Gut geklaut ist halb gestorben.
Wer im englischsprachigen Raum wörtlich übersetzt sein Salz wert ist, ist nicht zwangsweise ein Experte am Gewürzregal, sondern eigentlich eher ein Meister seines Fachs, dessen Dienste die höchste Anerkennung verdienen. Das Streben nach diesem Status ist auch eine der Motivationen hinter Salt and Sanctuary, dem neuen Titel des US-amerikanischen Entwicklerduos Ska Studios. Ohnehin ist der Titel des 2D-Action-RPGs ein sprechender. Ohne Salz kein Fortschritt, ohne Zuflucht keine Chance. Und gerade von diesen Zufluchtsorten kann man in der unbarmherzigen, trüb-traurigen Spielwelt alle gebrauchen, die man kriegen kann.
Dabei beginnt Salt and Sanctuary mit einem Hoffnungsschimmer. Ich spiele einen männlichen oder weiblichen, sich auf wortwörtlich kriegsentscheidender Mission befindenden Protagonisten, dem ich zu Spielbeginn eine rollenspieltypische Klasse zuweisen kann. Das Schiff, mit dem ich über das Meer segle, hat nämlich eine Prinzessin an Bord, deren Heirat mit einem Adligen einer verfeindeten Nation endlich den langersehnten Frieden herbeiführen soll. Anstatt sicher in dem fremden Hafen einzulaufen, läuft der Kahn allerdings nach einem Entermanöver seitens zwielichtiger Gestalten auf Grund und ich lande am nebelverhangenen Ufer einer Insel. Was eigentlich eher ungewöhnlich ist, denn den Untergang des Schiffes habe ich dank einer tödlichen Verwundung gar nicht mehr miterlebt. Fortan muss ich mich mit scheinbar nie enden wollenden Gegnerhorden auseinandersetzen, um Salz und Gold anzuhäufen und in letzter Instanz irgendwie von der verfluchten Insel herunterzukommen.
Diese Aufgabe gestaltet sich jedoch alles andere als einfach. Der Vorrat an magischen Heiltränken ist begrenzt, selbst die schwächsten Gegner werden aufgrund der schieren Masse zum Problem. Jede Aktion, sei es zuschlagen, rollen oder blocken, verbraucht Ausdauer. Ist selbige erschöpft, werden meine Bewegungen schwerfälliger und ich stelle ein leichteres Ziel für meine Widersacher dar. Diese reichen von Untoten über gepanzerte Riesenmilben (!) bis hin zu schleimigen Blobs und wildgewordenen Waldtieren. Zum Glück ist der früher oder später unvermeidliche Tod nur der Anfang. Nach jedem meiner unzähligen Ableben wache ich in der letzten von mir aktivierten Zuflucht auf, die verstreut auf der Insel liegen und von mir nach und nach aktiviert werden müssen. Mittels im Spielverlauf auffindbarer Steinstatuen kann ich hier zusätzlich ein klein wenig Basisbau und Mikromanagement betreiben. Ich darf beispielsweise einen Söldner in meine Zuflucht holen, den ein Mitspieler über einen zweiten Controller steuern kann. Oder ich heuere einen Schmied an, der für Salz, neben Gold die Universalwährung des Spiels, Gegenstände verbessert und Waffen und Rüstungen verkauft. Dumm nur, dass sich bei jedem Tod meine Gewürzmühle leert und ich meinen Henker erst wieder zur Strecke bringen muss, um selbiges wiederzuerlangen. Immerhin benötige ich das Salz auch, um Stufen aufzusteigen und dadurch neue Fertigkeiten wie das Tragen höherklassiger Waffen oder zusätzliche Aufladungen für meine Heil-Fähigkeit freizuschalten.
Spätestens jetzt dürften bei jedem die Alarmglocken schrillen: Kennt man das nicht irgendwo her? Aus Boletaria, Lordran und Drangleic, sprich der Souls-Reihe, den bockschweren Action-RPG-Zeitfressern? Auf den ersten Blick haben die Entwickler bei sämtlichen Markenzeichen der Serie ordentlich zugelangt: Der mit einem bestimmten Preis versehenen Unsterblichkeit der Spielfigur, der kryptischen Hintergrundgeschichte, dem auf Taktik und Geduld basierenden Kampfsystem, den übergroßen, furchterregenden Endgegnern – eigentlich der gesamten Spielmechanik. Dennoch stellt Salt and Sanctuary in seiner Nuancierung nahezu schon eine Weiterentwicklung des Souls-Systems dar. Der Basisbau erweitert das Spielprinzip um eine weitere taktische Komponente. Die durch die Kombination von schweren und leichten Angriffen abrufbaren Schlagfolgen wirken logischer verknüpft und dank der generell höheren Spielgeschwindigkeit dynamischer. Auch die Spielwelt, mit ihren versunkenen Burgen, mystischen Wäldern und blutüberströmten Kerkern, hat ihren ganz eigenen Charme. Der Kontrast zwischen der Chibi-Japan-Optik der Charaktere des Spiels und den zwar liebevoll gestalteten, aber dennoch trostlosen und beizeiten mit enorm expliziten Details gespickten Umgebungen, wirkt nur auf den ersten Blick extrem.
Vor allem muss man dem Spiel aber zu Gute halten, dass meine Motivation, trotz der wiederum vom spirituellen Vorbild geklauten Momente der Unfairness, enorm hoch bleibt. Vielleicht ist der gut getaktete Spielfluss dafür verantwortlich, vielleicht die fordernden und mit viel Liebe zum Detail gestalteten Bossgegner. Vielleicht ist es aber auch einfach die Tatsache, dass es noch ein paar Wochen bis zum Release von Dark Souls III dauert und der Masochist in mir so gern an den Schmerz erinnert wird. Klar ist allerdings, dass Salt and Sanctuary zu den besseren Souls-Klonen gehört – auch wenn es trotz allem nur der Schüler des Meisters der Frust-Spiele bleibt.
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