How Dare You! #05: Steven Colling
“Disziplin ist wichtiger als Leidenschaft.”
Irgendwo in einem kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz, nahe am Rhein gelegen und nur einen Steinwurf von Karlsruhe entfernt, hausiert Steven Colling. Vor gut anderthalb Jahren hat der 26-jährige sein Master-Studium in Informatik abgeschlossen und entwickelt nun in Vollzeit Spiele von zuhause aus. In unserem Gespräch hat er mir eröffnet, welche Rolle das Ludum Dare dabei einnimmt, wie seine Arbeit aussieht und was er sich für die Zukunft erhofft.
Steven hat bereits sein erstes, käuflich erwerbliches Spiel namens The LootCastle herausgebracht. Dieses basiert auf einem seiner älteren Ludum Dare-Beiträge namens Path to Death: “Mir gefällt die Idee, einen winzigen Teil eines größeren Konzepts herauszunehmen und mich mit diesem zu beschäftigen. In diesem Fall waren das Skill Trees, also im Grunde eine Spielsituation, die jeder kennt: Aufgefordert zu sein, aus den gegebenen Bausteinen eine sinnvolle Strategie zusammenzustellen.” Diese Grundidee hat er bereits des Öfteren verfolgt, sind doch seine Einreichungen Glass Heart Empire und Dragon Chambers ebenfalls ludische Untersuchungen von Spielmechaniken.
Sein zweites, größeres Projekt Orcish Inn befindet sich aktuell noch in der Produktion. Bisher kann Steven nicht allein von seinen Spielen leben, jedoch lässt er sich davon nicht demotivieren: “Ich versuche schon jetzt via Patreon ein wenig Geld für die entstehenden Unkosten zu sammeln. Den kommerziellen Part der Spieleentwicklung – also den Schritt, aus einem Spiel ein Produkt beziehungsweise eine komplette, runde Erfahrung zu erschaffen – halte ich für sehr interessant. Ich finde es schade, dass Indie und Geld verdienen oft etwas negativ konnotiert sind. Dabei kann der Umstand, Geld für ein Spiel zu verlangen, auch positive Auswirkungen auf das Spiel haben, beispielsweise im Bereich Polish, Service und Support.”
Im Ludum Dare sieht er ein wertvolles Ereignis, bei dem er aus seinem normalen Entwickler-Alltag ausbrechen kann: “Es wird der komplette Entwicklungsprozess auf ein kleines Zeitfenster abgebildet. Man lernt dabei viel über sich selbst und findet Fehler in seiner Vorgehensweise. Es hilft einem zu begreifen, wie die einzelnen Bereiche und Arbeitsschritte der Spieleentwicklung ineinander laufen.”
So entpuppt sich auch seine erste Erfahrung mit dem Gamejam als das Abziehbildchen unter den Amateur-Jammer-Geschichten: “Der Klassiker: Totaler Anfänger, große Ambitionen, so richtig verzettelt und wenige Stunden vor Schluss ein kleines, unsinniges, aber spielbares Etwas zusammengeschraubt, welches fortan bei mir als die berühmte Leiche im Keller gilt.” Doch der Spaßfaktor für Steven war trotzdem hoch genug, um seitdem jedes Mal aufs Neue mitzumischen. Glücklicherweise, denn erst durch den Gamejam entstand eine fruchtbare Kooperation und Freundschaft, die bis heute anhält.
Mittlerweile arbeitet er öfter mit Tilmann Hars alias headchant zusammen – einem anderen deutschen Ludum-Dare-Teilnehmer. Dieser zeichnet sich beispielsweise für die Musik und Sound-Effekte bei The LootCastle und Orcish Inn verantwortlich. Kennengelernt haben sie sich dank einer Recherche Stevens “Auf der Ludum Dare World Map klickte ich auf Tilmanns Ludum-Dare-Profil. Wir haben uns anschließend zusammen mit anderen getroffen, die ebenfalls am Ludum Dare teilnahmen oder Interesse daran hatten. Zukünftige Jams wurden dann zusammen unternommen und seit er für ‘The LootCastle’ den Audiopart übernahm, haben wir fast ständig miteinander zu tun.”
Eine Kollaboration könnte sich Steven aber auch noch mit zwei weiteren, wohlbekannten Herren vorstellen: Benjamin Soule sowie Managore. Beide beeindrucken ihn immer wieder aufs Neue mit der unglaublichen Qualität, die sie in so einer geringen Zeitspanne abliefern können: “Mit ihnen an einem kleinen Spiel zu arbeiten und sich gemeinsam mit einer Spielidee auseinanderzusetzen, wäre unglaublich interessant für mich.”
Als das wichtigste Element eines Spiels erachtet er den Flow: “Vom Knobelspiel über den Action-Plattformer bis hin zum komplexen Strategiespiel gibt es diesen Zustand, in welchem der Spieler hochkonzentriert ist, alles um sich herum vergisst und völlig im Spiel aufgeht. Dieser Flow sollte aber auch nachträglich zufriedenstellen. Ich hasse das Gefühl nach einem Spiel, auf billige, suchterzeugende Tricks hereingefallen zu sein und die verbrachte Zeit nachträglich zu bereuen.” Eine derartige Manipulation lehnt er komplett ab. Diese Einstellung macht sich auch in seinem LD32-Beitrag Dino Bombing bemerkbar: Dort geht es allein um den Spaß und die Genugtuung dabei, wenn man möglichst effiziente Kombinationen von Bomben-Modifizierungen entdeckt hat.
Kurz bevor unser Gespräch endet, hat Steven doch noch ein paar Worte zu verlieren: Er möchte sich über die mögliche zukünftige Entwicklung von Finanzierungsmethoden für Spieleentwickler*Innen äußern:
“Ich hoffe, dass sich Finanzierungsmethoden wie Patreon gegenüber herkömmlicher Methoden durchsetzen. Bekäme ein Entwickler genug Geld von seinen Unterstützern, so könnte er sich auf die wichtigen Bereiche der Entwicklung konzentrieren und gleichzeitig zeitaufwendige No-Go-Features angehen, ohne eine auslaufende Finanzierung im Nacken zu haben. Dass das momentan noch nicht funktioniert, liegt meiner Meinung nach weniger am Interesse der Spieler, als an der Sichtbarkeit dieser Plattformen. In den letzten Jahren haben sich Spiele vom Produkt zu einem Service entwickelt. Wer weiß, vielleicht kann man in ein paar Jahren nicht einfach nur Spiele auf Steam kaufen, sondern Spieleentwickler für ein paar Euro im Monat abonnieren? Das wäre klasse.”