GIGAntisch verladen: SEO-Keyword-Install.exe
Der Konkurrenzdruck im Onlinejournalismus ist bekannterweise hoch. Wenn sich zwischen den Stimmen von nationalen und internationalen Medienhäusern auch noch die von Amateurinnen und Amateuren mischen, ist es schwer, mit klassischen Konzepten Geld zu verdienen. Längst entscheidet nicht mehr der Name oder die Qualität allein, auch andere Faktoren sind für den Erfolg, der in Klickzahlen und Werbeeinnahmen bemessen wird, bedeutsam.
Ein Schlagwort aus diesem Bereich lautet “SEO”, “Search Engine Optimization”. Dahinter verbirgt sich eine Pseudowissenschaft, deren Ziel es ist, die komplexen Algorithmen großer Suchmaschinen möglichst effizient auszureizen. Es ist kein Skandal, kein gesellschaftspolitisches Drama, nicht mal eine Provinzposse. Aber das, was den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei giga.de zum Thema Suchmaschinenoptimierung einfiel, ist zumindest unterhaltsam. Denn was tut man, wenn man nicht genug Seitenzugriffe hat, aber schon längst über alles berichtet, was die bunte Welt der Videospiele zu bieten hat? Man schreibt zum Beispiel einfach über Dinge, über die man nichts berichten kann.
So geschehen bei der PC-Demo des eher missglückten Aliens: Colonial Marines. Dass eine solche Demoversion nie existierte, hält GIGA GAMES nicht davon ab, dem Thema gleich mehrere Absätze zu widmen. Doch damit nicht genug. Um Suchmaschinennutzer bei den Anfragen “colonial marines demo” oder “colonial marines download” zielsicher auf giga.de zu leiten, bietet man tatsächlich einen Download der Demo an. Eine Demo, die, wie bereits erwähnt, gar nicht existiert.
Hinter solchen Downloads verbirgt sich bei GIGA generell wenig. Manchmal verweist der Download-Knopf, nach einer Werbe-Weiterleitung, auf die Herstellerwebseite, oder man lädt sich über diesen Weg das offizielle Installationsprogramm für Valves Softwareplattform Steam herunter – selbstverständlich ohne die angepriesene Software. Doch in diesem Fall ist man noch einen Schritt weiter gegangen. Statt “SteamInstall_German.msi” bietet man den Nutzern ein verheißungsvolles Stück Software namens “Aliens—Colonial-Marines-Demo-Install.exe” zum Download an. Was wohl so ein Setup-Programm installiert, das es eigentlich gar nicht geben dürfte?
Nur gut, dass es virtuelle Maschinen gibt, mit denen man seine Neugier befriedigen kann. Ein simulierter Computer im Computer, so abgeschottet, dass man die Gefahr für das eigene System und die darin vorhandenen Daten zuverlässig minimieren kann.
Eine weise Entscheidung, denn das Programm, mit Softwarezertifikat ausgestellt auf die “GIGA Digital AG”, verhält sich bei der Installation wie gewöhnliche Ad- und Malware, also Werbe- und Schadsoftware. Blaue Checkboxen auf blauem Hintergrund, Installations-Popups von Software, die mit der ursprünglich beworbenen Angelegenheit rein gar nichts zu tun hat. Wer fleißig auf “Weiter” klickt, der hat am Ende der Prozedur nicht nur keine Colonial Marines Demo, sondern auch eine illustre Auswahl jener Software, der das Betriebssystem Windows seinen schlechten Ruf zu verdanken hat:
- ein Desktop-Icon, das die Startseite des Internet-Versandhändlers Amazon öffnet (mit Referral-Link, selbstverständlich)
- ein Amazon-Browser-Plugin
- eine Web.de-“Toolbar” im Internet-Explorer
- ein Web.de-Mailcheck-Icon in der Systray
- einen Systemdienst namens Foxy Security, der nicht näher kontrollierbare oder erläuterte Funktionen ausführt
- den offiziellen Steam-Client
Was die Software im Einzelnen tut, kann man den beigelegten Software-Lizenzvereinbarungen nur grob entnehmen. Dort verbirgt sich übrigens auch der Name des Softwarepaketes: “Software Download Assistent von giga.de” (SDA). Was der SDA installiert hat, lässt sich zwar über das Betriebssystem wieder entfernen, doch wer möchte schon jenen Menschen vertrauen, die ihre eigentlichen Absichten bis hierhin verborgen haben?
Was man mit Aliens treiben kann, funktioniert möglicherweise auch an anderer Stelle. Vielleicht beim Free-to-Play MMO LEGO Minifigures Online oder bei der iOS-Fassung von Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge? Beide Windows-Programme installieren ähnlich geartete Software wie im Falle von Colonial Marines, wobei sich das vermeintliche Monkey Island 2-Setup nicht zu schade ist, eine Verknüpfung auf die offizielle Webseite des Spieles zu installieren. Immerhin. Im Gegenzug klassifiziert Googles Webbrowser Chrome die Datei “Monkey-Island-2-Install.exe” bereits beim Herunterladen als Schadsoftware und blockiert die einfache Ausführung.
Auch außerhalb von Spieledemos schlägt GIGAs Ideenreichtum zu, etwa beim Aufnahmetool FRAPS, Cloudspeicher Dropbox oder dem Grandiosen Bildverkleinerer. Man darf sich fragen, ob die jeweiligen Urheber mit der Verwendung ihrer Marken in diesem Zusammenhang einverstanden sind. Auf Anfrage würde man die betreffende Software sofort entfernen, “Dies ist in den letzten Jahren nur ein paar mal vorgekommen und führte zu keinen Problemen.“, so Fabian Kröll von GIGA.
Welche Ad- und Malware im Einzelfall angeboten wird, ob sie korrekt installiert oder ob nach dem Download-Klick überhaupt ein derart präpariertes Installationsprogramm geladen wird, ist unter anderem von Betriebssystem, Browser, verwendeter Adblock-Software und wohl auch der Tagesform des GIGA-Servers abhängig. Es mag sein, dass unsere Ergebnisse in ein paar Tagen so nicht mehr nachzustellen sind. Einige Pakete scheinen vom SDA zudem erst bei der Installation geladen zu werden, so wurde bei unseren Tests die Web.de-Toolbar zwischenzeitlich sogar ohne jede Nachfrage installiert.
Wie eingangs erwähnt, ist dies kein Anlass, um laut “Skandal” zu rufen. Nutzerinnen und Nutzern ungewollte Software unterzujubeln, ist nicht unüblich, selbst große Firmen wie Adobe versuchen dies immer wieder. Allerdings, das muss man Adobe zugutehalten, installiert das Flash-Player-Installationsprogramm wenigstens den Flash-Player — und tarnt sich nicht als Videospiel-Demo.
Die Frage bleibt: Lohnt sich das alles? Da müssen sich Menschen wochenlang mit der Frage befasst haben, wie man Google das Vorhandensein nicht existenter Downloads einreden kann. Zwischen Kaffee, Keksen und einem verstaubten Grimme-Online-Award hat man die Installationssoftware programmiert, Partnerschaften geschlossen und seelenlose Texte für die Webseite verfasst.
Alles unter GIGAs Maxime: “Unabhängiger, lebendiger, informativer Content.”
Auf unsere Anfrage, wieso GIGA den Eindruck erwecke, es handle sich beim Download ihres “Software Download Assistenten” um Spieledemos oder Anwendersoftware, teilte GIGA-Vorstand Fabian Kröll mit: “Dieses Problem kennen wir bereits und arbeiten kontinuierlich daran, für einzelne Titel den Besucherfluss noch zu verbessern. Dieser manuelle Prozess ist jedoch aufwendig und kostet seine Zeit.”
Detaillierte Informationen über die Softwareinhalte, die über GIGAs Installationsprogramm tatsächlich angeboten werden, lägen GIGA leider nicht vor. Nutzerinnen und Nutzer könnten sich jedoch in den Lizenzbedingungen vorab informieren. Zudem würden die Software-Angebote täglich über den Dienst Virustotal überprüft.