Die 80er haben angerufen und wollen ihre Zukunft zurück.
DESYNC:
Im virtuellen Raum
hört dich niemand fluchen
Im virtuellen Raum
hört dich niemand fluchen
Die 80er haben angerufen und wollen ihre Zukunft zurück.
Es zeugt nicht wirklich von journalistischem Können, einen Artikel damit einzuleiten, ein Spiel würde an dieses oder jenes erinnern. Alte Grundregel. Also verschweige ich euch wohl besser, dass DESYNC wirkt, als hätten verrückte Wissenschaftler das Erbgut von Quake, Tron und Hotline Miami in der Mikrowelle zu einem Egoshooter verschmolzen. … D’oh!
DESYNC findet in einer simulierten VR-Umgebung statt, die audiovisuell an die Zukunftsvisionen der 80er-Jahre angelehnt ist. Eine neonfarbene, todbringende Polygonwelt, die Sektor für Sektor mit Waffengewalt erobert werden muss. Abstrakte Wesen verschiedenster Art und Stärke wollen das zu verhindern wissen. Was hier als bewusstes Stilmittel gewählt wurde, hätte auch gut in die Hose gehen können, da Retrofuturismus in den letzten Jahren zuhauf ins Netz gekippt wurde, was meiner Meinung nach zu einer Übersättigung führte. Aber DESYNC wirkt eigenständig und selbstbewusst genug, um auf der Welle nicht unterzugehen.
Dennoch wird der First-Person-Shooter es verdammt schwer haben, sich zu behaupten. Die wenigen bisher zur Verfügung stehenden Reviews machen das deutlich: DESYNC gibt sich wirklich viel Mühe, nicht gemocht zu werden. Die Benutzeroberfläche ist kryptisch, das Gegneraufkommen überwältigend und das Ziel unklar. Deswegen hat auch nicht viel gefehlt, dass ich das Spiel nach einer halben Stunde frustriert von der Festplatte werfe. “Na gut, eine letzte Runde noch.”, dachte ich mir. Daraus wurden schließlich 20 Runden, daraus 200 und ganz plötzlich waren fünf Stunden vergangen. Die Grenze zwischen Herausforderung und Frustration ist sehr schmal. Wenn man die Schweinehunde nicht überwindet, wird man mit DESYNC nicht warm.
Bei mir hat es ganz plötzlich ‘Klick’ gemacht, als ich merkte, dass nur minimale Abweichungen in der Steuerung des Protagonisten und der Handhabung der Waffen zum Erfolg führen können. DESYNC setzt voraus, dass ich mir Zeit zum Sterben nehme, von vorne beginne, mir die Reihenfolge und Spawnpunkte der Gegner merke, Schwächen ausmache und schließlich vernichtend zuschlage. Wenn das dann gelingt, ein Level abgeschlossen und eine mächtigere Waffe freigeschaltet wurde, sinkt der Andrenalinspiegel wieder und die Befriedigung setzt ein.
DESYNC ist Dauerstress. Wenn ich auch nur wenige Augenblicke verharre, werde ich gnadenlos erschlagen oder erschossen, sofern mich zwischenzeitlich nicht bereits eine der Fallen in Stücke riss. Im Hintergrund peitscht mich der Soundtrack von Daniel Deluxe zu Höchstleistungen an. Zumindest fühlt es sich so an, wenn ich den Bossgegner meine Choreographie spüren lasse. Links, geradeaus, Schuss mit linker Maustaste, Mausrad vor, Schritt zurück, Schuss mit rechter Maustaste, nichts kann mich stopFUCKFUCKFUCK. Durchatmen. Nochmal.
Um in DESYNC bestehen zu können, führt leider kein Weg am Skill- und Upgrade-System vorbei. In anfänglich umständlich anmutenden Prozeduren müssen sammelbare Fragmente in Extras investiert, die wiederum im System installiert werden. Das wirkt im Kontext der VR-Ebene zwar stilsicher, benötigt aber eine gewisse Eingewöhnungszeit. Da ich in DESYNC als Eindringling in eine fremde Welt agiere, mag all die Irritation auf einer Metaebene gut funktionieren, aber ich kann verstehen, wenn sich Spielerinnen und Spieler davon abschrecken lassen. Ich tat es zum Glück nicht und werde mir nun die Zähne am nächsten Level ausbeißen.