Star Command

Eines der ersten erfolgreich finanzierten Kickstarter-Spiele-Projekte, noch vor Tim Schafers DoubleFine-Adventure-Siegeszug, war Star Command von War Balloon. Das deutlich von Star Trek inspirierte iOS-Spiel versprach eine liebevoll gepixelte SciFi-Hommage zu werden:

“Once you build a ship and hire your crew, you can travel deeper into new sectors to explore the mysteries of the universe. Players can discover strange planets, conduct away missions, explore derelict ships and conduct diplomacy with strange civilizations.”

Direkt nach der erfolgreichen Finanzierung wurde das Projekt aber zunächst erst einmal etwas unrühmlich dafür berühmt, dass die Initiatoren sich heillos bei der Kalkulation verschätzt hatten. Nach Abzug der Versand- und Produktionskosten für die Kickstarter-Belohnungen (Shirts & Poster) an die Unterstützer, Anwaltskosten für die Firmengründung und Co waren von den 36.000 USD nur noch ca. 4.000 USD übrig – ohne, dass davon bereits produktiv an der Entwicklung des Spieles gearbeitet wurde. Noch dazu bekam man damals für die Spende nicht mal das Spiel nach dem Release dazu. Nach einer zweiten Kickstarter-Finanzierungsrunde mit 151.806 USD, die offiziell für die PC- und Mac-Version galt, war das Geld dann aber endlich zusammengetrommelt und fast anderthalbe Jahre später ist das Spiel nun tatsächlich am 2. Mai erschienen.

Die erste Enttäuschung: Trotz der langen Wartezeit ist leider vom ursprünglichen Anspruch des Spiels “explore the the universe / discover strange planets / conduct away missions / conduct diplomacy” nicht viel übrig geblieben. Die erste spielbare Version von Star Command fühlt sich eher an wie ein Prototyp der Basis-Substanz und nicht wie das Spiel, das in der Projektbeschreibung angekündigt wurde. Ja, es hat wundervoll detailliert gepixelte Raumschiffe, die man aufrüstet und man heuert Leute an, um mit ihnen auf Weltraummissionen zu gehen. Dort trifft man zwar auch auf fremde Zivilisationen, aber das einzige was man dort machen kann ist… kämpfen. Es spielt keine Rolle, auf welche Rasse man trifft, auf welchen Planeten man fliegt oder wie man die spärlichen Dialogoptionen beantwortet. Es läuft immer unweigerlich auf Kampf hinaus.

Es gibt kein frei erkundbares Universum, es gibt keine Raumstationen oder Planeten-Ausflüge, keine Diplomatie, Überraschungen oder Forschung. Es gibt genau 15 Gegner in der “Story-Line” und alle Kämpfe laufen immer nach dem gleichen Muster ab:

Bordkanonen werden durch einen Klick eines Menüpunkts im jeweiligen Raum aufgeladen. Ist dann der schrecklich langsame Timer abgelaufen, wurde eine “Munitionseinheit” dafür generiert. Diese verbraucht sich beim Abfeuern der Kanonen bzw. beim Erneuern der Schilde oder für Ausweichmanöver und starten kleine Minispiele, bei denen richtiges Tippen im Takt gefragt ist. Versemmelt man diese Minispiele, landet man keine Treffer und muss noch länger warten. Sind keine dieser Tokens mehr vorrätig und der Timer läuft noch, ist Warten angesagt. Ich hatte stellenweise das Gefühl, ich spiele ein F2P-Spiel, für das ich vorab 2,69 EUR gezahlt habe, ohne die Möglichkeit zu haben, die Wartezeit durch weitere Käufe abzukürzen. Eine denkbar schlechte Mischung.

Die KI verhält sich ungefähr so intelligent wie ein Ferengi während einer Ohrmuschelmassage

Zwischen den Schüssen wird das Schiff natürlich ebenfalls attackiert und in den meisten Fällen teleportieren sich feindliche Einheiten auf das Deck. Hier beginnt das eigentliche Herzstück des Spiels. Die meiste Zeit verbringt man nämlich damit, Einheiten wie in einem RTS gegen feindliche Einheiten zu schicken, Heiler richtig zu positionieren und Ingenieure zum Reparieren zu beordern. Dabei verzichtet das Spiel jedoch auf jegliche Komfortfunktionen der letzten 15 Jahre RTS-Entwicklung. Es gibt zum Beispiel keine Möglichkeit, alle Red-Shirts (die einzigen Einheiten mit Waffen) zu markieren, um diese gesammelt an einen Punkt zu senden. Jede einzelne Einheit muss angetippt und platziert werden. Das funktioniert auf dem iPad einigermaßen gut, auf dem iPhone dagegen lässt sich die Universal-App nur denkbar schlecht bedienen. Da die Speicherstände nur lokal auf dem Gerät liegen und nicht über Apples Cloud-System synchronisiert werden, kommt man eh nicht in Versuchung, zwischen den Geräten zu wechseln.

Die KI verhält sich ungefähr so intelligent wie ein Ferengi während einer Ohrmuschelmassage. Mein Reparatur-Trupp löscht zwar das erste Feuer, zu dem ich ihn geschickt habe, bleibt dann aber seelenruhig im Flur stehen, weil er das nächste Feuer zwei Pixel daneben nicht wahrnimmt. Dass er gerade beschossen wird, stört ihn dabei auch nicht. Und erst zu spät bemerke ich in der Hektik natürlich, dass sich das Alien weiter bewegt hat und damit jetzt außerhalb des unsichtbaren Radius des Kapitäns befindet. So stehen die beiden Weltraumhelden im Flur und lassen sich in Ruhe töten, anstatt sich zu wehren oder in Deckung zu gehen. Währenddessen wird mein medizinisches Personal aus dem Raumschiff in den Weltraum gesaugt, weil die beiden Blauhemden direkt am Loch in der Raumhülle vorbeilaufen, welches dort schon seit Minuten klafft, anstatt einen kleinen Umweg in Erwägung zu ziehen.

Dieser Mangel an Unterstützung vom Spiel ist extrem frustrierend, weil der Schwierigkeitsgrad nicht gerade niedrig angesetzt ist. Ohne Personal und Aufrüstung der Waffen sind die späteren Kämpfe kaum zu bewältigen, aber die Belohnungen aus den Kämpfen sind so gering, dass das meiste davon für das Ersetzen der verlorenen Crew-Mitglieder benötigt wird. Eine frische Besatzung hat aber wiederum weniger Erfahrung und damit weniger Fähigkeiten und macht die Kämpfe an Deck dadurch sogar noch schwieriger.

Kein Game Dev Story mit SciFi-Flair, sondern unausgewogenes RTS

Wenn man die Schwachstellen der Steuerung und der KI durchschaut hat, kann man sich natürlich einigermaßen damit arrangieren und etwas Spaß haben, keine Frage. Bei einem 2,69 EUR-Spiel von enttäuschten Erwartungen zu sprechen, fühlt sich zugegebenermaßen auch etwas seltsam an. Aber ich bin ganz einfach enttäuscht, weil ich mich seit über 15 Monaten auf ein komplett anderes Genre gefreut habe. Es ist klar, dass sich ein Projekt im Laufe der Entwicklung verändert und ein Eigenleben entwickelt. Man darf auch nicht vergessen: Kickstarter ist und bleibt eine Investitions-Plattform und kein Shop – das Risiko wird immer da sein, dass ein Projekt nicht so realisiert werden kann wie geplant.

Für meinen Geschmack wurde aber ganz einfach der Fokus falsch gesetzt. Es ist kein Game Dev Story mit SciFi-Flair geworden, wie es die Macher beim ersten Kickstarter-Aufruf vorhatten. Star Command ist ein reines, eher mittelmäßig gut funktionierendes und unausgewogenes Action-Strategiespiel und kein “Raumschiff-Simulator” mit Star Trek-Atmosphäre. In Star Command fühle ich mich nicht wie ein Raumschiff-Kapitän, sondern wie der Bord-Hausmeister. Ich gebe meiner Crew keine Befehle und bewahre den Überblick, sondern muss dank nervigem Micromanagement dann am Ende doch alles selber machen. Schade. Also heißt es weiter warten, bis endlich FTL auf dem iPad erscheint.