Pioneers: Die Entdeckung der Neuen Pixelwelt
Was einzelne Menschen auf die Beine stellen können, fasziniert mich immer wieder. Pioneers ist dafür in zweierlei Hinsicht ein perfektes Beispiel. Zum einen entwickelt Eigen Lenk das Spiel seit 2012 und illustriert damit auf herausragende Weise, was man mit kontinuierlicher Arbeit und einem starken Willen auch als Solo-Entwickler schaffen kann. Zum anderen aber beginnt auch der Protagonist aus Pioneers seine große Reise zunächst allein. In seinem Gepäck findet sich nichts außer einigen Tausend Goldmünzen und ein großer Entdeckergeist.
Die Handlung wird den Spielenden mit einem allseits bewährten Topos eröffnet: Ein Schiff wird von einem Sturm erfasst, man selbst findet sich angespült an einer unbekannten Küste Insel wieder, doch es lässt sich fast keine Spur von der restlichen Besatzung finden. Lediglich ein anderer Passagier namens Takoda hat es ebenfalls geschafft. Er versorgt die Figur mit Heilkräutern, die er in der näheren Umgebung gefunden hat. Zusammen durchstreifen sie das gottverlassene Gefilde, finden irgendwann tatsächlich ein Dorf namens Oldden und brechen anschließend durch die Strapazen der beschwerlichen Reise erneut zusammen. Irgendwann wacht der Charakter auf.
Die Bewohner haben ihn in ein Bett gelegt, seine Verletzungen versorgt und überbringen ihm dabei eine schauerliche Nachricht: Es soll nie einen Takoda gegeben haben. Sie hätten ihn nach dem Sturm alleine vorgefunden, die Rettung durch den mysteriösen Mann soll ein Fiebertraum gewesen sein.
So beginnt also das große Abenteuer in dieser wundervollen Neuen Pixelwelt. Anfangs versorgt man sich mit Nahrungsmitteln und frischem Wasser. Doch auch die Beschaffung von Waffen sollte nicht vergessen werden, damit man später gegenüber der wilden Natur, die sich in Form von Bären und Wölfen präsentiert, ausreichend gewappnet ist. Schon bei der Erledigung der ersten Einkäufe wird man vom hiesigen Ladenbesitzer darum gebeten, sich zur Insel Hios zu begeben. Dort ließen sich kostbare Gewürze vorfinden, die er gerne in seinem Sortiment anbieten möchte. Zur Belohnung winken ein wenig Ruhm und 1.000 Münzen (und im weiteren Verlauf eine wesentlich spannendere, komplexere Aufgabe – aber das sei nur am Rande erwähnt). Schnell sucht man den örtlichen Hafen auf, um die Leinen loszulassen. Großes Wagnis, ahoi!
Schließlich wimmelt es auf Hios nur so vor ungezähmten Kreaturen, die ein Häppchen Menschenfleisch durchaus zu schätzen wissen. Hierbei wird das bisherige, recht freie Adventure-Flair abgelöst von einem streng reglementierten, rundenbasierten Genre-Hybrid aus Survival-Management und Echtzeitstrategie. So werden alle einzelnen Bewegungen und Tätigkeiten auf der fremden Insel plötzlich zum Teil eines Spielzugs. Wird eine gewisse Wegdistanz zurückgelegt (oder eine gewisse Anzahl von Tieren gejagt, Kräutern gesammelt, etc.), so endet der Zug und ein weiterer Spieltag vergeht. Dabei gilt es stets zu beachten, dass man kontinuierlich den Hunger sowie Durst der Spielfigur stillt. Fällt ihr Gesundheitswert auf Null, so findet die Reise mit dem Tod des Protagonisten ein jähes Ende.
“Set in the 16th century, Pioneers is an atmospheric turn-based exploration/adventure RPG where you lead a party of travellers in search of treasure-rich temples, new tribes and ways to go down in history – ways to go beyond the horizon.”
Verstreicht bei den Entdeckungstouren in Pioneers einmal ein ganzes Quartal, so macht sich ein Wechsel der Jahreszeiten bemerkbar. Das sanfte Grün des Frühlings entfaltet im Sommer mit satten Tönen seine ganze Kraft, während es im Herbst bereits dunkleren Farben weicht, nur um im Winter der klirrenden, eisigen Kälte zu verfallen. Der Jahreszeiten-Zyklus hat dabei nicht nur einen visuellen Effekt, da gerade der Winter die gesamte Reise hartnäckig erschwert. Nicht nur, dass mehr Lebensmittel-Ressourcen benötigt werden, um das Energielevel der Spielfigur stets in einem akzeptablen Bereich zu halten, nein, es ist wesentlich schlimmer: Das ganze Meer vereist in der kalten Jahreszeit. Damit sind all die wahnwitzigen Narren, die am Ende des Herbstes ohne nennenswerte Vorräte noch auf dem Meer herumschippern, ihrem sicheren Tode geweiht.
Pioneers hat zwar in seiner jetzigen Form noch diverse hinderliche Bugs, doch davon sollte sich niemand abschrecken lassen. Mit einem ausreichenden Abspeicherungs-Bewusstsein und dem einen oder anderen Blick in das Pioneers-Forum lassen sich deren Konsequenzen leicht umgehen oder wenigstens abmindern. Wer sich die Zeit für Eigen Lenks grandiose Arbeit nimmt, wird mit einem überwältigenden Gefühl belohnt: Bereits jetzt Teil von etwas zu sein, dessen Potenzial schier unendlich zu sein scheint. Nach spielinternen Angaben machen die aktuell erkundbaren Ortschaften nicht einmal 1,5 Prozent der kompletten Welt des fertigen Spiels aus. Über 1.500 Dörfer sollen integriert werden, außerdem bis zu 1.000 Schätze verbergende Tempel.
Auch das in Pioneers bereits integrierte, aber nur sporadisch genutzte Team-System könnte unglaublich gut funktionieren. Aktuell kann man zwar schon weitere Abenteurer*Innen anheuern, sie ausrüsten und auch mit auf die Reise nehmen; eine richtige Funktion aber kam ihnen bislang nicht zugute. Ich gehe allerdings davon aus, dass ihre Einbindung (mit voranschreitendem Quest-Design) die taktische Komponente bereichern wird, sei es nun in Form von Ressourcen-Management oder dem Austüfteln vnn Kampfstrategien für komplexere Aufgaben. Kurz gesagt: Pioneers könnte etwas ganz Großes werden.
Eine eigene Welt, in der sämtliche mögliche Konsequenzen miteinbezogen werden müssen – erschaffen mit den Händen eines einzelnen Menschen. Ich möchte daher betonen, dass man sich Pioneers zwar gratis herunterladen kann – im Übrigen auch den famosen Soundtrack -, aber dass eine finanzielle Unterstützung des Projekts absolut wünschenswert ist. Wer also eine Dublone zu viel in seinem Portemonnaie hat – los, steckt sie Eigen auf itch.io zu!
Schließlich ist seine Arbeit nicht einfach nur ein absolut liebevoll gestaltetes rundenbasiertes Rollenspiel-Adventure mit Survival-Elementen. Ungeachtet seines Namens scheint Pioneers keine tumbe Verherrlichung von Kolonisation, Imperialismus, Sklaverei oder ähnlichen Sünden der Menschheit werden. Irgendetwas, das ich noch nicht ganz verorten kann, steckt noch dahinter. Etwas Schönes, etwas Emotionales. So soll sich das Spiel nach Eigens Aussage eigentlich um etwas ganz anderes drehen, als man zuerst vermuten würde. Ich freue mich sehr darauf und werde die weitere Entwicklung von Pioneers gebannt verfolgen.