Ennuigi: Depression im Pilzkönigreich
Es gibt Menschen, die können am Ende ihres Lebens auf das Geleistete zurückblicken und ehrlich vor sich selbst und der Welt behaupten, nichts zu bereuen. Das ist beneidenswert, weil es so schwierig ist, wirklich ein solches Leben zu führen. Menschen machen eben Fehler – manchmal verlieren sie dadurch nur ihren Job oder einen Freund, manchmal passiert gar nichts und manchmal fliegt deswegen auch ein Atomkraftwerk in die Luft. Mein Zahnarzt hat mir neulich eine Wurzelbehandlung verpasst und ich hatte im Anschluss eine halbe Woche lang stark schmerzendes und geschwollenes Zahnfleisch. Das war so nicht geplant. Irgendwas ist schief gelaufen, aber ich bin ihm deswegen nicht böse. Vermutlich ärgert ihn dieser Fehler mehr als mich.
Entwickler Josh Millard hat sich gefragt, wie Super Marios Bruder Luigi einst auf sein Leben zurückblicken wird. Das Ergebnis seiner Gedanken heißt Ennuigi. Der Spieler steuert darin einen lakonischen, dauernd rauchenden Luigi, der durch die immer gleichen Bildschirme des 8-bit-Pilzkönigreichs läuft und sich Gedanken macht: über Ethik, seine Familie, seine Identität und natürlich über die Fehler, die er und sein Bruder gemacht haben. Die Super-Mario-Welt mag noch so friedlich und lebensfroh wirken. Hinter der Fassade lauern dunkle Gedanken.
Das Auffälligste an Ennuigi ist interessanterweise, dass der Protagonist nicht springen kann. Vermutlich hätte schon allein diese Funktion die deprimierende Atmosphäre und den Hauch des Verfalls zerstört, der über dem Spiel liegt. Ennuigi fühlt sich ein bisschen an wie ein 2D-Dear-Esther vor hässlicher Kulisse. So bedeutungsschwanger Luigis Gedanken präsentiert werden, so bedeutungslos ist es eigentlich, dass er sie hat. Auf diese philosophische Erkenntnis erst mal ein tiefer Zug aus der Kippe.