Ludum Dare 28: The Day the Laughter Stopped

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Hinweis: Der Text wird lesbar, wenn man mit dem Mauscursor darüber fährt und setzt zum vollen Verständnis das einmalige Durchspielen voraus (Dauer: ca. 5 Minuten). Da das Spiel ein sehr unbehagliches Thema behandelt, sollten sich empfindsamere Personen zunächst den Abschnitt “Trigger Warning” auf der Webseite ansehen, um mögliche emotionale Stressreaktionen abwägen zu können.


Manchmal ist die Reduktion das einzig wirksame Mittel, um der Welt etwas viel Komplexeres vor Augen zu führen. The Day the Laughter Stopped ist ein Spiel, das deshalb auf vieles verzichtet. Hier gibt es nichts zu sehen, außer den Bildern im Kopf. Hier gibt es auch nichts zu spielen, denn der Lauf der Dinge ist nicht aufzuhalten. Gesichter, Stimmen, Schauplätze, alles bleibt der eigenen Vorstellungskraft überlassen, weil die tatsächliche Abbildung der Geschehnisse unvorstellbar wäre. Und doch ist es wichtig, sich, so unbequem es auch sein mag, ein Bild zu machen. Von Opfern und Tätern. Von deren Handlungen und Konsequenzen. Und von der eigenen Ahnungslosigkeit.

The Day the Laughter Stopped behandelt ein schockierendes Thema, ohne zu schockieren. Ganz im Gegensatz zum kontroversen The Slaying Of Sandy Hook Elementary, wird man sehr behutsam auf das Unvermeidliche vorbereitet. Es gibt keinen gesichtslosen Killer, es gibt echte Menschen, mit echten Gefühlen, Wünschen und Ängsten. Teenager, die ihren Platz in der Welt noch nicht erahnen und mit dem holprigen Übergang von der Kindheit ins Erwachsene zu kämpfen haben. Der Aufbau gleicht eher dem einer klassischen Kurzgeschichte, versehen mit dem trügerischen Eindruck, den Ablauf der Handlung durch die binär gestalteten Wahlmöglichkeiten beeinflussen zu können. Doch dieses Gefühl geht schnell verloren, denn ob ich meinem Gegenüber nun mit Zuneigung oder Abweisung begegne, hat nur wenig Einfluss auf seine Reaktion. Bin ich es als Spieler gewohnt, eine aktive Rolle inne zu haben, fühle ich mich hierdurch seltsam fremdbestimmt. Bis hin zur Handlungsunfähigkeit.

Letztlich passiert schließlich das, was ich doch unbedingt verhindern wollte. In stakkatohaften Absätzen wird mir der Ablauf der eigenen Vergewaltigung geschildert, immer wieder mit der illusorischen Auswahloption versehen, mich gegen die physische Dominanz meines Peinigers, der doch eigentlich mein bester Freund ist, zu wehren. Doch so oft ich auch klicke, es passiert nichts. So bleibt mir am Ende nur die Möglichkeit, einfach still zu halten und es über mich ergehen zu lassen. Ein nicht funktionierender Button als Botschafter realer Hilf- und Machtlosigkeit, begleitet vom Anschwellen der Musik, die in diesem Moment meine tiefe Unruhe und Wut nicht besänftigen kann. Ich weiß, es ist alles nur in meinem Kopf, doch diese nicht gezeigten Bilder lassen mich nun nicht mehr los. Dabei ist es nicht viel mehr als ein Aufblitzen des Leids, welches reale Opfer ertragen müssen. Und dieses endet auch nicht mit dem Schließen eines Browserfensters.

Am Schluss sitze ich mit meiner Familie am Essenstisch und will ihnen alles erzählen. Wie ich von meinem besten Freund vergewaltigt wurde. Wie mein Vertrauen für immer gebrochen wurde. Wie mir mit einem Schlag der letzte Rest Kindheit genommen wurde. Doch es geht einfach nicht. Mir bleibt nur das Schweigen. Denn was ich aus einem solchen Spiel nicht mitnehmen kann, ist die unsagbare Scham, mit der so viele Opfer nach einer solchen Tat zu kämpfen haben. Die Zweifel an der eigenen Schuldlosigkeit, die Gedanken, vielleicht doch irgendetwas falsch gemacht und somit das erfahrene Unrecht womöglich provoziert zu haben. So eindringlich das Spiel auch die Geschehnisse schildert, so deutlich macht es auch, wie unbeschreiblich und nicht nachvollziehbar eine solche Erfahrung für Außenstehende wie mich ist. Es zeigt die Wichtigkeit des Erkennens der eigenen Unkenntnis.

The Day the Laughter Stopped räumt mit einigen Vorurteilen und oftmals unbekannten Begleiterscheinungen solcher Taten auf. Etwa, dass es einen Opferanteil an einer solchen Tat geben könne. Oder dass Vergewaltigungen hauptsächlich von Fremden verübt werden. Es veranschaulicht zudem, wie Täter nicht selten, aufgrund von Scham und Selbstvorwürfen seitens ihrer Opfer, ohne rechtliche Konsequenzen davon kommen. Als ich am Ende der Geschichte weinend im Kinderzimmer stehe, begreife ich aber vor allem, dass es in dieser Angelegenheit, unabhängig eines juristischen Belangens, keine Gerechtigkeit geben kann. Was kaputt gemacht wurde, ist nicht zu reparieren. Die ungeheure Zerstörungskraft einer solchen Tat bleibt ein Leben lang sichtbar. Ein Leben, das nun nicht mehr so sein kann, wie es vorher war. Und darum ist es so bedeutend, dass einem das Spiel schlussendlich auch den Neustart verwehrt. Denn ganz gleich, wie ich mich auch bei einem weiteren Durchlauf verhielte: Es ist passiert.