How Dare You! #17: René Rother alias primaerfunktion

René Rother alias primaerfunktion

Am Ende blieb nichts über: René Rother hat versehentlich während des 32. Ludum Dares sein Projekt Asymptote gelöscht. Obwohl… Nein, das trifft es nicht ganz. Asymptote hat sich selbst gelöscht. Es sollte ein Spiel werden, das sich nicht gewinnen ließe, weil es kurz vor dem Erreichen der Ziellinie alle zu sich gehörenden Dateien eliminiert hätte. Ironie des Schicksals, aber kein Grund zur Trauer.

René studiert Grafik-Design, ein Zubrot verdient sich der 25-jährige Niedersachse als Yoga-Trainer. Seine Spiele monetarisierte er bislang nicht, weil er die Entwicklung wie Programmierung nur als Hobby verfolgt. Aktuell arbeitet er jedoch an dem Roboter-Action-Titel RK3000. Mit Ausnahme von Musik und Sounds, wofür er immer wieder die Weiten des Internets nach frei verwendbaren Sachen durchwühlt, produziert er sämtliche Komponenten auf eigene Faust.

“Ich habe gerade das dringende Bedürfnis etwas wirklich Persönliches zu machen. Ich möchte etwas über eine Sache machen, die mich aktuell sehr beschäftigt. Aber wie es aussehen und funktionieren wird, das weiß ich noch überhaupt nicht.”, erzählte mir René kurz vor dem 32. Ludum Dare. Welche Angelegenheit in seinem Kopf herumschwirrte, verriet er mir nicht. Jedoch bietet Asymptote – das Spiel, welches kurzzeitig existierte und sich dann selbst verdammte – ein mannigfaltiges Interpretationspotenzial. Vom Titel hin zur Figur und wieder zurück zum mechanischen Kern lassen sich Spuren für die Person dahinter finden. Doch genug der Spekulation.

Neben dem Ludum Dare hat René bislang auch an 7DFPS mit Adams Drive 32 sowie am Space Cowboy Game Jam mit Shot Aground teilgenommen. Letzteres wurde für so gut befunden, dass es mit einigen anderen Titeln in einer texanischen Wüste beim Marfa Film Festival vorgeführt wurde. Den meisten Leser*Innen dürfte aber insbesondere Whiteout von ihm im Gedächtnis geblieben sein.

Whiteout

“Whiteout kommt von einem anderen Platz als alles andere, was ich bis dahin gemacht habe. Es geht nicht um Mechaniken. Es geht um Atmosphäre und darum sich in diesem virtuellen Raum zu bewegen, Sachen zu entdecken. Das Ganze ist nicht so kühl wie meine anderen Beiträge – eher emotionaler.” Daran wollte er mit Asymptote anknüpfen: Es sollte ein Spiel ganz ohne Waffen oder Gewalt werden, das Erfahrungen an die Spielenden heranträgt.

Mit dem Ludum Dare fing er mitunter deswegen an, um als Spieleentwickler eine breite Palette an Meinungen zu seinen Projekten zu erhalten. Der andere Grund dafür aber, warum er gerne daran partizipiert, ist paradoxerweise seine innere Lethargie. Er braucht einfach den Zeitdruck, um eine Sache zu Ende zu bringen: “Davor habe ich schon ein oder zwei Jahre hinweg an verschiedenen Sachen – nur so für mich – herumexperimentiert. Doch ich habe nie ein Ende gefunden, irgendwann einfach die Motivation verloren und dann einfach was Neues angefangen. Den Gamejam hielt ich deswegen für eine ganz spannende Idee: Um etwas fertig zu bekommen, das dann aber auch mit Sicherheit von anderen gesehen wird.”

Der Einstieg in die Spieleentwicklung fiel ihm wahnsinnig schwer. Schon seit geraumer Zeit wollte er sich damit befassen, doch die Programmierkenntnisse fielen ihm nicht in den Schoß. Eine autodidaktische Einarbeitung in Flixel und ActionScript scheiterte mehrmals. Irgendwann kam aber Stencyl, und damit auch die Wende für ihn: “Stencyl ist ein Programm, mit dem man relativ leicht Flash-Spiele machen kann. Damit habe ich dann The Incredible Unicorn VS The Third Reich erstellt, was dann auch auf Superlevel landete. Das war unfassbar motivierend. Im Grunde muss ich mich also bei euch und im Speziellen bei Arne bedanken.”

Den kreativen Akt bei der Spieleentwicklung hält René für eine aufreibende, nie langweilige Tätigkeit. Sobald eine konkrete Idee in seinem Kopf herumflattert, ist er höchst motiviert und fängt einfach an. Dabei stößt er zwar ständig auf neue Probleme, wodurch alles in sich zusammenfallen droht, doch selbst das macht ihm gewissermaßen Spaß: “Das ist dann auch wieder ein spannender Moment. Wenn auf einmal alles zerbricht und es sich anschließend wieder zu etwas Neuem zusammensetzt.”

Asymptote

Die Entwicklung eines Spiels wird damit für ihn selbst zu einem Spiel. Mit der steten Herausforderung im Nacken kreiert René immer wieder neue Lösungsstrategien und kann so seinen eigenen Horizont erweitern: “Dran bleiben. Nicht aufgeben, auch wenn alles nicht so wirklich klappt. Am Ende entsteht dann meistens doch noch etwas und man hat etwas gelernt.” Selbiges gilt auch für Asymptote, woran er sich noch einmal versuchen wird. Wenn also getreu Hermann Hesse jedem Anfang ein Zauber innewohnen soll, so auch jedem Scheitern, wenn man denn nur genügend Ehrgeiz besitzt.

Für die Artikelreihe “How Dare You!” hat Sebastian Ludum Dare-Teilnehmer*Innen aus aller Welt interviewt und portraitiert sie in Textform. Vom 20. April bis zum 10. Mai 2015 erscheint täglich ein neues Portrait.