Ein Schatten ihrer Selbst: Being Her Darkest Friend

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Vor vielen, vielen Jahren träumte ich einmal, wie meine als Ronald McDonald verkleidete Mitschülerin Simone und ich Zuflucht hinter der Theke eines Süßwarenladens suchten, nachdem wir von durchgeknallten Karussellpferden durch einen Freizeitpark gejagt worden waren. Albträume nehmen die merkwürdigsten, manchmal aber auch ganz profane Formen an: Wenn sich die lähmende Angst vor dem Versagen in einem gerträumten Abbild des Arbeitsplatzes, der Schule oder des Unihörsaals manifestiert.

Anknüpfend an das im Februar veröffentlichte A Fragment of Her, in dem das collagierte und nicht immer stimmige Bild einer jungen Kunststudentin gezeichnet wurde, legt Being Her Darkest Friend nun den alleinigen Fokus auf Selinas Innenleben. Gefangen in einem Albtraum, versucht die Protagonistin, ihre Ängste aufzuarbeiten und sich insbesondere der Sorge zu stellen, den eigenen kreativen Ansprüchen nicht genügen zu können. Was vielversprechend erscheint, weil die narrative Wirrnis des Vorgängers eines seiner größten Probleme war, kann abermals nicht völlig überzeugen. Durch die Schwerpunktverschiebung auf die Selbstreflexion Selinas treten die Monologe diesmal weiter in den Vordergrund und es zeigt sich umso drastischer, dass deren Konzeption nicht Chronerions größte Stärke ist.

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Abermals wirkt vieles hölzern und konstruiert, sind einige der Gedankengänge zu sehr auf spielmechanische Entwicklungen bezogen und daher unglaubwürdig. Die von Selina selbst durchgeführte Analyse ihrer mentalen Versehrtheit wird kurzerhand listenförmig abgehakt und gleichermaßen durch das Auffinden von Gegenständen behoben. Die allerdings sind nicht immer leicht ausfindig zu machen, weil einige von ihnen erst nach bestimmten Ereignissen zur Interaktion freigeschaltet werden. Das ergibt wenig Sinn, wenn Selina in ihrer Wohnung den Umzugskarton zunächst als irrelevant abtut und erst nach dem Auffinden eines anderen Objekts einen Blick hineinwirft. So werden die an sich ohne Weiteres lösbaren Rätsel unnötig erschwert und man findet sich ein ums andere Mal verzweifelt alle Szenen durchforstend wieder, obwohl man eigentlich genau weiß, was zu tun ist.

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Vielleicht hat sich der österreichische Entwickler und Kopf des kleinen Studios, Christian Haumer, an der Menge der selbst duchgeführten Arbeiten schlicht verhoben. Zuständig für Game Design, Sound Design, die Konzeption von Geschichte und spielinternen Texten zugleich, hat er sich derart viele Disziplinen zugemutet, dass mindestens eine davon zwangsläufig qualitativ hinter den anderen zurückbleiben musste. Wie gut es dem Spiel möglicherweise getan hätte, mehr spezialisierte Fachkräfte einzubinden, zeigt abermals die fantastische, von Stefan Srb konzipierte Pixelgrafik, der durch einen geschickten Einsatz von Licht und Farbe ungeheuer atmosphärische Szenen entspringen. Auch Hilfe beim Lektorat wäre wünschenswert gewesen, denn die deutschsprachige Variante ist gespickt mit zahlreichen „Dass-das-“ sowie Kommasetzungsfehlern und falsch gesetzten Artikeln, die weiter an der Qualität der Texte sägen. Immerhin sind die in der englischen Übersetzung absent, die mangelnde Glaubwürdigkeit aber bleibt auch dort erhalten.

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Being Her Darkest Friend ist eine durch die Fokusverschiebung interessante, aber aufgrund der konzeptionellen Mängel durchwachsene Fortsetzung, die an ähnlichen Problemen krankt, wie ihr Vorgänger: Inkonsistenz, eigenartigen Monologen und dem Wunsch, mehr zu erzählen, als in einen Game Jam passt. Zum Ende des Jahres wird der letzte Teil der als Trilogie ausgelegten Serie erscheinen. Da diesmal offenbar mehr Zeit in die Entwicklung fließen soll, entsteht aus dem Fragment möglicherweise endlich ein ausgereiftes Werk. Wie auch in der großartigen Introsequenz des aktuellen Teils, die demonstriert, welche kreative Energie eigentlich in dem kleinen, österreichischen Studio schlummert.