Kein gewöhnliches Rätselspiel. Und kein gewöhnlicher Held.
Er ist keine gewöhnliche Videospiel-Figur, dieser unbekannte Herr in Pavilion. Es ist auch nicht gewöhnlich, eine Videospiel-Figur als Herr zu bezeichnen. Aber er ist so einer. Er trägt etwas, was wie ein legeres Sakko aussieht, ist groß und schlank und hat zur Abwechslung einmal keinen Bart. Noch ungewöhnlicher ist aber, dass er ängstlich wirkt. Ein ängstlicher Mann in einem Videospiel, das ist weit innovativer als die Selbstbeschreibung des Spiels durch seine Macher: Pavilion ist ein fourth-person puzzling adventure. Und es erscheint im Episodenformat.
Auf den ersten Blick ist Pavilion vor allem einmal schön. Auf eine ungewöhnliche, abstrakt jugendstileske Weise. Auf den zweiten Blick ist es trotz seiner handgezeichneten 2D-Grafik ein 3D-Rätselspiel. Gesteuert wird ein geheimnisvoller Lichtpunkt, ein Geist eventuell, der dem Herrn dabei hilft, ihn dazu ermutigt, eine gleichzeitig wunderbare und abstoßende Traumwelt zu durchlaufen. Da wird für Licht gesorgt, wenn die Dunkelheit Angst macht, Gegenstände werden verschoben und immer wieder wird der Herr mit sanfter Gewalt vom wärmenden Feuer weggelockt und in die richtige Richtung geschubst. Immer geht es darum, seine Verhaltensweisen zu verstehen und ihn durch Manipulationen seiner Umgebung zu beeinflussen – fourth-person also, wenn man so will.
Er, also der Herr, sucht offenbar nach einer Frau. Einer schönen, tanzfreudigen Frau in einem langen Kleid, die er zu kennen und zu vermissen scheint. Auf Sprache verzichtet Pavilion – zumindest in seiner ersten Episode – zur Gänze. Sowohl die Steuerung als auch die Geschichte müssen selbst entdeckt, letztere auch selbst interpretiert werden. Und das macht, neben den recht abwechslungsreichen und durchaus ungewöhnlichen Rätseln, den Reiz des Spiels aus.
Während die Optik durchgehend fasziniert und Atmosphäre schafft, kippt die passagenweise hervorragende Musik manchmal zu sehr ins Sphärische und erinnert dann ein bisschen an die CDs der Großtante, die in ihrer Midlife-Crisis den Buddhismus für sich entdeckt hat, ihn aber noch oft mit den Alltagsweisheiten des Tee- und Klangschalenverkäufers von nebenan verwechselt. Pavilion ist in seiner Aufmachung aber einzigartig genug, um sich diese kleinen Ausrutscher leisten zu können.
Etwas überraschend ist das Episodenformat, das wohl eher dem Risikomanagement des Drei-Mann-Studios Visiontrick Media zuzuschreiben ist, als einer tiefsinnigen, spieldynamischen Überlegung. Die erste Episode ist nach guten zwei Stunden vorbei und der ängstliche Herr ist mir schon ein bisschen ans Herz gewachsen. Es wäre schön gewesen, ihm weiterhin Mut zu machen und mehr über die Frau in dem Kleid zu erfahren. Aber dazu muss das Spiel wohl erst ein paar Monate lang drei Löhne finanzieren.