TRI: Von Füchsen, Glitches und Befangenheit
Im Zuge des gerade an Popularität gewinnenden „Full Disclosures“ bin ich wahrscheinlich einer der ungeeignetsten und befangensten Menschen, die eine Meinung über den First-Person-Puzzler TRI haben. Wenn ich die Entwickler Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch auf Veranstaltungen sehe, muss ich etwaige Umarmungsreflexe unterdrücken (das klappt nicht) und zu Podcasts laden wir sie auch dauernd ein (das klappt). Ich mag Jana, ich mag Friedrich, ich mag Rat King, ich mag TRI. Take it, or leave it.
TRI ist fest verankert in der Portal-Designschule. Es gilt, komplexe, effektvoll minimalistisch gestaltete Labyrinthe zu durchqueren, um Fuchsstatuen einzusammeln und damit einen Durchgang ins nächste Level zu öffnen. Als Werkzeug dient dabei eine Art Leveldesign-Kanone. Mit dem namensgebenden TRI lassen sich in der Welt frei Dreiecke platzieren. Drei Punkte, gesetzt auf einer Oberfläche und automatisch verbunden werden zu Rampen, Leitern, Brücken und machen jede Oberfläche begehbar. Die Level in TRI sind Leinwände, auf denen Spieler völlig bizarre, wunderschöne Wege einzeichnen können. Über den Abgrund, die Wand hoch, runter in den Abgrund, im Kreis und zum Ausgang. Warum? Weil’s geht. Und weil Rat King Spielern vertrauen, ihre eigenen Wege zu finden.
Es gibt keine Brotkrumen, kein Hey, Dennis, listen!, keinen bösartigen Roboter, der stichelnd-liebenswert Hinweise äußert und keine Wegpunkte. Es gibt eine Hilfsfunktion, die … nicht hilft. Mit kleinen Symbolen zeigt sie an, wo die Statuen ungefähr versteckt sind, den Weg dazu allerdings nicht. Ich könnte auch sagen: TRI ist unübersichtlich und frustrierend und lässt mich viel zu lange ins Leere laufen. Tue ich aber nicht. Oder nur so halb. Das Schöne an TRI ist eben das Entdecken von Pfaden und eigenen Wegen. Es gängelt nicht, lässt mir Zeit. Das ist ungewohnt und manchmal auch verwirrend, wenn es nicht sofort weitergeht — letztendlich aber ziemlich befriedigend, wenn Innehalten, Nachdenken und Ausprobieren zum Erfolg führen.
Und manchmal führen Dinge zum Erfolg, die eigentlich gar nicht zum Erfolg führen sollten. Das offene Design und die vielen Möglichkeiten erlauben Rätsellösungen, bei denen ich nicht sicher bin, dass sie so beabsichtigt waren. In einem Level baue ich mir einen Backflip à la Tony Hawk aus Dreiecken, um gerade so — wenn der Mond richtig steht — einen pixelbreiten Absatz zu erwischen und an eine Kiste zu kommen, die ich vielleicht gar nicht so hätte erreichen sollen und damit einen Turm zu bauen, für den mir eigentlich immer noch ein Turmelement fehlt. Ich beende das Level und ein unbetätigter Schalter hinter einer Energiewand, die ich nicht hatte ausschalten können, guckt mich traurig an. Warum hast du mich nicht angemacht? Ich weiß es ja auch nicht! Jana, Friedrich? Habe ich alles richtig gemacht?
Weil TRI so viel Freiheit bietet (paradoxerweise in geschlossenen Labyrinth-Levels), gehen Dinge schief. Und irgendwie finde ich das so ganz gut. TRI ist überraschend in seinen möglichen Lösungen. Es ist kein perfektes Spiel im Sinne von: fehlerfrei, glattpoliert, Portal 2. Es ist mutig und kantig und dank einer Geschichte über niedliche Fuchsgötter überraschend liebenswert – eine Design-Entscheidung, die Jana und Friedrich übrigens bei der Arbeit an Web-Projekten für den Leipziger Zoo gekommen ist. Ich mag das. Sehr gerne sogar.