5 aus 16: Philip
Hallo, Jahresende jetzt! Abermals ist dies eine willkommene Zeit, um ein Fazit zu ziehen. Viele machen das. Ganz oft sagen dann die vielen, dass 2016 ganz furchtbar war. Aber eigentlich nur, wenn man weiß, was in der Welt so vor sich gegangen ist. Wer sich stattdessen in einem Atomschutzbunker mit den Spielen verschanzt hatte, die in den kommenden Tagen auch die Toplisten der Superlevel-Autorinnen und -Autoren ausfüllen werden, wird 2016 sicher in besserer Erinnerung behalten. Denn rein videospielmäßig betrachtet war das Jahr doch ganz okay.
Freut euch also über tolle Titel und die dazugehörigen Liebesbekundungen und vergesst bitte auch nicht, eure persönlichen „5 aus 16“ in unserem schönen Forum zu hinterlassen. Sonst hätten wir das Thema ganz umsonst aufgemacht.
Alone With You
Es wäre glatt gelogen, wenn ich behaupten würde, mit Alone With You eine extrem gute Zeit gehabt zu haben. Der durchschaubare Rhythmus und der unnötig gestreckte Erzählbogen haben es mir bisweilen sogar richtig schwer gemacht, hier mit voller Konzentration dranzubleiben. Dennoch strahlt dieses Spiel eine eigentümliche Atmosphäre aus, die mich bis heute nicht ganz losgelassen hat und souverän über die offensichtlichen Schwächen hinwegtäuschen kann.
Benjamin Rivers inszeniert die Einsamkeit in diesem charismatischen Sci-Fi-Adventure als elegische Sinnsuche, die im Verlauf des Spiels auf eine Frage zusteuert, die »Black Mirror«-Schöpfer Charlie Brooker vermutlich nicht hätte besser stellen können. Der Weg dahin ist eine bedrückende Chronik des Scheiterns, die einen die Scherben menschlicher Tragödien auflesen, nicht aber wieder zusammensetzen lässt. Ob man das am Ende alles wirklich so deprimierend findet, wie es gerade klingt, hängt stark von der eigenen Überzeugung ab und genau das macht Alone With You zu einem ungewöhnlichen Erlebnis.
The Last Guardian
Es gibt Momente, da wünschte ich, meine Katze würde zumindest so tun, als könne sie mich verstehen. Sich nicht einfach nur desinteressiert hinter dem Ohr kratzen, wenn ich ihr eindringlich klarmachen möchte, dass die Tastatur vielleicht nicht der richtige Ort für ein Nickerchen ist und sie sich doch besser woanders niederlassen soll. In The Last Guardian ist dieses Gefühl der kommunikativen Ratlosigkeit nicht nur ein treuer Begleiter, sondern der Schlüssel zu einer ganz besonderen Spielerfahrung. Als verirrter Knabe ist man hier nämlich gänzlich von den Launen eines überdimensionierten wie störrischen Fabelwesens abhängig, dessen eigenwilliges Verhalten einer Katze eben noch am nähesten kommt – ohne das wir aber auch ziemlich aufgeschmissen wären.
Trico ist vielleicht eines der lebendigsten und glaubwürdigsten KI-Wesen, mit dem ich je in einem Spiel interagieren konnte. Glaubwürdig insofern, als dass der gefiederte Begleiter nicht nur wahnsinnig realistisch animiert ist, sondern auch einen ganz eigenen Kopf hat. So wälzt sich das bizarre Geschöpf oft lieber in Pfützen, schnuppert in irgendwelchen schimmeligen Ecken herum oder starrt mich einfach nur mit leeren Augen an, statt meinen Befehlen zu folgen und mir bei der Lösung eines Rätsels behilflich zu sein. Das sorgt für Frust, zahlt aber auch unheimlich auf die Beziehung zu dem Tier ein. Wenn dann doch irgendwann mal alles ineinander greift, vermittelt The Last Guardian nämlich hervorragend das Gefühl, hier wirklich etwas erreicht zu haben – und zwar gemeinsam.
Virginia
Als nach etwa zwei Stunden der Abspann von Virginia über meinen Fernseher lief, saß ich bereits am Schreibtisch und buddelte mich auf Google durch einen Haufen unbefriedigender Suchergebnisse. Irgendwer musste das Spiel zu diesem Zeitpunkt doch auch schon beendet und eine Theorie entwickelt haben. Hatte aber niemand. So blieb mir nicht anderes übrig, als meine Gedanken alleine zu sortieren. Das war einfacher gesagt als getan, denn kaum ein Spiel hat in diesem Jahr derart viel Interpretationsraum hinterlassen wie Virginia. Dabei war es fast gänzlich den SpielerInnen überlassen, diesen Raum am Ende auch mit Ideen zu füllen.
Inzwischen findet man zahlreiche Diskussionen und Erörterungen zur Handlung dieses surrealen Walking-Simulators, bei dem man als SpielerIn die Rolle einer jungen FBI-Agentin einnimmt und schnell in eine Spirale aus Korruption, Intrigen und erratischen Albträumen gerät. Als würde die unklare Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit dabei nicht schon genug irritieren, wird die desorientierende Erzählweise auch noch durch unvermittelt ins Spielgeschehen gesetzte Schnitte auf den Kopf gestellt – ein cineastisches Stilmittel, das so gerne häufiger zum Einsatz kommen könnte und eine willkommene Abwechslung zu den gängigen Taktungsmustern aus Zwischensequenzen und Gameplay bot.
Super Mario Maker 3DS
Als 3DS-Port eines bereits im letzten Jahr erschienenen Wii-U-Spiels hat mich Super Mario Maker 3DS sehr spät, völlig unverhofft und doch mit voller Wucht erwischt. Fehlende Online-Features hin oder her – diese Spiel ist wie für den mobilen Einsatz gemacht. Alleine die Vorstellung, auch unterwegs an irren Rube-Goldberg-Konstruktion arbeiten zu können, durch die ich Mario dann wie einen willenlosen Flummi laufen lasse, ist fantastisch. Viel faszinierender ist allerdings, wie viel man hier über das unkaputtbare Design und die perfekten Mechaniken eines unangefochtenen Klassikers lernt. Dass die Super-Mario-Reihe auch heute noch zu den besten Videospielen aller Zeiten gehört, weiß jeder – hier beginnen aber sogar desinteressierte Zaungäste zu verstehen, warum das überhaupt so ist.
Firewatch
Obwohl sich Virginia hinsichtlich seines popkulturellen Referenzspektrums wahrscheinlich am meisten bemüht hat, die Retro-Klaviatur möglichst virtuos und stilbewusst zu spielen, ist mir vor allem Firewatch als zutiefst nostalgisches Erlebnis in Erinnerung geblieben. Nicht etwa, weil die eigentliche Spielmechanik an irgendwelche konkreten, kindlichen Assoziationen anknüpft oder die Ausstattung anmutet, als hätte sie jemand bei Urban Outfitters mitgehen lassen. Nein, es ist vielmehr die Vorstellung eines langen und aufregenden Sommers, wie man ihn eben nur in jungen Jahren wahrnimmt und dementsprechend verklärt in Erinnerung behält, die hier erstaunlich empathisch inszeniert wird.
Dass Campo Santo über diese Patina hinaus auch inhaltlich etwas zu erzählen hat, ist am Ende umso bemerkenswerter, hätte das Spiel doch selbst als Blender noch ganz gut funktionieren können. So aber lässt sich Firewatch auch noch als erfreulich diskrete Parabel auf das Verantwortungsbewusstsein im Allgemeinen und den Umgang mit persönlichen Problemen im Speziellen lesen. Und dank der glaubwürdig geschriebenen und beseelt synchronisierten Dialoge muss man sich trotz dieser einfachen Botschaft nicht mal fremdschämen.