Mansion Maniac: Sag mir, wie du wohnst …
Architektur dient Spielentwicklern und digitalen Künstlern immer wieder als Inspiration. Dabei liefern zum Beispiel architektonisches Design, die Regeln der Statik oder die Organisation des menschlichen Zusammenlebens die Spielidee. Das beneidenswert clever benannte Browserspiel Mansion Maniac hingegen arbeitet mit historischem Material und erzählt über die sich wandelnde Sozialstruktur im Manhattan der Jahrhundertwende.
Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden Mehrfamilienhäuser in New York erstmals auch für die Mittel- und Oberschicht attraktiv. Es entstanden teils zehn- bis zwölfstöckige Appartementblöcke, die mit großzügigen Grundrissen, eigenen sanitären Anlagen und sogar Zimmern für die Bediensteten lockten und nichts mit den Mietskasernen der armen Leute gemeinsam hatten. Immobilienmakler bewarben die schicken Appartements in bebilderten Broschüren. Die New York Public Library hat in ihrer Sammlung Apartment Houses of the Metropolis hunderte solcher Werbepublikationen aus dem angehenden 20. Jahrhundert digitalisiert, einschließlich der Grundrisse der beworbenen Liegenschaften.
So interessant diese Zeugnisse für sich genommen bereits sind, noch spannender werden sie als Ausgangsmaterial für Mansion Maniac von Mauricio Giraldo: Er hat daraus ein kleines Public-Domain-Spiel entwickelt, in dem ein blaues Quadrat mit Augen die Grundrisse einzelner Räume aufdeckt, indem es sie durchwandert. Aus diesen Wohnzimmern, Küchen, Fluren und Treppenhäusern entsteht so Schritt für Schritt eine zufallsgenerierte Wohnung. Dabei berechnet das Spiel laufend die Gesamtfläche der virtuellen Räume. Wenn alle Türen und Durchgänge durchlaufen sind, lässt sich das verwinkelte und immer sehr hübsche Ergebnis im PNG-Format speichern.
Natürlich war ein 400-Quadtratmeter-Appartement mit vier Bädern und drei Esszimmern selbst für die damalige New Yorker Oberschicht unrealistisch. Aber durch die Zufallsgebilde lässt sich trotzdem ein interessanter Eindruck von der Wohnsituation der Vermögenden gewinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Häuser und Villen verließen, um von den Annehmlichkeiten moderner Mietwohnungen zu profitieren, und damit das Bild der Großstadtquartiere dauerhaft veränderten.