metroid, Monkey Island, Limbo. Vom grandiosen Super Nintendo-Metroid übernimmt das Spiel seine zweidimensionalen Welten, von Monkey Island die in der Alpha-Version sehr dominanten Adventure-Elemente und von Limbo schlicht den Grafikstil – und die Atmosphäre. Als Spieler finde ich mich nämlich in einer äußerst fremdartigen Welt wieder, Roboterteile liegen auf riesigen Haufen in der Landschaft herum und meine eigene Existenz als künstliche Intelligenz lässt sie wie Leichenhaufen erscheinen. Wenn Immersion viel mit Identifikation zu tun hat, macht The Fall irgendetwas richtig, und das, obwohl ich nicht richtig verstehe, wie ich als intelligenter Anzug funktioniere.

Meine Fähigkeiten erschließen sich erst nach und nach. Ich kann mit Gegenständen interagieren, sie benutzen, aber ich kann auch drahtlos netzwerken, mit anderen technologischen Meisterleistungen per Wi-Fi kommunizieren, also: sprechen. Mit dem anderen Anzug etwa, der gekreuzigt in der Gegend hängt. Sein Pilot ist tot. Er funktioniert aber noch – dass ich ihn von seinem Kreuz herunterschieße, seine Energiezelle herausreiße und so sein Leben beende, akzeptiert er bereitwillig. Für „akzeptabel“ hält er diese Lösung gar, schließlich ist seine Existenz mit dem Tod seines Piloten überflüssig geworden. Die Welt von The Fall wird regiert von den Asimovschen Robotergesetzen:


  • Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
  • Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.
  • Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, so lange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.

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In seinem aktuellen Stadium wirkt The Fall noch recht behäbig. Wenn ich auf feindliche Roboter schieße, funktioniert die Deckungsmechanik nicht einwandfrei. Wenn ich springe, sieht das unfreiwillig albern aus und wenn ich mit meiner Taschenlampe meine Umgebung ableuchte, fühle ich mich ein bisschen so, als würde ich Fleißaufgaben für einen unliebsamen Lehrer erledigen. Aber: Die Entwickler von Over the Moon schaffen es, The Fall als wirksame Dystopie dessen zu präsentieren, was passiert, wenn Maschinen die Oberhand gewinnen. Ein bisschen wirkt das Spiel wie ein gesellschaftskritisches Terminator-Szenario. Roboter mit Ethik herrschen über bewusstlose Menschen – bewusstlos entweder tatsächlich oder im übertragenen Sinn. Am Vorabend der Apokalypse steht der Krieg. Am Ende der Tod im KI-Anzug.