How Dare You! #10: Tilmann Hars alias headchant

Tilmann Hars alias headchant

“Musik spielt immer eine Rolle als Inspiration.”

Es ist die Nacht von Freitag, dem 17. April 2015, auf Samstag Nacht. Die Uhrzeiger stehen auf fünf Minuten vor Drei. In Karlsruhe sitzt der 29-jährige Tilmann Hars – auch als headchant bekannt – noch vor seinem Rechner und lungert im IRC-Channel des Ludum Dares herum. Er wartet darauf, dass endlich das neue Thema verkündet wird. Dann geschieht es: An Unconventional Weapon. Er denkt noch einmal kurz nach, daraufhin geht er schlafen. Schließlich werden die nächsten 48 Stunden große Anstrengungen wie auch Adrenalinschübe für ihn bedeuten.

Headchant, der Name ist Programm: “Es bedeutet im Prinzip das, was in meinem Kopf abläuft. Die ganze Zeit singt da jemand.” Womöglich vernebelt auch der Gesang einer Ludum Dare-Sirene seine Synapsen, hat er doch seit der 20. Ausgabe des Gamejams kein einziges Mal verpasst.

Manche von euch kennen ihn vielleicht durch seinen Ludum Dare 29-Beitrag Kinetectonic, für das er verdientermaßen den dritten Platz in der Kategorie Innovation erhielt: “Das Thema war ‘Beneath The Surface’ und das habe ich einfach wortwörtlich umgesetzt. Man zieht Dinge aus der Erde und baut sich damit passende Combos, um weitere Dinge aus der Erde zu ziehen. Die Mechanik erwies sich als sehr interessant. Vielleicht baue ich die eines Tages noch aus.”

Kinetectonic

Tilmann nutzt für seine Spiele die 2D-Engine Löve mitsamt einer eigens konstruierten Boilerplate. Die Liebe für dieses Werkzeug ist enorm, hat er doch beispielsweise genau dafür kleinere Tutorials sowie ein eBook verfasst, um Anfänger*Innen unter die Arme greifen. Seiner Ansicht nach ist die Angst vor der technischen Hürde bei vielen interessierten Leuten noch viel zu hoch, daher wollte er helfen, diese leichter zu überwinden. Er ist einfach ein rundum hilfsbereiter Kerl.

Das zeigt sich auch in seiner Zusammenarbeit mit Steven Colling, den er durch das Ludum Dare kennengelernt hat. Hin und wieder stand Tilmann ihm zur Seite, um auf akustischer Ebene auszuhelfen. Generell lässt sich eine sehr musikalische Ader bei ihm vorfinden, wie seine Soundcloud-Seite beweist: “Ich mag es, Musik zu improvisieren oder zumindest sehr schnell und in einem Rutsch zu erstellen. Das hat sich vielleicht auch auf meinen Prozess Spiele zu entwickeln ausgewirkt, denn den langen Atem, den man bräuchte, um ein größeres Spiel durchzuziehen, hatte ich bisher nicht.”

Womöglich zeigt er sich deswegen von zwei anderen Ludum Dare-Teilnehmern äußerst beeindruckt: Alan Hazelden – bekannt durch Spiele wie Sokobond und You’re Pulleying My Leg – verehrt Tilmann wegen dessen überragendem Puzzlescript-Talent, aber auch den dreifachen Jam-Champion deepnight: “Ihm würde ich zumindest mal gerne während eines Ludum Dares über die Schulter schauen. Der macht jedes Mal unglaubliche Dinge!”

SFW

Um seine eigenen Fähigkeiten und Programmierkenntnisse ständig zu erweitern, testet er immer wieder neue Technologien sowie Bibliotheken aus. Für Tilmanns neusten Ludum Dare-Beitrag SFW (Super Fruit World) fiel die Wahl aber doch wieder auf Löve. Entstanden ist ein zu Beginn frustrierender, aber dank der steilen Lernkurve äußerst amüsanter Permadeath-Plattformer. Wer statt Koffeinzufuhr lieber einen Hauch Hektik zum Aufwachen einnehmen möchte, ist hier bestens bedient.

Wie bei SFW schon anklingt, ist Tilmann eher der Typ für action-lastige Spiele. Für ihn ist die Kernmechanik und die damit verbundene Interaktionsfülle das Ausschlaggebende. Eine zu passive Haltung einzunehmen, ist eben nicht sein Stil: “Ich will viel interagieren! Ich hoffe, das versteht man nicht falsch. Ich mag auch Spiele, die rein narrativ sind – aber bei zu viel Text macht mein Hirn einfach irgendwann dicht.” Sein persönliches Steckenpferd ist eben der Designprozess an sich, insbesondere das Kreieren eines Regelwerks und die Konzeption des Spielsystems.

Und bevor auch dieses Portrait zu viel Material in einen einzigen Text zu stopfen versucht, soll als Abschluss Tilmanns Einschätzung, welchen Nutzen das Ludum Dare für Spieleentwickler*Innen haben kann, dienen: “Es bietet nicht nur die Chance ein komplettes Spiel alleine zu erstellen, sondern dieses danach auch einem interessierten Fachpublikum vorzustellen. Die Rating-Phase ist mindestens genauso wichtig wie die Compo selbst!”

Für die Artikelreihe “How Dare You!” hat Sebastian Ludum Dare-Teilnehmer*Innen aus aller Welt interviewt und portraitiert sie in Textform. Vom 20. April bis zum 10. Mai 2015 erscheint täglich ein neues Portrait.