Blast from the Past: The Legend of Zelda – Link’s Awakening

The Legend of Zelda – Link’s Awakening

Es muss 1994 oder 1995 gewesen sein, als ich beim Durchwühlen einer Kiste in dem kleinen Second-Hand-Laden meines Heimatdorfes auf etwas Wundersames stieß: Mein erstes Videospiel. Das kleine, hüllenlose Game Boy-Modul schien, gut versteckt in einer dunklen Ecke, nur auf mich gewartet zu haben, und so lag ich meiner Mutter derart lange in den Ohren, bis sie mir das Spiel schließlich entnervt kaufte. Als ich dann zum ersten Mal The Legend of Zelda – Link’s Awakening in den Modulschacht steckte und den Handheld einschaltete, war ich angesichts dessen, was auf dem kleinen Bildschirm passierte, zunächst vollkommen perplex und bald danach wie hypnotisiert.

Video- und Computerspiele waren an sich nichts Neues für mich, die ihren Aufenthaltsschwerpunkt meist vor den heimischen Fernseher verlagerte und die Besuche bei einer befreundeten Familie vor allem im Zimmer des Gastgebersohnes verbrachte, der einen Computer samt Unterhaltungssoftware besaß; dennoch war der Moment, in dem ich, just nach einem Schiffsunglück als Strandgut von einem jungen Mädchen aufgelesen, meine ersten Schritte auf der Insel Cocolint tat, ein magischer. Was ich bis dahin kannte, waren ebenso niedliche wie unspektakuläre Puzzle- und Geschicklichkeitsspiele – in Link’s Awakening schien sich mir dagegen eine riesige Welt zu eröffnen, die gespickt war mit zahllosen Dungeons voller Gefahren und kniffliger Rätsel.

Zum Verhängnis wurden mir dummerweise sehr schnell letztere, und so steckte ich nach kurzer Spielzeit fest, ohne Hoffnung auf eine baldige Erlösung. Die allerdings kam in der Gestalt meiner Freundin Lena daher, die zwar nicht über das Spiel, wohl aber nach einem Trödelmarktbesuch plötzlich über das dazugehörige Lösungsbuch verfügte, und so bildeten wir für einen Moment die perfekte Symbiose. Nach einer langen, langen Phase frustbedingter Abstinenz pflügte ich mich wieder schwertschwingend durch Reihen von Büschen und feindlichem Gesindel, schlich durch fallengespickte Tempelanlagen und trieb meinen Sozialisierungsprozess auf dem Eiland durch Gespräche mit seinen verrückten Einwohnern voran, mit denen ich Gegenstände tauschte, deren Haustiere ich rettete und… deren Läden ich plünderte. Unglücklicherweise tat ich insbesondere letzteres damals derart ungeschickt, dass ich bald – ungeachtet meines eigentlich gewählten Namens – nur noch Dieb genannt wurde und das, so gehässig gab sich das Spiel, sogar von meiner Angebeteten bei einem tête-à-tête am Strand, während wir den Sonnenuntergang betrachteten.

The Legend of Zelda – Link’s Awakening

Es war ein Phänomen, das sich aus heutiger Sicht möglicherweise nicht mehr nachvollziehen lässt: Diese mir als Interaktionspartner präsentierten grobklötzigen, grauen Figuren entwickelten bald ein Eigenleben, und ich fühlte mich ihnen auf merkwürdige Weise verbunden. Ich wollte es daher unter keinen Umständen auf mir sitzen lassen, fortan nur noch von ihnen als Kriminelle(r) gebrandmarkt zu werden, also begann ich das Spiel nach einem ersten Durchlauf wieder von vorn. In meinem Bett sitzend und in neun von zehn Fällen heimlich spielend, überwand ich die zahlreichen Hürden immer müheloser, stellte fest, dass ich meinen kriminellen Energien auch unentdeckt freien Lauf lassen konnte, wenn ich nur vorsichtig genug war, und gelangte schnell erneut zum Ende der Geschichte, das mir diesmal keine Tränen mehr abverlangte, aber dennoch zusetzte, als sich der aus seinem Schlaf erweckte Windfisch in den Himmel erhob und Cocolint mitsamt all seiner Bewohner langsam verschwand.

Seitdem habe ich Link’s Awakening sicher fünfzehnmal von der ersten bis zur letzten Szene gespielt. Da ich bald jede Ecke der Insel, mehr noch aber jede dort erklingende Melodie in-und auswendig kannte, hörte ich nebenher Radioübertragungen und –mitschnitte sowie die wenigen CDs, die ich damals besaß. Noch heute muss ich, wenn Massive Attacks „Unfinished Sympathy“ oder Apollo 440s „Ain’t Talking ‘bout Dub” läuft, daran denken, wie ich damals im Bett lag und mein ewiges Abenteuer bestritt. Es stellt sich dann ein besonders greifbares Gefühl von Nostalgie ein.

Die Aufzeichnungen meiner Heldentaten sind vor kurzem mit dem letzten Rest Energie der Speicherbatterie ebenso verschwunden wie damals, am Ende des Spiels, all jene Figuren, die mich zuvor so lange begleitet hatten. Meine Erinnerung an dieses erste, großartige Spielerlebnis aber wird niemals verloren gehen.


In der Serie Blast from the Past berichten Superlevel-Autorinnen und -Autoren über prägende Spiele und Spielerlebnisse aus der Kindheit und Jugend. Wir freuen uns über einen regen Erinnerungsaustausch in den Kommentaren.