Kill your darlings: Super Time Force

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Von der Zukunft lernen, die Vergangenheit verändern, die Gegenwart als Testlauf: Das ist Super Time Force. In ihrem neuen Plattformer nehmen Capybara die Zeitreise-Mechanik schöngeistiger Puzzle-Spiele wie Braid und stricken daraus ein bombastisches Arcade-Feuerwerk. Es geht um Dinosaurier, Roboter, den perfekten Lauf und darum, Fehler wiedergutzuamchen wiedergutzm wiederuhg

Von der Zukunft lernen, die Vergangenheit verändern, die Gegenwart als Testlauf. In Super Time Force sind Spieler Anführer einer zeitreisenden Vokuhila-Heldentruppe aus den Achtzigern, die das Universum frei nach Bill und Ted zu einem granatenstarken Ort machen wollen, Hoschi. Besonders einfallsreich wirkt das auf den ersten Blick nicht. Die Super Time Force hüpft durch eine Pastiche klassischer Jump’n’Run-Level (der Dino-Urwald, die Schwebeautoautobahn, das nukleare Wasteland) und schießt Roboter platt. Das Spiel erschließt sich aber erst, wenn… am Ende des Absatzes zum eigentlichen Kern kommen? Sind wir hier bei Videogametourism?

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In ihrem neuen Plattformer nehmen Capybara die Zeitreise-Mechanik schöngeistiger Puzzle-Spiele wie Braid und stricken daraus ein bombastisches Arcade-Feuerwerk. Im Kern ist es allder…

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In Capybaras Singleplayer-Arcade-Shooter Super Time Force geht es um Dinosaurier, Roboter, Schwebautoautobahnen — vor allem aber darum, die Zeit zurückdrehen. Das Spiel erschließt sich, sobald einer der Helden, Teil der namensgebenden Super Time Force, getroffen wird und stirbt. Per Knopfdruck lässt sich dann die Zeit beliebig weit zurückdrehen, um einen weiteren Helden in die Vergangenheit zu schicken, der den ersten Helden vor dem Tod retten kann. Held Nummer Eins sieht man dabei wieder denselben Pfad nehmen, dieselben Gegner zur selben Zeit abschießen. So wie man es eben vor wenigen Sekunden selbst gespielt hat, nur dass man diesmal mit einem neuen Helden nachhelfen kann. Nur insgesamt 30 mal kann man pro Level die Zeit zurückdrehen, muss dabei aber auch auf das knappe Zeitlimit achten, um das Level-Ende zu erreichen. Intuitiv fühlt sich das zunächst nicht an. Seltsam eher. Ich korrigiere lieber kleine Flüchtigkeitsfehler, um einfach durchs Level zu kommen. Nach und nach zeigt sich aber die Tiefe des Systems. Was wäre, wenn ich den dick gepanzerten Schildträger losschicke, um die Laserstrahlen des Cyborgdinos abzuwehren, dann die Zeit zurückdrehe und die Scharfschützin losschicke, die dann ja nicht mehr vom Laser abgeschossen wird, dafür aber von den wilden Mutantenschweinen gefressen wird. Also schicke ich den Skateboarddinosaurierer in die Vergangenheit, um die Schweine zu fressen, und diesen Text am besten an die GameStar.

Capybara die Zeitreise-Mechanik schöngeistiger Puzzle-Spiele wie Braid und stricken daraus ein bombastisches Arcade-Feuerwerk. Vor allem ist Super Time Force aber ein Liebesbrief an die Spiele unserer Kindheit. In einem einzigartigen Pixelstil, der mit Sicherheit so viele Nachahmer finden wird wie schon Sword & Sworcery, kreieren Capybara Level, die ganz ohne Zeitmaschine eine verlorene Vergangenheit feiern. Wenn der Schwebebus durch die Straßenschluchten der Zukunft auf den Turm am Horizont zufliegt und die Super Time Force Robocop-Autos abwehren, dann scheint Star Fox-Ästhetik durch. Der Jetpack-Flug über einem Vulkan erinnert an die Battle Toads und wenn sich Wasteland-Heldin Melanie Gibson durch die Straßen von Atlantis kämpft, dann ist Super Time Force Streets of Rage. Sechs solcher Zeitreisen gibt es in Super Time Force bis der Kampf gegen Dr. Infinity ansteht. Jeder kreative Levelaufbau wird aber nochmal veredelt durch die zentrale Zeitreisemechanik. Und…nee.

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Super Time Force ist ein Spiel über den kreativen Prozess. Schreiben, musizieren, coden, zeichnen — egal was, es basiert auf schmerzhafter Iteration. Kill you darlings und alles wieder an Anfang. Wieder und wieder und wieder und wieder bis es perfekt ist oder die Deadline nichts anderes mehr zulässt. Das Ergebnis ist flüchtig und die Arbeit dahinter für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Sieht doch gut aus, wie du den Riesenroboter in 57 Sekunden zerschossen hast, sagt der Zuschauer wenn er das Replay sieht, das automatisch nach jedem geschafften Level zeigt, wie sich die Heldentruppe erfolgreich durch die scheinbar machtlosen Roboter schießt. Dass eine Stunde Feinschliff dahintersteckt, um noch schneller, noch stylischer, noch besser durchs Level zu kommen, bleibt unsichtbar. Wie viel Arbeit Capybara selbst in dieses Spiel gesteckt haben, will ich mir gar nicht erst vorstellen. Und trotzdem: Ich schaue mir im Replay an, wie ich den Roboter in 57 Sekunden zerschossen habe, denke an die Stunde Feinschliff und fühle etwas, was mich nur wenige Spiele fühlen lassen: Stolz.