Immer schön das Kleingedruckte lesen.
Es ist kein all zu abwegiges Gedankenspiel: Jeder hat sich vermutlich schon einmal gefragt, wie unsere Nachkommen in vielen hundert Jahren wohl auf unsere Ära zurückblicken werden. Wie altertümlich unsere Technologie auf sie wirken muss. Ja, wie abwegig ihnen vielleicht sogar der Gedanke erscheinen wird, ein Smart-Device mit den Händen zu bedienen. Mit den Händen! Okay, eigentlich ist diese Vorstellung sogar derart naheliegend, dass sie im Science-Fiction-Kino regelmäßig als Pointe herhalten muss: »You mean you have to use your hands? That’s like a baby’s toy!« Das macht es für One Button Travel nicht unbedingt einfacher, seinen Plot um diese reizvolle Fantasie zu wickeln.
Aber von vorne: Das liebevoll gestaltete Textadventure des Münchener Entwicklerstudios The Coding Monkeys beginnt – Überraschung – mit einem Knopf. Den drücke ich in meiner über Jahre angeeigneten Konditionierung natürlich umgehend und relativ arglos. Nur wenig später informiert mich eine unbekannte Person per Messenger darüber, dass das vielleicht keine so gute Idee war. Es stellt sich heraus, dass der oder die Unbekannte in der Zukunft feststeckt und mir das gleiche Schicksal droht, wenn ich das unwissentlich per Knopfdruck georderte One-Way-Ticket nicht annulliere. Es entspinnt sich eine kafkaeske Suche nach dem Stornierungscode, bei der ich meinem unbekannten Freund per Smartphone immer wieder Ratschläge erteilen und schwierige Entscheidungen abnehmen muss. Das Gewicht dieser Entschlüsse spürt man dabei leider nur selten. Falsche Antworten scheint es im eigentlichen Sinne nämlich gar nicht zu geben.
The Coding Monkeys machen allerdings etwas, das sich nicht jeder Entwickler traut: Sie lassen den Spieler warten. Viel warten. Nicht etwa, um ihn zu fragwürdigen Mikro-Transaktionen zu drängen, wie man sie von den populären Aufbauspielchen aus dem AppStore kennt. Nein, One Button Travel lässt den Spieler warten, um ihn in mit dem eigenen, sprunghaften Erzählrhythmus zu synchronisieren. Das Spiel macht im Grunde nichts anderes, als das fragmentierte Knäuel unserer modernen Kommunikation zu antizipieren. Es fügt sich hervorragend in das stete Grundrauschen eingehender Push-Mitteilungen. Bing. Eine WhatsApp-Nachricht vom Arbeitskollegen. Bing. Ein neuer Follower auf Twitter.
Bing. Der seltsame Typ aus der Zukunft probiert mich wieder zu kontaktieren. Das ist eine tolle Idee, die in der Praxis allerdings sehr schnell lästig werden kann. Denn meistens habe ich überhaupt keine Ahnung, ob mein Gesprächspartner nur wenige Sekunden abwesend sein wird oder gleich mehrere Stunden. Das führte in meinem Fall dazu, dass ich die Dialog-Blöcke zu eher unpassenden Gelegenheiten oft nur noch zwischen Tür und Angel abarbeitete, statt mich der sehr unterhaltsamen Erzählung voll und ganz hinzugeben. Dass auch die bitter notwendige Identifikation mit dem gebeutelten Protagonisten dramatisch darunter leidet, versteht sich von selbst.
Sprachlich bedient sich One Button Travel, seiner Messenger-Ästhetik entsprechend, einem sehr direkten und einfachen Ton, der allerdings häufig Probleme mit den eigenen Pointen hat. Denn für einen bissigen Kommentar auf unsere Zeit ist der Humor des Spiels schlichtweg zu zahnlos. Das Wechselspiel aus Gesellschaftskritik und Augenzwinkern fällt zumeist holprig aus. Wem es aber trotz dieser Widrigkeiten gelingt, eine wie auch immer geartete Beziehung zu dem verpeilten Phantom aus der Zukunft aufzubauen, der darf hier solide Science-Fiction-Unterhaltung inklusive der ein oder anderen Wendung erwarten. Eine Menge Geduld vorausgesetzt.