Blast From The Past – Crusader: No Remorse

Crusader: No Remorse

Das Schlüsselloch zur Zukunft war ein vergilbter 14-Zoll-Monitor. Darunter: Zehn Kilo Hardware, die man Mitte der Neunziger einen 486er nannte. Eine Technik, auf der ich zu diesem Zeitpunkt schon vieles gesehen hatte, nur das nicht: Menschen. Echte, leibhaftige Menschen, die unmittelbar zu mir sprachen. Ein Feature, an das sich Archäologen und Altvordere gerne als Realfilm-Sequenz erinnern und mit dem auch Crusader: No Remorse im Jahr 1995 eindrucksvoll aufmachte. “Welcome To The Resistance, Captain” – mit diesen Worten empfing mich ein lächerlich futuristisch kostümierter Kommandant zum Mission-Briefing. Faszination Liveschalte (Und selbst heute noch die Chuck-Norris-Variante der stotternden Skype-Konferenzen im Büro).

Crusader: No Remorse

Als Tapete für einen aus heutiger Sicht erstaunlich modernen Top-Down-Shooter genügte der hauchdünne Sci-Fi-Plot um einen skrupellosen Großkonzern, organisierten Widerstand und einen elitären Überläufer in geheimer Mission allemal. Um mich als Kind in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett zu treiben, um noch in meine Bettdecke gewickelt den Rechner hochzufahren und Crusader über die DOS-Konsole zu starten, sowieso.

Obwohl die Fallhöhe mit der eindrucksvollen Eröffnung ausgesprochen hoch angesetzt wurde, war der Sturz ins eigentliche Spielgeschehen alles andere als jäh. Das lag nicht zuletzt daran, dass Crusader für einen Shooter viel von dem vorwegnahm, was heute in diesem Genre selbstverständlich ist. Loot, Hacking, rudimentäre Stealth-Mechaniken, zerstörbare Umgebungen – you name it. Beim Infiltrieren feindlicher Komplexe galt es dementsprechend nicht nur Blei zu verteilen, sondern auch Sicherheitssysteme zu manipulieren, Überwachungskameras auszuschalten und den Alarm-Status im Blick zu halten. Jeder Raum, jede Halle und jedes Foyer ein kleines Ökosystem, das mit guten Reflexen und sorgfältiger Planung unter Kontrolle gebracht werden muss. Das hat nicht nur zufällig die Schatten voraus geworfen, in denen später populäre Serien wie Deus Ex, Splinter Cell, oder Metal Gear Solid gediehen sind. Die Formel aus dystopischer Science-Fiction, Stealth-Komponenten, Action und Rollenspiel-Elementen macht sich bekanntlich auch heute noch gut. Vor allem letzteres überrascht nur wenig, wenn sich der Kreis bei Origin als Entwickler schließt, wurde das Studio doch vor allem mit der Ultima-Reihe bekannt.

Crusader: No Remorse

Den Eltern meiner Schulfreunde war egal, wie packend sich Crusader: No Remorse spielte. Das rote USK-Logo auf der CD-Hülle genügte in der Regel, um unsere hart verdienten Nachmittags-Pläne (Sechste Stunde Mathe!) zu durchkreuzen. Irritierend, denn im Vergleich zu anderen Titeln war das hier erstaunlich harmlos – erst recht in der geschnittenen Fassung, wie ich sie besaß. Das Spiel förderte vielmehr eine ausgeprägte Experimentierfreude statt den Reiz des Verbotenen zu bedienen. Die Umgebung bot derart viele Möglichkeiten der Interaktion, dass ich das eigentliche Ziel regelmäßig aus den Augen verlor.

Den Abspann bekam ich selbst unter größter Anstrengung nie zu sehen. Erst als ich zu einer Version des Dirty Little Helper kam und durch die Eingabe von JASSICA16 diverse Cheats aktivieren konnte, eröffneten sich mir auch die späteren Level. Spätestens damit wurde Crusader eine Art Zen-Game für mich. Ein Spiel, das ich einschaltete, um den Kopf auszuschalten. Der God-Mode erlaubte es, auch ohne große Ambitionen durch die Level zu streifen und die Grenzen des Spiels auszutesten – fast so, als würde man wieder als Grundschüler mit seinem ersten Feuerwerk um die Häuser ziehen und schauen, was man damit so alles kaputt bekommt.

Crusader: No Remorse

Während ich viele Klassiker meiner Kindheit bis heute immer mal wieder hochfahre, liegt die CD von Crusader: No Remorse seit Jahren in irgendeiner verstaubten Krempel-Kiste. Obwohl das Spiel unter aktuellen Betriebssystemen nicht mehr läuft und eine ROM-Variante vermutlich kaum größer als ein hochauflösendes JPEG sein dürfte, habe ich es bisher nicht über das Herz gebracht, dieses Stück Plastik zu entsorgen. Dafür, dass ich das Spiel trotz simpler Emulations-Möglichkeiten seit Jahren nicht mehr gestartet habe, gibt es viele Entschuldigungen. Eine davon geht so: Zwei Jahre nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung ist Crusader: No Remorse auch für die PlayStation erschienen. Eine Konsole, dessen Titel man heute zu Teilen als PS one Classics im Online-Store der Playstation 3 oder Vita finden kann. Das sind gleich zwei Plattformen, die bei mir einsatzbereit im Wohnzimmer stehen. Nur der entsprechende Port fehlt mir noch für mein Glück. Nennt mich naiv, aber wenn Crusader: No Remorse dort zu finden ist, bin ich bereit – die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.