How Dare You! #18: Sarah Hiebl alias sarfish
Schon der 2011 verstorbene Kabarettist Georg Kreisler besang die Schönheit Wiens, welche insbesondere dann zu ihrem vollen Antlitz finden würde, wenn nur ihre Bewohner*Innen nicht wären. Die Botschaft: So mag die Architektur zwar eine wundervolle sein, doch die dort lebenden Menschen und ihre Aufgesetztheit vermiesen alles. Wer diese Vorbehalte ernstnimmt, darf heute ein grandioses Konterbeispiel kennenlernen: Sarah Hiebl, gebürtige Wienerin, idealistische Spieleentwicklerin und ein sehr authentischer Mensch.
Heutzutage lebt die 22-jährige in Wien wie auch in Linz, wo sie an der Kunstuniversität im Bachelor Zeitbasierte und Interaktive Medien studiert. Neben dem Studium erstellt sie beruflich Webseiten, aber ihre eigentliche Faszination liegt eben doch woanders: “Spiele sind für mich aktuell das Medium, um mich künstlerisch auszudrücken. Ich würde es nicht als bloßes Hobby bezeichnen, aber Geld möchte ich dafür trotzdem nicht.”
Für ihr Matura schrieb Sarah eine Arbeit zur Thematik, inwieweit Blinde als Kunstschaffende auftreten: “Ich bin bis heute davon beeindruckt, dass Leute ohne Augenlicht so schön visuell gestalten können und denke, dass Wahrnehmung viel mehr hinterfragt gehört. Die meisten Blinden können auch zeichnen, eigentlich alle! Und keiner weiß es!” Videospiele sind ihrer Meinung nach ein geeignetes Medium, um derartige Zustände und Gedankenwelten zu transportieren. Für Sarah fehlt es an Titeln, die sich mit Blindheit, aber auch generell mit geistigen wie physischen Beeinträchtigungen, beschäftigen.
Meine Spiele lassen mich als nachdenkliche Person erscheinen. Dabei lese ich jeden money boy tweet und von Foucault nur das Deckblatt.
— Feminem (@inyoursigh) 26. April 2015
Irgendwo im Themenspektrum zwischen Wahrnehmung, Perspektive und Realität lassen sich Sarahs Spiele, wie beispielsweise das im Rahmen des 31. Ludum Dares kreierte Forsaken, Close und auch Alhazen verorten. Der Grund dafür liegt womöglich in ihrer Kindheit: “Mein Vater schrieb da gerade seine Diplomarbeit über die Matrix. Aber ganz unabhängig davon hat mich die Thematik rund um Traum, Simulation und Wirklichkeit immer schon sehr interessiert.” So überrascht nach einem intensiveren Blick auf diese Titel ihr Fundus an Inspirationsquellen kaum: “Waking Life”, “Paprika” und “Ghost in the Shell” flossen ungehemmt in ihre Hirnströme ein, während die Werke Jason Rohrers sowie Tale of Tales’, aber auch Myst I bis IV sie mit offenen Armen empfingen.
Sarah sieht sich selbst als Amateurin in der Spieleentwicklung und arbeitet meist allein, wobei sie durch ihre autodidaktische Ader als Dilettantin – im positiven, originären Sinne des Wortes gemeint – ein besonderes Charisma ausstrahlt. Sie hat Freude an dem, was sie tut und wenn doch mal etwas nicht auf Anhieb klappt, werden kleine Tricks und Lösungsalternativen gefunden. Am Ende geht es schließlich nur um eine Sache: “Mir ist es nur immer wichtig, dass man versucht, eine gewisse Art von Innovation zu schaffen. Sei es nun im Gameplay oder in der Handlung.”
Als sie das erste Mal am Ludum Dare partizipiert hat, konnte sie leider am Ende nichts einreichen. Im Wiener Metalab traf sie sich mit anderen Entwickler*Innen, von denen sie bislang niemanden kannte. Ihre Gruppe war zwar sehr freundlich, wie sie ausführt, doch deren Motivation war nicht so hoch wie ihre: “Leider waren sie nicht so sehr dahinter und deshalb wurden wir nicht einmal annähernd fertig. Meine zweite und zugleich erste ‘richtige’ Ludum Dare-Erfahrung war dann letzten Dezember in Linz. Ich habe nicht nur teilgenommen, sondern auch gleich ein Event dazu organisiert! Das war super – und die erste Teamarbeit, die mir echt Spaß gemacht hat!”
Diesmal hat sie es zwar nicht geschafft für das Ludum Dare etwas einzureichen, jedoch hat sie kürzlich für den Adventure Jam gemeinsam mit Alexander Böhm und Elisabeth Baumgartner das surrealistische Point’n’Click-Adventure Mary Woke Up Today geschaffen. So unklar, wie die Konturen der Protagonisten entlangflimmern, ist auch der Status der kompletten Welt, in der sie sich befindet.
Auch, wenn es diesmal nichts mit einem neuen Beitrag wurde, so ist Sarah doch jetzt schon sehr glücklich mit ihrer Passion für Gamejams. Euphorisch redet sie über die eingeschworene, riesige Gemeinschaft, welche für sie den wohl großartigsten Faktor darstellt: “Du lädst dein Spiel hoch und bekommst schon einen Tag später wahnsinnig viel Feedback. Beim Lesen der Kommentare merkst du auch richtig, dass die Leute das wirklich gespielt haben! Das ist ein einmaliges Gefühl. Plötzlich gibt es über dein Spiel Interpretationen, Let’s Plays, Tweets! Das ist wirklich sehr schön.”
Überhaupt ist Sarah eine äußerst kontaktfreudige Person, die sehr am Austausch mit anderen interessiert ist, da man dabei eigentlich immer nur etwas dazulernen und neue Arbeitsweisen wie Perspektiven entdecken kann. Als ich sie nach anderen “Ludum Dare”-Teilnehmer*Innen frage, mit denen sie womöglich mal zusammen ein Spiel kreieren wollen würde, kann sie gleich eine ganze Palette an Namen nennen: Sos Sosowski, Leafthief, Amy Dentata, Jordi de Paco, aber auch unseren guten, alten Freund Dominik Johann. Doch auf diese Auflistung will sie nicht festgenagelt werden, weshalb sie sich in folgender Art an alle Leser*Innen richtet: “Ich bin immer offen für Kollaborationen. Ihr findet mich Internetz, yo!”