Thirty Flights of Loving
Es war einmal ein verdammt guter Spieleentwickler, ein Podcast (fast so toll wie Indie Fresse) und Gravity Bone (Downloadlink): ein Spiel über Agenten, Gamedesign und die Liebe. Hier folgt nun die Fortsetzung. Brendon Chungs Thirty Flights of Loving ist ein viertelstündiges Experiment über das Erzählen von Geschichten in Spielen.
Thirty Flights of Loving ist kurz. Sehr, sehr kurz. Das passt zwar exzellent in mein unglaublich geschäftiges Leben, das zurzeit größtenteils daraus besteht, Blaubeeren zu sammeln, könnte aber befremdlich wirken für jemanden, der gerade einen virtuellen Fünfer in Richtung Blendo Games geschoben hat. Vielleicht braucht das hier ein wenig Hintergrund.
Ursprünglich war Thirty Flights of Loving als eine Belohnung für die Unterstützer der Idle Thumbs Kickstarter-Kampagne gedacht. Brendon Chung hat sich nun aber dafür entschieden, sein Spiel öffentlich zu machen. Das ergibt ziemlich viel Sinn — der “Vorgänger” Gravity Bone hat sich in gewisser Weise zu einem Kult-Spiel entwickelt. Gravity Bone ist ein stilvoller Agententhriller irgendwo zwischen Hitman und No One Lives Forever, aber noch wichtiger: Ein Spiel über Videospiele und eine Liebeserklärung an Terry Gilliams Surrealismus.
Thirty Flights of Loving ist anders. In vielerlei Hinsicht ist es Chungs ganz eigenes Dear Esther: Eine ambitionierte, experimentelle Erfahrung in Videospielform über Alkoholschmuggler, Verrat und Agenten. Wo Gravity Bone noch mit Konventionen gespielt hat, schlägt Thirty Flights of Loving sie in den Wind. Chung benutzt Jump Cuts, Rückblenden und surreale Traumsequenzen, um eine Geschichte entdecken zu lassen, statt sie Spielern aufzudrücken.
Das Erstellen einer solchen Entdeckungsreise ist erstaunlich komplex, wie der äußerst spannende Entwicklerkommentar im Spiel zeigt. Chung verzichtet komplett auf Dialoge, setzt Text nur spärlich ein und benutzt stattdessen Architektur, Musik und kleine Details im Leveldesign, um Spieler dazu zu bringen, die Geschichte selbst zusammenszusetzen.
Die 15 Minuten Spiel in Thirty Flights of Loving sind voller Humor und Andeutungen einer Welt außerhalb des Spiels. Für Robert Yang, einen Spielemacher und Modder, der sich selbst daran versucht, Geschichten in Spielen interessanter zu machen, ist das eine Offenbarung.
Ich bin auch geneigt zuzustimmen, nur … ich bin nicht sicher, ob das allen so gehen wird. Thirty Flights of Loving ist eine Offenbarung für alle, die sich intensiv mit Leveldesign und mit Geschichten in Spielen auseinandersetzen. Es ist perfekt für Liebhaber von Terry Gilliam, Dear Esther, Proteus, TRIP und Journey. Thirty Flights of Loving eignet sich aber nicht für Leute, die für 5 Euro ein enorm wiederspielbares, in Prozentwertungen quetschbares Spiel erwarten.
Vielleicht ist das aber auch einfach egal. Denn Thirty Flights of Loving ist nicht nur ein Spiel, das mich höchst perplex zurückgelassen hat. Es ist auch das erste Spiel, das mich eine Orange in der Egoperspektive hat essen lassen. Und das allein war es für mich persönlich wert.