Es war einmal im...es war einmal im...es war einmal im Zurückspul-Land.
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Die untergehende Sonne spiegelt sich im Flachbildschirm, der Lüfter wirbelt feinste Staubflusen durch die dicke Luft, der Marker im blütenweißen neuen Dokument im Textverarbeitungsprogramm blinkt verheißungsvoll. Der Autor lehnt sich zurück und legt die Hände hinter den Kopf; die Möglichkeiten, diesen Artikel zu beginnen sind endlos, die Wege zum Ende verschlungen und mit Überraschungen gepflastert, das Ergebnis ungewiss. Er könnte sich dem Test zu Stories: The Path Of Destinies auf klassische Art und Weise nähern. Das Spielkonzept des quietschbunten Action-RPGs mit seinen anthropomorphen Charakteren und einer überraschend düsteren Story um den Fuchs Reynardo und seinen Aufstieg vom gesetzlosen Steampunk-Säbelschwinger zum Helden wider Willen objektiv sezieren und anhand der kalten Fakten ermitteln, ob es sich lohnt, die Reise auf die fliegenden Inseln der Spielwelt anzutreten.
“Die Grundidee hinter Stories: The Path Of Destinies ist relativ abgenutzt. Ich schlüpfe in die Rolle des wortgewandten Fuchses Reynardo und bewege mich in isometrischer Sicht durch verschiedene Spielwelten, mit denen ich größtenteils auf zwei Weisen interagieren kann. Zum einen sammle ich Erz und elementare Essenzen aus Fässern, Truhen und sonstiger Dekoration. Diese kann ich an Werkbänken nutzen, um neue Schwerter herzustellen, die Türen in neue Spielabschnitte öffnen, in denen weitere Truhen warten, und mit besonderen Spezialfähigkeiten ausgestattet sind”, murmelt der Autor in sich hinein, während er die ersten Anschläge in seine Tastatur einhämmert und in Konzentrations-Trance seine Zunge über seine Oberlippe wandern lässt. “Die zweite Interaktionsmöglichkeit sind die Kämpfe mit den Krähen-Schergen des Oberbösewichts, die in überschaubarer Varianz auftauchen und die sich durch das simple Aneinanderreihen von Angriffen schnell von der Bildfläche putzen lassen. Die Spezialfähigkeiten der Schwerter und einen Großteil der Skills, die ich nach jedem Levelaufstieg durch genügend absolvierte Kämpfe freischalten kann und die sich in Genre-Standards wie mehr Lebensenergie oder schnelleren Angriffen erschöpfen, benötige ich so gut wie nie.”
Der Autor runzelt die Stirn und verscheucht eine lästige Fliege von seinem Kopf. Ob das wirklich alles ist, was Stories: The Path Of Destinies zu bieten hat? War es wirklich so einfach? “Im ersten Spieldurchlauf tue ich mich schwer, wirklich mit dem allzu klischeehaften Abenteurer und NPCs wie dem gewieften, aber nicht ganz koscheren Hasen-Spion Lapino oder dem durch eine alte Macht verdorbenen Kröten-Imperator Isengrim III. warm zu werden. Zu diesem Ersteindruck gesellt sich das Gefühl, dass der aus Spielen wie Darkest Dungeon, Bastion oder Bard’s Tale bekannte sarkastische Erzähler zwar faktisch gut besetzt ist, seine Zeilen dem Spiel jedoch nicht gerecht werden können.” Der Autor hält inne. Verdammt. Er hatte sich in Oberflächlichkeiten verloren, ohne zum Kern des Spiels vorzudringen: der je nach den Entscheidungen des Spielers in verschiedene Richtungen abzweigenden Geschichte. Er schließt die Augen und stößt einen Seufzer aus, bevor er sie langsam wieder öffnet.
Die untergehende Sonne spiegelt sich im Flachbildschirm, der Lüfter wirbelt feinste Staubflusen durch die dicke Luft, der Marker im blütenweißen neuen Dokument im Textverarbeitungsprogramm blinkt verheißungsvoll. Der Autor lehnt sich zurück und legt die Hände hinter den Kopf; die Möglichkeiten, diesen Artikel zu beginnen sind endlos, die Wege zum Ende verschlungen und mit Überraschungen gepflastert, das Ergebnis ungewiss. Er könnte sich dem Test zu Stories: The Path Of Destinies auf klassische Art und Weise nähern. Aber er wird das Gefühl nicht los, dass ihn genau dieser Weg schon einmal in die Irre geführt hat. Genau wie Reynardo juckt es ihn in den Fingern, einen anderen Weg auszuprobieren und so vielleicht hinter die Geheimnisse des Action-RPGs zu kommen. Also besinnt er sich auf die tieferliegenden Qualitäten des Spiels, saugt die dank eines geöffneten Fensters mittlerweile etwas frischere Luft durch die Nase ein, atmet aus und lässt seine Finger über die Tastatur gleiten.
“Mein erstes Abenteuer mit Reynardo endet zwangsläufig immer tödlich. Am Ende eines jeden, etwa eine halbe Stunde dauernden Durchlaufs erleide ich ein trauriges Schicksal, komme des Rätsels Lösung allerdings auch etwas näher”, tippt der Autor, während ein leichtes, wissendes Lächeln seinen Mund umspielt. “Denn ein Buch, das ich im Tutorial-Level in meinen Besitz bringe, ermöglicht es mir, die Zeit zurückzudrehen. Dadurch kann ich die Geschichte noch mal durchspielen und am Ende von jedem Abschnitt eine andere Wahl treffen. Mit Glück führt mich der Weg entlang der verästelten Story-Stränge zu einer der vier “Wahrheiten” des Spiels. Erst wenn ich alle vier aufdecke, kann ich den Pfad zum wahren Ende freischalten. Das trieft zwar auch vor Klischees, die investierte Zeit ist es jedoch wert. Denn mit jedem neuen Durchlauf scheint der Erzähler amüsantere Pointen und Anekdoten hervorzuzaubern, und die popkulturellen Referenzen auf andere Spiele und Filme sind so mannigfaltig und teilweise um die Ecke gedacht, dass sie mir das ein oder andere Mal ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern. Ähnlich gearteten Titeln, die ebenfalls Action-RPG-Charme mit sarkastischen Erzählern aus dem Off verknüpfen, kann Stories: The Path Of Destinies zwar nicht das Wasser reichen. Aber wer ein Herz für sprechende Tiere, kurzweilige Action und den ein oder anderen flotten Spruch hat, wird sich zwischen den fliegenden Inseln, Luftschiffen und den 24 teilweise richtiggehend lachhaften Enden wohl fühlen.”
Ein Klick auf Speichern unter, und seine Arbeit ist für heute getan. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, das Zimmer nur noch erhellt vom kalten Licht des LCD-Panels seines Monitors. Wieder lehnt er sich zurück, stößt sich diesmal aber mit den Füßen ab und rollt nach hinten, in Richtung offene Tür. “Es wird Zeit”, denkt er sich, während er langsam aufsteht, sich kurz durchstreckt und in Richtung Wohnzimmer stapft. “Mal sehen, wie Reynardo heute den Löffel abgibt.”