Heaven’s Hope: Adventure des Jahrtausends?

Heaven's Hope

„Ich komme hier wieder mit der Geschichte des Jahrtausends und keiner will sie hören?!“ – Talorel, Engel in Nöten

So sympathisch mir der Held aus Heaven’s Hope auch ist: ich möchte mir seine Geschichte auch nicht unbedingt noch einmal anhören. Dabei beginnt sie so gut. Der übermütige Talorel lässt sich direkt vor seiner Engelsprüfung dazu überreden, ein gefährliches Flugmanöver am Himmelsrand zu vollführen. Natürlich geht das schief und er stürzt auf die Erde. Dort muss er erst einmal seinen beim Absturz verloren gegangenen Heiligenschein finden. Da er sich seine Flügel verbrannt hat, sucht er danach in dem benachbarten Dörfchen Heaven’s Hope eine andere Möglichkeit, wieder zum Himmelstor zu gelangen. Blöd, dass er im England des 19. Jahrhunderts gelandet ist. Gut, dass zufällig ein Wissenschaftler in Heaven’s Hope wohnt, der ein glühender Fan von da Vinci und Cayley ist. Als Antagonist dient eine fanatische Nonne, die den Ort Heaven’s Hope unterjocht und mittels Inquisition die „göttliche Ordnung“ wieder herstellen will.

Angekündigt wurde das Point-and-Click-Adventure als eine Hommage an Monkey Island und andere Genreklassiker, der Humor wurde von einigen Spielern mit Monty Python verglichen. Eigentlich klingt das nach einem wunderbaren Zeitvertreib. Die Welt ist detailverliebt animiert im klassischen Comic-Adventure-Stil und unterlegt mit einem stimmigen Soundtrack. Es gibt immer wieder amüsante Referenzen zur Popkultur – ob ein „Du kommst nicht vorbei!“ frei nach Gandalf oder ein Geisteraufspürgerät, dessen Strahlen man nicht kreuzen darf. Selbst einer von Talorels Begleitern, ein Homunkulus, erinnert stark an die Adipose aus Doctor Who. Der andere ist übrigens eine übergewichtige Maus mit Nahtoderfahrung (Ich war‘s nicht- zumindest nicht mit Absicht!). Kurz: ein perfektes Spiel für mich. Eigentlich.

Leider zieht sich die erste Hälfte des Spiels unfassbar lang hin. Das liegt jedoch sicherlich nicht an den Rätseln, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – sehr einfach sind. Puzzle mit nur drei Teilen sind keine Seltenheit. Wenn die Rätsel jedoch einmal etwas unübersichtlicher werden, ist die gebotene Hilfe in Form unserer besten Freunde, die als Stimmen aus dem Off kommentieren, nicht sonderlich sinnvoll. Viel mehr als „Find deinen Heiligenschein!“ und „Flieg wieder zu uns hoch!“ kommt von deren Seite nämlich leider nicht, sodass diese Funktion schnell von mir ignoriert wird. Hier war das Notizbuch die deutlich bessere Alternative, auch wenn es schön gewesen wäre, nicht immer wieder Teile der Hinweise durch die Aktualisierung der Aufgabe wieder zu verlieren. Manchmal hatte ich den Fortschritt nämlich bereits ausgelöst, ohne das überhaupt bemerkt zu haben (etwa, weil ich eine Information bereits in einem vorherigen Gespräch erlangt hatte), und habe dann nie erfahren, warum jetzt gerade diese Lösung funktionierte. Diese kleineren Unebenheiten sind es jedoch nicht, die dem Spiel in den ersten zwei Dritteln viel seines Charmes rauben.

Heaven's Hope

Stattdessen ist dies dem antiklimaktischen Erzähltempo geschuldet. Die Dialoge sind häufig unproportional lang zu der enthaltenen Information und zu dem gebotenen Witz. Mehrfach hat Steam das Spiel sogar minimiert, weil es einen besonders langen Monolog als Inaktivität wertete. Natürlich ist es bei einem Point-and-Click-Adventure nun einmal so, dass man auf Hin-und Zurücklaufen, viel reden und die üblichen Puzzle- sowie Minispiele beschränkt ist, aber diese Mechaniken dürfen nicht zum einzigen Inhalt des Spiels verkommen. Gerade die verrückte Nonne Greta, die nach einem Drittel der Spielzeit das erste Mal auftaucht, bleibt ein sehr blasser Charakter und teilt damit das Schicksal vieler Bewohner der Spielwelt. Selbst die Idee einer narzisstischen Narzisse bleibt zu skizzenartig, um wirklich zu funktionieren: ihre Selbstverliebtheit verharrt in einem Monolog aus drei inhaltsgleichen und entsprechend -leeren Sätzen ohne Biss. Bis zu diesem Zeitpunkt erreicht einzig das Wechselspiel der haarausfallgeplagten Herren des Dorfes mit ihrem geheimen Koffein-shampoo, deren Shampooflaschen Talorel ihnen abluchsen muss, das Dialogpotenzial der vielversprechenden Rahmenhandlung. Ansonsten bleibt es bei vereinzelten Äußerungen, deren Situationskomik für ein all zu kurzes Schmunzeln sorgt.

Das kann jedoch auch an der deutschen Synchronisation liegen. Die Stimmen sind zwar großartig, die Dialoge funktionieren jedoch zu häufig in der Übersetzung nicht. Das hat mich dann doch sehr überrascht, da sowohl das Entwicklerteam als auch der Publisher aus Deutschland stammen (Hannover, respektive München). Wenn aus dem Witz „We need a circle of protection!“ – “Oh, okay. We even have a protective circle!” jedoch “Wir bräuchten auch einen Schutzzirkel.” – “Oh. Es gibt sogar einen Schutzzirkel.” wird (frei zitiert), dann wird ein sperriger Dialog noch ermüdender und der Finger zuckt gefährlich Richtung Enter-Taste, um das Gespräch abzukürzen. Wer sich darüber hinaus ohnehin von Untertiteln gestört fühlt, wird mit einem weiteren Hindernis konfrontiert: zum einen lassen sich diese nicht abstellen, zum anderen strotzen sie vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern.

Heaven's Hope

Das letzte Drittel des Spiels jedoch hat mir wieder wirklich Spaß gemacht – vielleicht auch, weil ich mir mehrere Schlüsselszenen noch einmal auf Englisch angesehen hatte und sie anschließend deutlich besser funktionierten. Nicht nur, dass die englischen Sprecher sogar noch besser klingen, vor allem fühlen sich die Dialoge flüssiger und weniger bemüht an.

Außerdem kannte ich die Dorfbewohner nun gut genug, um deren amüsante Dialoge zwischen Naivität und Skurrilität genießen zu können, konnte endlich meine putzigen Begleiter vermehrt einsetzen und sogar einzelne Personen in Adventuremanier manipulieren, sodass sie mir im Finale nutzten. Das sonst häufig langwierige Zusammensammeln der notwendigen Gegenstände reduziert sich auf ein entspanntes Abklappern der Hauptszenen. Obwohl es sich um eine lange Liste handelt, fühlte sich das Spiel nun kurzweiliger an und glänzt mit einem sinnvollen Erzähltempo sowie einer einnehmenden Erzählweise. Die einzelnen Schritte, die man in der Spielwelt macht, sind nun von Belang. Das “Vorgeplänkel”, das fast sechs meiner acht Stunden Spielzeit eingenommen hat, wird abgelöst von abwechslungsreichen Aufgaben, die stringent und stimmig die Geschichte erzählen. Die liebevoll inszenierte, stimmungsvolle Welt fügt sich zu einem großen Ganzen – nicht nur auf der zuvor eher zu vernachlässigenden Karte, auf der sich die Anzahl der größeren Schauplätze nun verdoppelt. So schnell jedoch, wie das Spiel schließlich Fahrt aufgenommen hat, so rasch kommt es dann auch schon zu seinem Ende – womit wir wieder bei Talorels Frage wären: Will keiner seine Geschichte hören?



Ich persönlich hadere mit der Antwort. Heaven’s Hope ist insgesamt ein solides Spiel – und vor allem ein gutes Erstlingswerk des kleinen Entwicklerstudios Mosaic Mask Studios. Man spürt beim Spielen den Spaß, den die Entwicklern selbst hatten. Die Welt ist detailreich und voller kleiner, liebevoll platzierter Spitzen und wer nicht auf die deutsche Synchronisation angewiesen ist (oder wem unterstützend deutsche Untertitel ausreichen), wird gerade letztere auch zu schätzen wissen, während er den schrulligen Briten bei ihren Problemen mit der Inquisition und – viel schlimmer – Prohibition hilfreich zur Seite steht. Wer jedoch auf Deutsch spielen will, muss sich vorgelagert vor allem fragen „Wie wichtig ist mir eine pointierte Sprache bei einem Adventure?

Meine Antwort lautet leider: „Sehr. Tut mir leid, Talorel.