DOLLY: Äußere Werte

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Jagoda Ein Spiel ist wie ein Sonntagsausflug. Man tankt das Auto voll, packt die Sachen zusammen und hofft, dass das Wetter hält. Sollte der Ausflug aber wie bei DOLLY durch einen Blutmond verziert werden, ist Obacht zu wahren! Denn, so die Mythologie, in Zeiten des roten Mondes sind die Grenzen zwischen unserer und der Welt der Geister besonders durchlässig. In so einer Phase verkommt der nette Familienausflug vielleicht zur Achterbahnfahrt in den Wahnsinn.

Der Blutmond begleitet uns bei DOLLY konstant auf unserer Reise durch Träume, Gedankenwelten und Phantasien. Immer tiefer verirren wir uns in das Bewusstsein einer Person (?) und immer skurriler wird die Optik. Zu der alles beherrschenden und mit einfachen Kunstgriffen aufgebauten Atmosphäre trägt nicht zuletzt die Musik bei. Hüpft man zunächst voller Vorfreude und mit einem Lächeln im Gesicht dem Ausflug entgegen, so unterstreicht die Musik sehr schnell, dass hinter der nächsten Ecke nicht unbedingt ein Romantikhotel auf die Gäste lauert. Das bleibt für mich auch das alles beherrschende Gefühl während der kurzen Spielzeit mit DOLLY: Ich bin hier nur Gast. Ich bin zu Besuch. Ich sehe niedlich aus, mache großartige Hüpfgeräusche, aber irgendwas ist fremd und eigenartig. Eigenartig genug, um meine nicht enden wollende Neugier zu wecken.

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Kevin Meine Neugierde war ja bereits mit dem ersten Screenshot geweckt. Eine bekannte rhetorische Technik ist das Einkleiden eines Arguments in eine verschleiernde Sprache, die mögliche Fehler in der Logik überdeckt und abweichende Meinungen zu unterdrücken versucht. Kurzum: Der Stil wird der Substanz vorgezogen. Ich, als eher visuell orientierter Mensch, bin nicht selten anfällig für diese Technik, besonders bei Videospielen. Hat ein Spiel einen herausragenden Stil, verzeihe ich ihm gerne gewisse Fehler, solange ich mit offener Kinnlade durch die konstruierte Welt gehen kann. Dies war schon bspw. bei Ultraworld so und DOLLY darf sich nun auch in diese illustre Gruppe einreihen.

DOLLY ist ein kleines Studentenprojekt von Blake Wood und spielt sich wie Super Meat Boy oder They Bleed Pixels. Man hüpft von Plattform zu Plattform, klettert Wände hoch und löst simple Rätsel, bevor nach wenigen Minuten alles vorbei ist. Dass die Steuerung dabei zeitweise ungenau ist und die Kollisionsabfrage oftmals Urlaub macht, kann ich dem Spiel gerne verzeihen, da die konstruierte Welt schlichtweg einen einzigartigen Stil hat. Die minimalistische Palette wird durch einen ansprechenden Rotton ergänzt, die Welt ist mystisch und wirr, was sich auch in ihrer Schönheit widerspiegelt. Der Soundtrack passt sich wunderbar an und unterstützt die Atmosphäre. Visuell kann DOLLY fast kein Spiel dieses Jahres das Wasser reichen. Künstlerische Vision trumpft immer über reine Technik, und daran wird sich nichts ändern.

Unter diesem schicken Gewand versteckt sich zudem auch noch eine Geschichte. Die Bilder und die Töne enthalten eine Nachricht, welche allerdings frei zu interpretieren ist. Oder ich war schlichtweg nicht fähig, die Nachricht des Entwicklers zu verstehen. Wer seinen Kulturhorizont demnach erweitern möchte, dem sei DOLLY wärmstens ans Herz gelegt. Wer nur mal sehen möchte, wie ein durchdachter Stil ein Spiel herausragend machen kann, sollte auch einen Blick darauf werfen. Scheiß auf Substanz, wenn die äußere Hülle so umwerfend ist.