Card Crawl: Dungeon Crawler à la carte
Mein bisheriges Desinteresse an Kartenspielen geht so weit, dass ich bis auf kurzzeitig intensiven Kontakt zu Hearthstone keinerlei Erfahrung vorweisen kann. Ich habe noch nie im Leben eine Runde Solitär gespielt und bin auch nicht mit dem Regelwerk vertraut, also konnte ich mit der Beschreibung, Card Crawl sei eine Mischung aus Hearthstone und Solitär zu 50% nichts anfangen. Doch selbst bei 0% hätte ich dem Spiel eine Chance gegeben, da es in meiner Filterblase 100% Zustimmung erfuhr. Also steuerte ich mit meinem iPhone den AppStore an, kaufte für 1,99 Euro Card Crawl und erhielt im Gegenzug 54 Spielkarten, eine zwielichtige Spelunke und jede Menge Spaß.
Das Ziel des Spiels ist es, den gesamten Dungeon-Stapel an besagten 54 Karten zu überleben. Dazu zählen eine feste Anzahl Schwert-, Schild-, Münz-, Monster- und Spezialkarten. Die eigene Avatarkarte zeigt sowohl die Lebensenergie als auch das erbeutete Gold an. Letzteres fungiert zugleich als Punktzahl, sofern alle Karten ausgespielt wurden. Auf den beiden Handkartenplätzen lassen sich Gegenstandskarten ablegen und … ach, wisst ihr was? Ich mache das jetzt einfach mal vor:
Krähe, Spinne, Trank. Schleim, Krähe, Spinne, Tod. Verdammt! Münze, Trank, Trank. Krähe, Spinne, Münze. Schwert, Seelendieb, Schild, Spezialkarte. Trank, Trank, Schleim. Münze, Seelendieb, Trank. Schwert, Troll, Schild, Münze. Schleim, Troll, Münze. Münze, Krähe, Trank. Münze, Schwert, Schild. Spinne, Trank, Spezialkarte. Seelendieb, Münze, Trank, Spezialkarte, Schild. Schwert, Krähe, Goblin. Schwert, Schleim, Schleim. Schild, Schleim, Münze. Spezialkarte, Spinne, Trank. Schwert, Seelendieb, Krähe. Schild, Spinne, … Ich habe noch 8 Punkte Lebensenergie und als letzte Karte wird ein Troll ausgespielt, der 9 Schaden verursacht und meine Heldin tötet. Verdammt! Kurz: Man spielt nicht gegen eine KI, sondern gegen sich selbst. Das wiederum gibt einem nie das Gefühl, unfair behandelt worden zu sein.
Card Crawl geizt nicht beim Charme. Das fängt bei den liebevollen Illustrationen an, geht über Details wie eine Protagonistin und die stimmungsvolle Geräuschkulisse bis zum Verzicht auf die inzwischen leider obligatorischen In-App-Käufe. Wer sich in diesem Spiel behaupten will, muss neben Glück und strategischem Können vor allem etwas Zeit mitbringen. Dabei hätte man das Spielprinzip ohne Weiteres auf free-to-play Schrägstrich pay-to-win ummünzen können. Auf meine Frage, ob F2P bei Card Crawl jemals zur Diskussion stand, erwiderte Arnold Rauers: “Ich habe mich bereits an mehreren Free-Games versucht, die alle an der Spielerakquise gescheitert sind. Deswegen haben wir uns bei Card Crawl lieber darauf konzentriert, das Design auf ein Niveau zu bringen, das mit den „Großen“ mithalten kann und gehofft, dass die Spieler und Apple Qualität erkennen.”
Card Crawl ist ein Gemeinschaftsprojekt des Entwicklers Arnold Rauers (die schlechtere Hälfte von TinyTouchTales) und des Illustrators Max Fiedler. Die Soundkulisse wurde von Oliver Salkic beigesteuert. Wer sich für die Hintergründe der Entwicklung interessiert, kann sich den Podcast angespielt #059 zu Gemüte führen, in dem Arnold und Max zu Wort kommen. “Superlevel ist fantastisch!” heißt es da beispielsweise. (Okay, war gelogen, aber gedacht haben die Herrschaften das bestimmt.)
Card Crawl hat eine steile Lern- und Motivationkurve, wobei die Motivation etwas abebbt, wenn man alle Spezialkarten freigeschaltet hat und in Bezug auf den Highscore an seine Grenzen stößt. Das als Kritik zu äußern wäre angesichts des geringen Preises von 1,99 Euro aber unfair. Die gewichtige Glückskomponente zu kritisieren wäre ebenfalls falsch, schließlich ist das bei so ziemlich allen Kartenspielen ein mehr oder weniger tragendes Element.
Generell muss ich sagen, dass mich schon lange kein iOS-Spiel mehr so gut unterhalten hat, obwohl sich mein Interesse für Kartenspiele, wie ich anfangs erwähnte, wirklich in Grenzen hält. Bleibt abschließend zu sagen, dass ich den Machern von Herzen einen kommerziellen Erfolg und mir einen beachtlichen Highscore wünsche, der die aktuellen 113 Münzen übersteigt. Verdammt!