Video Games: The Movie

braff

“We played everything.” (Zach Braff)

Zach Braff, der quirlige Tausendsassa, den man hierzulande vor allem als den infantilen Internisten aus Scrubs kennt, einer US-amerikanischen Comedyadaption des deutschen Erfolgsformats OP ruft Dr. Bruckner, macht gerne Filme über Dinge, die er cool findet. Man erinnere sich nur an seinen bisher erfolgreichsten, Garden State, der die Karriere der Shins beflügelte und der Natalie Portmans zumindest nicht nachhaltig geschadet hat. Da Zach Braff auch eine Xbox besitzt, war er vermutlich rasch von Regisseur Jeremy Sneads kickstarterfinanziertem Dokumentarfilm Video Games: The Movie überzeugt, den er folglich als ausführender Produzent und Vorzeige-Testimonial betreute. Herausgekommen ist eine hundertminütige Reise durch die wundersame Welt der digitalen Bildschirmunterhaltung, deren Zauber eingefangen und Bit für Bit durchgekaut wird, als hinge das eigene Leben davon ab, auch noch den letzten Amischen vom Kauf einer Wii U zu überzeugen.

Der Aufbau des Films folgt dabei den üblichen Doku-Mustern. Zunächst gibt es eine recht langatmige PowerPoint-Präsentation, die anhand der unglaublichen wirtschaftlichen Zahlen die gesellschaftliche Relevanz und die Daseinsberechtigung des Films zu rechtfertigen versucht. 82% aller Kinder holen zum Beispiel zunächst die Erlaubnis ihrer Eltern ein, bevor sie ein Videospiel kaufen oder entleihen. Ein knalliger Start, der mich unbedingt mehr wissen lassen möchte. Und schon macht es sich Opa auf der Couch gemütlich und erzählt von früher. So ganz sicher ist er sich nicht mehr, ob nun Ataris Nolan Bushnell das Videospiel erfunden hat oder doch vielleicht die Schweizer. Vollständig lässt sich das nicht mehr rekonstruieren, aber da auch noch Shigeru Miyamoto mit in den Topf der möglichen Erfinder geworfen wird, darf man letztendlich schon froh darüber sein, dass die vielen Köche den Brei nicht komplett verdorben haben.

Es folgt der obligatorisch-historische Abriss über die Konsolen, auf denen unsere Eltern in ihrer ominösen Jugend daddelten. Atari 2600, NES, Sega Genesis, ja selbst ein Powerglove wird kurz eingeblendet. Da wirkt es schon leicht suspekt, dass weder C64, Amiga noch die PC GAMING MASTER RACE Erwähnung finden. Mir entfährt ein zischendes „Fanboys!“, doch rasch wische ich den Schaum wieder von Mund und Fernseher ab. Auch um weiterhin aufmerksam mitverfolgen zu können, wie sich urtümliche Werbespots mit wahllos zusammengeschnittenen Szenen ehemaliger Pixelabenteuer die Klinke in die Hand geben und mir Fähnrich Wesley Crusher von der USS Enterprise erzählt, wie er heimlich Zelda auf der Steuerkonsole zockte, wenn der Captain gerade mal nicht hinschaute.

Nach der mehr als lückenhaften geschichtlichen Aufbereitung wird zum Thema Kultur weitergeblättert. Denn Videospiele sind ja jetzt Kultur, da sie mehr Kohle scheffeln als Hollywood und Aerosmith. Hier geht es vor allem darum der Welt zu zeigen, dass Videospieler keine vereinsamten und gewalttätigen Soziopathen sind, sondern tatsächlich den Menschen hinter dem Dunkelelfen aus World of Warcraft bis vor den Traualtar zerren und auch darüber hinaus ein stabiles, soziales Umfeld pflegen. Ein Headshot kann schließlich auch der Beginn einer lebenslangen Freundschaft sein. Hier rüttelt man kräftig am negativen Image des Geeks und Videospiele werden sogar als lebenserhaltende Maßnahme für Schlaganfallpatienten beschworen. Das alles wirkt wie eine Dauerwerbesendung nachts auf Tele 5 und ist in seiner unkritischen und überschwänglichen Art an der Grenze zur Unerträglichkeit, weil ein solches Rechtfertigungsdenken eigentlich längst der Vergangenheit angehören sollte. Aber gut, vielleicht überzeugt man ja so auch Menschen wie Sabine Schiffer davon, dass man vor der Flimmerkiste hocken und dennoch wissen kann, wie sich Sonnenlicht auf der Haut anfühlt, wenn man mit Freunden gemeinsam ein Spanferkel grillt.

Brian_Fargo

“We’re just like any other industry.” (Brian Fargo)

Was noch fehlt ist ein Blick hinter die Kulissen. Ein Schwenk über die Entwicklermonitore in einem seelenlosen Großraumbüro. This is were the magic happens. Nun erzählen noch mal alle von der Schwierigkeit des interaktiven Storytellings und wie sie sich die Zukunft mit Virtual Reality vorstellen. Spoileralarm: Wird super! Außerdem gibt es noch seltsam eingeschoben wirkende fünf Minuten darüber, dass es ja auch Indiespiele gibt und dass das total spannend sei. So spannend, dass man schnell wieder zu den zusammengewürfelten Spielausschnitten wechselt und Peter Molyneux darüber faseln lässt, wie gerne er anderen Menschen mit seinen Spielen Spaß bereitet. Denn Spaß soll es ja schließlich machen, wenn man ein Videospiel spielt. Darüber sind sich in diesem Film alle Experten einig.

Video Games: The Movie möchte eine Lanze für Videospiele brechen und bricht ihnen dabei fast das Genick. Was hier gezeigt wird, gleicht von der Substanz und dem Vokabular her einer Apple-Keynote. Alles ist revolutionär, unglaublich und zukunftsweisend. Technik, die begeistert eben. Dass es aber auch Schattenseiten oder zumindest zweifelhafte Entwicklungen gibt, etwa den narrativen Stillstand großer Spielereihen, mangelhafte Diversität nicht nur von Geschlechtern und gewinnmaximierende Modelle wie Free-to-play, das verschweigt einem diese Dokumentation in nicht gerade unauffälligem Maße. Sie bildet ab, was sie abbilden will, aber tut damit weder sich selbst noch dem Medium einen Gefallen. Dass Spiele Kunst sind, darauf können sich im Film alle verständigen. Dass zur Kunst auch Kritik gehört, geht dabei leider völlig unter. Deshalb muss man den Film nicht gleich in der mexikanischen Wüste vergraben, doch sollte man sich auch nicht grämen, wenn man mitten im Film auf dem Sofa einnickt, während der andere Typ aus Scrubs davon erzählt, dass die Geschichten in Spielen genauso geil seien wie in Filmen und Büchern. Der mochte dann ja sicher auch Garden State.