Der König ist tot, lang lebe der König ist tot.
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Ich weiß genau, was zu tun ist. Es ist ein ungekanntes Gefühl der Vertrautheit, ganz so, als begleite mich ein wärmender Sonnenstrahl durch das ewige Eis, egal, wohin mich meine Neugierde auch trägt. So beginnt meine Reise durch den dritten Teil von Dark Souls, der gleichermaßen auch ihr Ende markiert. Das Schlusskapitel einer Spielreihe, deren Einfluss nicht nur auf andere Spiele, sondern vor allem auf die Mentalität und Anspruchshaltung einer zuvor verhätschelten Spielerschaft, mehr als bemerkenswert ist. Und während neben den recht offensichtlichen Kopien und Hommagen von Rennspiel bis Gelegenheitsspiel jedes Genre sein eigenes vermeintliches Souls-Äquivalent bekam, ist nun auch das Original an einem Punkt angekommen, an dem es über das eigene Selbstzitat hinaus nur wenig zu erzählen weiß. Es hat aus willigen Lehrlingen Großmeister geformt, die jede seiner Lehren voller Bewunderung mitsprechen können. Nur beibringen kann es ihnen nichts mehr.
Das Unverlässliche, es ist allzu berechenbar geworden. Vor nunmehr sieben Jahren riss mich ein Spiel namens Demon’s Souls aus meiner spielerischen Komfortzone heraus, in die ich seitdem nie mehr ganz zurückgekehrt bin. Es hat mein Spielverhalten über alle Genres hinweg so nachhaltig geprägt wie vermutlich kein Spiel zuvor. Ein strenger Vormund, der mich quälte und disziplinierte, um das Beste aus mir herauszuholen. Ich lernte Geduld und Selbstbeherrschung, Konzentration und Beharrlichkeit. Eine stete Gratwanderung am Rande des Wahnsinns, dessen Allgegenwart auf wundersame Weise desensibilisierend auf mich wirkte. Doch nach all den Jahren scheint mein Lernpotenzial nun ausgeschöpft. Und auch Dark Souls III will nicht mehr sein als eine Abschlussprüfung, die sich darauf beschränkt, vorhandenes Wissen abzufragen, statt neue Fragen aufzuwerfen, bei denen ich weiter denken müsste, als ich es bisher gewohnt war.
Man muss es der Reihe zugutehalten, dass sie sich auch für ihr Finale nicht einen Fingerbreit an den verweichlichten Massengeschmack herangekuschelt hat. Sie zeigt sich sperrig wie eh und je, lässt mich im Dunkeln tappen und in Abgründe stürzen, bis ich endlich dahintergekommen bin, was das Spiel mir eigentlich vermitteln will. Es verbaut mir Wege, Handlungsstränge und Entwicklungschancen, wenn ich nicht rechtzeitig verstehe, was von mir verlangt wird. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, also erhebe ich mich von meinem Lagerfeuer und tue Buße. Wieder und wieder. Doch die Momente des Scheiterns sind rarer geworden. Zu gut kenne ich die hinterhältigen Tricks, die architektonischen Windungen und die Wirkungen von Zauber und Waffen, als dass ich mich noch einmal so verloren fühlen könnte wie einst im ersten Teil. Dieses Dark Souls scheint mir und meinen Fähigkeiten auf den Leib geschneidert zu sein. Es fordert, aber überfordert mich nicht. Doch obwohl es so perfekt sitzt, weiß ich dennoch nicht, ob es mir wirklich passt.
Denn Dark Souls wirkt in seiner dritten Iteration noch ein Stück weit elitärer, als es seine Vorgänger bereits waren. Da sollte man sich auch nichts vormachen, die Reihe war von Anfang an auf den Typ Gamer zugeschnitten, der gerne die Kommentarspalten und Foren dieser Welt damit zuejakuliert, wie massiv seine Controller-Skills sind. Und auf Personen, die gerne Wörter wie „Iteration“ benutzen, natürlich auch ein bisschen. Nur wirken die einzelnen Abschnitte dieses Mal verwinkelter, viele Gegner stressiger und die ganze Hintergrundgeschichte völlig verschwommen, so dass ein wirkliches Verständnis für die Spielwelt nie so richtig aufkommen mag. Dark Souls III ist das Best-of-Album einer Band, die Zeit ihres Bestehens ausschließlich Konzeptalben herausgebracht hat. Die vielen kleinen Geschichten, die darauf zu finden sind, fügen sich nicht zu einer gemeinsamen, großen Erzählung zusammen und legen die Last der gesamten Spielmotivation auf die Schultern der bis heute unantastbaren Kampfmechanik. Und wer diese und ihre zarten Nuancen, die neu hinzugekommen sind, nicht ausreichend zu beherrschen weiß, bekommt spätestens nach der ersten Spielhälfte das Wort „Zugänglichkeit“ mit dem Brandeisen auf die Stirn gepresst. Wer mit Turnschuhen vor dem Eingang zum Schloss von Lothric wartet, sollte nicht erwarten, dass ihn der Türsteher einfach so herein lässt. Das hier ist eben ein sehr, sehr exklusiver Club, dessen Mitglieder Neuankömmlinge – wenn überhaupt – mit Argwohn betrachten.
Angehörige dieser feinen Gesellschaft finden jedoch allerlei bekannte Charaktere, Gegenstände und Gegenden wieder. Anders als der zweite Teil, der sich noch weitestgehend autark zeigte, gerät der Abschied von der immerwährenden Seelenjagd durch seine zahlreichen Selbstreferenzen eine Spur zu rührselig und versöhnlich. Es nährt zudem den Verdacht des kreativen Zenits, der im Zusammenspiel mit der nach wie vor starken, doch für Eingeweihte leider überraschungsarmen Inszenierung überschritten zu sein scheint. Doch das geht schon in Ordnung. Es ist Fanservice als eine Art letztes Geleit für den König eines zerfallenen Reiches, dessen Erbe wie die Asche eines reinigenden Feuers über der restlichen Spielelandschaft verstreut liegt.
Ich stehe im Feuerband-Schrein und starre auf den riesigen, leeren Thron in der Mitte. Der König ist tot, lang lebe der König ist tot. Und so weiter und so fort. Das Ende von Dark Souls ist nicht wirklich das Ende, das sollte nach den vergangenen sieben Jahren jedem klar geworden sein, der mithilfe der Souls-Spiele seine eigenen Grenzen neu definiert hat. Und egal, was in Zukunft auch folgen wird – sei es ein Prügelspiel-Crossover namens Dark Soul Calibur oder ein tief in der skandinavischen Mythologie verhaftetes Bladbjørn – ich werde darauf vorbereitet sein. Auch wenn ich mir nichts sehnlicher wünsche, als noch einmal ganz von vorne beginnen zu können.