5 aus 16: Harald

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Hallo, Jahresende jetzt! Abermals ist dies eine willkommene Zeit, um ein Fazit zu ziehen. Viele machen das. Ganz oft sagen dann die vielen, dass 2016 ganz furchtbar war. Aber eigentlich nur, wenn man weiß, was in der Welt so vor sich gegangen ist. Wer sich stattdessen in einem Atomschutzbunker mit den Spielen verschanzt hatte, die in den kommenden Tagen auch die Toplisten der Superlevel-Autorinnen und -Autoren ausfüllen werden, wird 2016 sicher in besserer Erinnerung behalten. Denn rein videospielmäßig betrachtet war das Jahr doch ganz okay.

Freut euch also über tolle Titel und die dazugehörigen Liebesbekundungen und vergesst bitte auch nicht, eure persönlichen „5 aus 16“ in unserem schönen Forum zu hinterlassen. Sonst hätten wir das Thema ganz umsonst aufgemacht.


The Last Guardian

Ja, da habe auch ich drauf gewartet, seit sich meine PS3 zum ersten Mal mit dem Internet verbunden hat. Vielleicht muss ich auch noch dazu sagen, dass ich damals einen Hund hatte. Das erklärt doch irgendwie alles. ICO und Shadow of the Colossus habe ich danach erst gespielt und erwähne sie seither immer dann, wenn ich Menschen, die nur aus Höflichkeit Interesse zeigen, von der Schönheit digitaler Spiele überzeugen will.

2016 ist mein Hund gestorben. Und The Last Guardian ist tatsächlich erschienen, als Symbiose der beiden Vorgänger. Mit der tapsigen Steuerung aus Shadow of the Colossus rangle ich mich durch das Fell meiner riesenhaften Drachenhundkatze und würde sie oft gerne an der Hand nehmen und hinter mir herzerren, wie das Mädchen aus ICO.
Das Biest mit dem eigenen Willen ist natürlich der Clou des Spiels und zeugt vom Mut seiner Macher: Der direkte, unbedingte Einfluss auf das Geschehen ist ein Hauptgrund, warum Videospiele so viel Freude machen. Und das bockige, nur indirekt steuerbare Flügeltier würgt diese Freude, bis sie blau wird. Das ist dann der Moment, in dem der Körper in seiner Panik Glückshormone freisetzt, in dem das Wesen plötzlich tut, was ich von ihm möchte und das Hirn vor lauter Sauerstoff nicht mehr weiß, wohin mit all der Liebe. Noch nie war mir ein digitales Wesen so wenig egal. Punkt. Aus. Wer das nicht rafft, hat so ein Spiel gar nicht verdient.


Inside

Hat schon jemand erwähnt, dass sich 2016 alles nach rechts bewegt hat? Inside macht da keine Ausnahme und stellt damit auch gleich ein traditionsreiches Genre in den Schatten. 2D-Plattformer sind doch sonst immer so happy. Aber wenn ein Studio schon einmal Playdead heißt… Und Limbo war ja nun auch kein Wonneproppen. Inside erzählt vom Nicht-dazu-gehören-Wollen, zu einer grausamen Welt, hat für diesen naiven Traum aber wenig Aufmunterndes auf Lager. Letztendlich laufen dann doch alle in die dieselbe Richtung und der verstörte Junge läuft wie ein Getriebener mit. Das eine eigensinnige Wesen, dem er begegnet, wird ganz klar als Feind identifiziert und selbst das Ersaufen rettet uns nicht aus dieser Tristesse.

Klar könnte ich auch mit einer Flasche Rotwein am Sofa sitzen und Damien Rice hören. Aber mit Inside wird die Melancholie von so einer trügerischen Hoffnung durchzogen, dass doch noch alles gut werden kann. Und auch wenn die Vermutung bleibt, dass daraus nichts wird, macht das Spiel doch auch klar, dass das schwarze Sofa im dunklen Raum vor dem großen Fernseher der beste Ort ist, um auf bessere Zeiten zu warten; darauf, dass plötzlich alle erkennen, dass sie in die falsche Richtung wanken. Bis dahin bleib ich sitzen.


Owlboy

Und immer wenn du denkst, die Welt soll ihren Scheiß alleine regeln und du bleibst auf dem Sofa, dann nimm dir ein Beispiel an Otus, dem stummen Eulenjungen. Der macht bei seinem Versuch die Welt zu retten zwar fast alles falsch, aber beirrt ihn das? Gibt er auf? Natürlich nicht. Wie die Biene, die zum zwanzigsten Mal gegen die gleiche Scheibe fliegt, holt er noch einmal Schwung. Weil er ein Held ist! Oder gerne einer wäre.

Owlboy ist einfach rundum gelungen: Der Spielwelt steht der Retro-Look, ständig erweitert sich das Spielsystem und dann ist da noch diese Musik. Die schürt die Sehnsucht nach dem Abenteuer und tröstet, wenn die unerbittlichen Bosse am Geduldsseil nagen. Das Metroidvania-Genre darf sich ob seines neuen Vertreters geehrt fühlen.

Der entscheidende Faktor bleibt aber Otus der Unbeirrbare, der Träumer. Seine viereinhalb Gefühlsregungen machen aus einer beiläufigen Geschichte ein Erlebnis. Und die Welt wird ein besserer Ort, wenn wir uns 2017 immer wieder, in einem ruhigen Moment, mit aller Ehrlichkeit die Frage stellen: Was würde Otus tun?


Uncharted 4

Andere wurden mit Harry Potter erwachsen. Ich bin mit Nathan Drake alt geworden. Was natürlich Schmarrn ist, weil wir beide niemals alt und nie ganz erwachsen werden. Vor allem Nathan nicht. Der selbstverliebte Haudegen ist der virtuelle Beweis dafür, dass stereotype, männliche Heroen nicht reifer sind, als die drei Jungs aus den Spielen weiter oben. Wenn überhaupt. Aber im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, ist er sich dessen bewusst und nimmt die Welt um sich herum mit einem gewissen, selbstironischen Schmäh. Und sie tut dasselbe mit ihm.

Die Leute von Naughty Dog verstehen einfach was von Dialogen. Und von 3rd-Person-Action. Sie erfinden nichts neu, aber machen so vieles um ein bis zwei Ticken besser als andere. Unter anderem die Geschichte vom schießwütigen Schatzsucher. Der will jetzt nach drei großen Abenteuern zur Ruhe kommen – und dann auch wieder nicht. Weil er eben nur älter, aber nicht wirklich erwachsener geworden ist. Da grinst der kleine Junge in mir, der sonst die meiste Zeit schmollt, weil wir jetzt eine Klingel am Fahrrad haben und Steuern bezahlen.

Wenn weder der Held, noch die Welt drumherum sich ganz ernst nehmen, funktioniert das ganze Ruinen-Erkunden und Leute-Erschießen mit diesem Touch von Übernatürlichkeit einfach besser, als wenn die leidende Lara nach dem Vermächtnis ihres Vaters sucht. Und Uncharted 4 verschont mich mit all dem Sammeln und Basteln und Leveln. Nathan würde sowas auch nicht tun. Der weiß, dass dem Bösen ohnehin ein Stein auf den Schädel fällt, wenn die Lage aussichtslos scheint. Dann sagt er was Lässiges und behält die Lorbeeren für sich.


The Flame in the Flood

Letztlich geht dann wohl doch alles den Bach hinunter. Dass das auf eine verzweifelte Weise schön sein kann, beweist The Flame in the Flood. Sonst hab ich’s nicht so, mit Survival-Games und diese Floßreise mit dem Mädchen und ihrem Hund hebt nicht gerade die Stimmung. Aber das Spiel pendelt in seiner Atmosphäre so wunderbar zwischen ankämpfen und treiben lassen, dass es fast schon die Apokalypse romantisiert.

Die Welt, die bekanntlich in erster Linie aus den USA besteht, ist also untergegangen und besteht nur noch aus kleinen Inseln in einem großen Fluss. Auf manchen findet das Mädchen Nahrung, auf anderen ein paar Bretter. Und viel zu oft flieht sie, von Wölfen halb tot gebissen, zurück auf ihr Floß.

The Flame in the Flood ist das Memento mori des vergangenen Spielejahres. Zu Sterben bin ich als Spieler mehr als gewohnt. Aber hier spiele ich mit dem Tod fangen, entkomme noch ein paar Mal der Sense und weiß doch, dass ich nicht gewinnen kann. Gespielt wird für flüchtige Momente: für den Sonnenaufgang über dem Floß, begleitet von klagender Country-Musik, für den gebratenen Hasen, nach einem Tag ohne Essen. Ein solcher Moment noch, vor dem Ende. Und dann noch einer. Kämpferischer Optimismus in einer zerbrochenen Welt.