Ein Videospiel-Festival auf der Suche nach sich selbst.
Das Play-Festival in Hamburg ist so etwas wie die jährliche Neuauflage der eigenen Lieblingsspielreihe. Hier und dort wird ein wenig Feintuning betrieben, doch im Kern bleibt es sich treu. Darum war auch die bereits achte Neuauflage wieder absolut einen Besuch wert, auch wenn ich dieses Mal ein wenig mit manchen Neuerungen fremdelte.
Denjenigen, die das Play-Festival nicht so wirklich zwischen all den Gamescoms, A Mazes und nachmittäglichen Spielesessions mit dem besten Freund einzuordnen wissen, sei gesagt, dass es am ehesten irgendwo zwischen den beiden Letztgenannten anzusiedeln ist. Das liegt zum einen an der recht überschaubaren Besucherzahl, zum anderen aber auch an der Fragmentierung der Veranstaltungsorte und einer sehr schwer zu definierenden Zielgruppe. Die seltsame Mischung aus kindlicher Verspieltheit, Hochschulreferaten und überaus sympathischem Dilettantismus lässt zwar ein schlüssiges Gesamtkonzept vermissen, bietet aber auch jede Menge Raum für Überraschungen.
Einige davon konnte man in der zentralen Ausstellung entdecken, die abermals nicht durch Masse glänzte, aber für mein degenerierendes Hirn immer noch genügend Reizpunkte setzte. Erste Überraschung: Mein Lieblingsspiel des gesamten Festivals verbindet alles, was ich nicht mag, zu einem so tollen Gesamtkonzept, dass ich völlig vergaß, dass ich das ja alles überhaupt nicht mag! Mimics ist nämlich nicht nur ein mobiler Titel für iOS (Würg!) und ein superzugängliches Partyspiel (Bäh!), sondern setzt zu allem Überfluss auch noch das Machen von Selfies voraus ( (╯°□°)╯︵ ┻━┻ ). Aber so lustig und charmant, wie das mimische Nachäffen von vorgegebenen Comicbildchen gestaltet ist, da war selbst meine durchdringende Bitterkeit in Windeseile gebrochen.
Ansonsten schien in diesem Jahr der Fokus besonders auf möglichst unkonventionelle Eingabemethoden zu liegen. Mit VR-Brille, Eye-Tracking, einem Gymnastikball, Plüschlanzen bis hin zu einem modifizierten Schuhspanner gab es zahlreiche Versuche, die nach wie vor hohen Einstiegshürden von Videospielen zu umgehen und die Neugierde in den Vordergrund zu stellen. Ein toller Nebeneffekt, Fans und Neulinge des Mediums gleichermaßen anzusprechen, auch wenn nicht alle Titel durchgehend gelungen sind. Aber Versuch macht ja bekanntlich kluch.
“Superlevel zu verlassen war der größte Fehler meines Lebens.”
Apropos „kluch“: Es gab sogar ein plattdeutsches Let’s play, das ich leider verpasst habe und gerade bemerke ich, das „kluch“ überhaupt kein Plattdeutsch ist und möchte mich deshalb ausdrücklich bei meinen plattdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern entschuldigen, sollte ich ihren Stolz mit meiner Unkenntnis verletzt haben. Jedenfalls war man sich erfreulicherweise auch für ein paar quatschige Momente nicht zu schade, was allein schon die Eröffnung des Festivals durch ein Live-Interview mit der imaginären Figur Torsten Bage der imaginären Band Fraktus über deren imaginäres Spiel Smirkey’s Dopehouse bewies.
Von den Workshops habe ich leider nicht so viel mitbekommen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass viele Menschen viel Spaß beim Musikmachen mit Gameboys hatten. Oder mit dem Erstellen von Machinimas und eigenen Let’s plays. Oder beim Backen auch. Entschuldigung, es gab so viel, das schafft doch kein einzelner Mensch anzugucken. Was ich aber mitbekommen habe, sind diverse Talkrunden, durch die abermals der galante Gastgeber Uke Bosse führte. Aus unerfindlichen Gründen wurden jene in diesem Jahr in unmittlelbarer Nähe zur Rezeption und zur Bar abgehalten, so dass selbst ein lockerer Typ wie Uke bisweilen den zu laut schnackenden Pöbel zur Räson bringen musste. Like a Bosse!
Insgesamt blieben die Gesprächsrunden allerdings ziemlich fad und wenig aufschlussreich, ganz im Gegensatz zu den lebhaften Diskussionen im letzten Jahr. Unter den Gästen herrschte kaum Austausch, so dass es zumeist bei einem einfachen Frage-Antwort-Wechsel blieb und auch die Wahl der Diskutanten wirkte bisweilen wenig durchdacht. Was machte etwa ein bekennender Bücherfeind wie Manuel Fritsch, der langjährigen Superlevel-Leserinnen und –Lesern am ehesten als Vorleser der Rezension zu The Novelist bekannt sein dürfte, in einer Runde zum Thema „Literatur und digitale Spiele“? Auch beim Thema „Computerspiele(n) als Beruf“ gab es kaum Einsichten, wie und wie viel man etwa als Journalist, Entwickler, Publisher oder PR-Mensch verdient. Stattdessen schwelgte ein Ex-Fifa-Profi in Erinnerungen, eine Medienpädagogin (die auch dem Festivalkomitee angehörte) schwärmte vom Medium an sich und dann war da noch der junge Mann, der die Emails für PietSmiet beantwortet… und plötzlich wurde dann doch lieber über Möpse geredet. Der Fairness halber sei erwähnt, dass es sich immerhin um die Hunderasse handelte. Besonders schade ist das alles, weil erstmals die Aufzeichnungen der Talks über den Twitch-Kanal der Rocketbeans auch einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurden.
Als krönenden Abschluss mietete man schließlich noch den Spiegelsaal des Hamburger Museums für Kunst & Gewerbe, in dem die besten Spiele mit einem Award bedacht wurden. Auch dieser semipompöse Schlusspunkt offenbarte noch einmal die fehlende Geradlinigkeit bei der Festivalorganisation, mischten sich doch hier Galaoutfitträger unter Menschen mit Baseballcaps und Linux-Hoodies. Jeder wirkte so wahlweise komplett under- oder overdressed. Auch das Zeremoniell der Auszeichnung der vermeintlich Besten passte nicht so recht in das Bild einer Veranstaltung, die doch eigentlich das Ausprobieren und die Neugierde in den Vordergrund stellt, nicht den Wettstreit.
Am Ende war das aber auch allen ganz schnell wieder egal. Da hingen dann „Sieger“ und „Verlierer“ gemeinsam vor den Bildschirmen, die vor dem Saal aufgebaut waren, zeigten sich gegenseitig ihre Spiele oder suchten zusammen nach dem Grund, warum diese gerade nicht funktionieren. Eine Szene, die sinnbildlich für ein Festival steht, das sich auch in seiner achten Auflage noch nicht so ganz gefunden hat und vielleicht genau deswegen Menschen zusammenbringt, die sich sonst niemals getroffen hätten.