Botanicula

Wenn Machinarium die tschechische Trickfilmode an das Adventure war, dann ist Botanicula das epische Gedicht über das Kritzeln komischer Figuren am Seitenrand, das Erfinden passender Geräusche dazu inklusive. In einem beeindruckend animierten Mikrokosmos aus musikalischen Krabbeltieren, versuchen fünf Käferwesen den heimatlichen Baum vor der Übernahme einer Spinnenbande zu schützen.

Botanicula lebt vom Charme seiner Charaktere. Wie auch in Machinarium ist die gesamte Welt gefüllt mit bizarren Figuren, die so wirken, als wäre das Notizbuch eines Trickfilmzeichners zum Leben erweckt worden. Amanita Designs Käfer tanzen, hüpfen, knurren, murren.

Nicht weniger sollte man von Amanita Design erwarten. Überraschender ist eher, dass Amanitas Gamedesign hier einen kleinen, wenn auch äußerst possierlichen, Schritt zurück macht. Botanicula legt den Fokus auf die Entdeckung der fremdartigen Welt, Adventure-typische Rätsel treten in den Hintergrund. Gelangt die Käferbande an Hindernisse wie etwa ein kläffendes Etwas, das den Weg versperrt, befindet sich die Lösung zum Vorankommen meistens im selben Gebiet. Ein paar Klicks auf ein paar Käfer in der Nähe, der Störenfried wird in die Luft katapultiert und der Weg ist frei. Gelegentlich werden die Rätsel zu Minispielen, dann muss etwa ein Ball angestupst oder ein Käfer als Brücke gespannt werden.

Botanicula lehrt Spieler sehr schnell, neugierig zu sein, zu experimentieren, rumzuspielen. In den besten Momenten wirken dadurch die Rätsellösungen natürlich, wie ein logisches Resultat des freien Spiels mit der Landschaft. Problematisch wird es nur, wenn man einmal nicht versteht, was die Entwickler vom Spieler erwarten. In den verträumten Landschaften können Details schon mal übersehen werden, was den nächsten Schritt unklar erscheinen lässt.

Der Fluss des Spiels kommt zu einem abrupten Halt. Statt wie in Machinarium optionale Hinweise zu geben, wie es denn nun weitergehen könnte, blickt Botanicula Spieler mit riesengroßen Käferkulleraugen an und macht lustige Geräusche — Blöp, blip, möp — während man zähneknirschend Blatt um Blatt, Käfer um Käfer mit Klicks übersät. Verstärkt wird das noch von Botaniculas fester Struktur, die im Gegensatz zur Biotop-Atmosphäre steht. Immer wieder müssen drei Federn, fünf Schlüssel, 14 Vögel oder sonstige Dinge gesammelt werden. Ein kalter, mechanischer Kern macht sich dann unter dem pastellfarbenen Herzen Botaniculas bemerkbar.

Und trotzdem habe ich mich selten so über ein Spiel gefreut. Vieles davon ist dem brillanten Charakter- und Sounddesign zu verdanken. Gemeinsam mit der experimentellen Band DVA haben Amanita Design ein faszinierendes Sound-Kunstwerk geschaffen. Fast alle Geräusche entstehen durch den kreativen Einsatz und die Verfremdung der menschlichen Stimme. Die Welt wirkt somit gleichermaßen fremd und vertraut. Und tatsächlich — viele Design-Entscheidungen werden klarer, wenn man die Audiokulisse als Botaniculas zentrales Element sieht.

Jeder Speicherstand wird als “Set” bezeichnet, viele Elemente gehören auch nicht zu einem Rätsel, sondern sind nur zum Spielen da. Botanicula wird zum spielgewordenen Soundboard, einem Experimentierkasten für das Entdecken von DVAs Klangwelt. Ich habe Minuten damit verbracht, Käfer in den Hintern zu stupsen, damit sie über einen Ast hüpfen und im Takt der Musik Kwök Kwök Kwök machen. Und um ehrlich zu sein, war das befriedigender als das Lösen vieler Rätsel in Botanicula. Das ist ein wundervoller, spielerischer Ansatz, der vom Festhalten am Adventure-Genre nur zurückgehalten wird.

Auch To The Moon und Journey haben ähnliche Probleme und sie könnten umgangen werden, wenn nur mehr Vertrauen in die Wertschätzung von unkonventionellem Gamedesign seitens der Spieler investiert wird. Botanicula ist der Beweis dafür, wie sich Sound- und Charakterdesign gegenseitig befeuern können und wie wertvoll ein solcher Ansatz ist. Es bedarf gar keiner Wimmelbild-Rätsel dafür.

Botanicula ist ab dem 19. April direkt von Amanita Design für PC, Mac und Linux erhältlich. Ebenfalls dabei ist der Soundtrack. Mehr Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite. Am 26. April wird Botanicula von Deadalic in Deutschland veröffentlicht (16,95 € digital, EUR 19,99 € boxed)