Carcassonne: Game of the Year 2001

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Carcassonne ist das Spiel des Jahres. Gewesen. 2001 war das. Und auch nach 15 Jahren hat es noch immer einen festen Platz in jeder gut sortierten Spielesammlung. Die Grundlage war also schon vorhanden, als die Coding Monkeys den Klassiker 2010 aus der Pappschachtel auf den damals noch kleinen Bildschirm des iPhones holten. Ein Jahr später folgte mit dem iPad der nächste logische Schritt. Und nun die dritte Variante: Carcassonne für den Mac.

Am Spiel selbst hat sich nichts geändert: Der Reihe nach werden Karten gezogen, auf denen Städte, Wiesen und Straßen abgebildet sind. Diese werden wie beim Domino passend aneinandergelegt und anschließend mit Holzfiguren bevölkert. Wer auf der zufällig entstehenden Landschaft die längsten Straßen, größten Städte und weitläufigsten Wiesen beanspruchen kann, bekommt die meisten Punkte. Diese Spielvariante ist auch auf dem Mac Hauptteil des Spiels. Mit dem Solitaire-Modus gibt es zwar eine Variante für einsame Seelen, die ist aber ebenso wie die Duelle gegen die clevere künstliche Intelligenz eher eine nette Zugabe. Den wunderbar passiv-aggressiven Machtkampf mit möglicherweise bald nicht mehr ganz so guten Freund*innen können sie jedoch nicht ersetzen.

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Carcassonne sieht genau so aus wie seine Vorlage. Fast schon ehrfürchtig vor dem Original ist jedes Detail dem Stil der Vorlage nachempfunden und bewahrt mit Holztischen und Pappkärtchen ausgerechnet auf Apples Hardware ein Stück von dem skeuiomorphen Design, um das Cupertinos Designer sich intern einst zerstritten. Und für ein Spiel ergibt es auch Sinn, bereits bekanntes zu imitieren, statt das einfache Regelwerk mit 3D-Grafik und Effekten zu überladen.

Die Coding Monkeys haben Carcassonne nicht nur erfolgreich digitalisiert, sondern auch ein gutes Computerspiel daraus gemacht. Das klingt nach einem kleineren Verdienst als es eigentlich ist, doch das Herz eines Brettspiels geht bei der Übersetzung leicht verloren. Es steckt viel analoge Wärme in den Texturen der handgezeichneten Kartenmotive, in den sanften Animationen, wenn ein Spielstein auf dem Feld abgelegt wird oder der Art, wie eine erfolgreich abgeschlossene Straße kurz aufblinkt wenn Punkte gutgeschrieben werden. Und manchmal vermisse ich die Bequemlichkeiten des digitalen Spiels sogar am Wohnzimmertisch, wenn es am Ende darum geht, die Punkte auszuzählen. Die Zurückhaltung vor unnötigen Verschlimmbesserungen haben Carcassonne schon vorher zum Maßstab für Brettspielumsetzungen gemacht.

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Daran hat sich nichts geändert, denn die Stärken von Carcassonne auf dem Mac sind die Stärken der ohnehin schon guten Spiele für Touchscreen-Geräte. Auf dem Mac sind gleich mehrere Erweiterungen enthalten, wodurch die App teurer als die Grundversion des zugrunde liegenden Brettspiels ist. Neulinge – meine allererste Partie fand damals auf einem iPhone statt – werden sich von dem Preis dennoch wohl eher abschrecken lassen. Für wen ist Carcassonne auf dem Mac also gemacht? In erster Linie für diejenigen, die es ohnehin schon auf einem anderen Apple-Gerät besitzen und eine unterwegs angefangene Partie zuhause fortführen wollen. Es startet nicht wie die meisten Spiele im Vollbild, sondern als kleines Fenster. Es will nicht die volle Aufmerksamkeit, sondern ist bereit, geduldig im Hintergrund zu warten, bis alle über das Internet verbundene Gegner*innen ihre Züge beendet haben…

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…wenn diese denn auch Carcassonne für iOS oder den Mac besitzen. Die Einen spielen die Versionen aus Apples App Stores, alle anderen müssen sich auf Xboxen, Windows-PCs oder Android-Smartphones mit einem der nicht ganz so polierten Klone zufriedengeben. Aber ganz so schlimm ist dieser Graben zwischen verschiedenen Betriebssystemen auch wieder nicht. Es gibt ja noch immer die altmodische Variante, sich einfach um den selben Tisch zu versammeln. Nur Zählen muss man dann halt selbst.