Super Hexagon
Tja. Noch bin ich nicht hundertprozentig sicher, aber ich wage an dieser Stelle folgende Behauptung: VVVVVV-Macher Terry Cavanagh hat es geschafft, ein Spiel zu entwickeln, das mich noch mehr fesselt als der Plattformer mit kaputter Schwerkraft und Besessenheit vom Buchstaben V.
Super Hexagon ist sein erster iOS-Titel und seit ein paar Tagen erhältlich – in denen es nämlich kein anderes Spiel geschafft hat, so häufig auf dem Display meines iPhones zu erstrahlen. Die knallharte Wahrheit: Ich hasse es. Fast genau so sehr wie ich es liebe.
Das Prinzip ist schnell erklärt: Ein kleines Dreieck wird durch Berührung der Display-Seiten entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn um ein Hexagon gedreht, während von außen Wände auf die Bildschirmmitte zu rasen. Reagiert der Spieler schnell genug, kann er es durch eine Lücke lenken und die nächste Ebene erreichen.
Simplizität ist König. Genau wie Ziggurat hat es Super Hexagon nicht nötig, auf Biegen und Brechen alle Gesten und Funktionen der iOS-Touch-Steuerung zu nutzen. Tippen zum Starten, Tippen zum Lenken – ganz einfach. Und doch so unglaublich schwer.
Hinter bunten Flächen, die sich zum Chip-Soundtrack von Chipzel vor meinen Augen drehen, verbirgt sich für mich die spielgewordene Panikattacke. Ich sehe flackernde Flächen, tippe wild nach links und rechts und verlasse mich irgendwann nur noch auf Muskelgedächtnis und Hand-Augen-Koordination. Woher die plötzlich kommen? Keine Ahnung. Wie in Guitar Hero nehme ich die auf das kleine Dreieck herabstürzenden Formen gar nicht mehr als solche wahr, frage mich, ob es vielleicht einen Piloten darstellen soll, einen Menschen auf der Flucht aus einem Hochsicherheitstrakt, einen gestressten Spieleblogger beim Versuch zu überleben.
Von der Spielgeschwindigkeit abgesehen erhöht sich der Schwierigkeitsgrad alle zehn Sekunden, wenn sich die sechseckige Spielwelt schrittweise zum Pentagon, Quadrat oder Dreick zusammenzieht und wieder ausdehnt. Für diejenigen, die nicht an Timing-Ansprüche eines Super Meat Boy oder I Wanna Be The Guy gewöhnt sind, gleicht die Lernkurve von Super Hexagon einer Wand. Die Regeln sind leicht, der Weg klar vorgegeben – und doch scheitert jeder früher oder später an der eigenen Fehleinschätzung oder Trägheit.
Dass ich trotz aller Frustration nach jedem Ableben ohne zu zögern auf RETRY drücke, liegt an einer Tatsache, die mir in allen fiesen Arschlöchern unter den Spielen – von Super Hexagon und Spelunky bis zu Dark Souls – auffällt: Sie sind verdammt schwierig, aber nie auch nur das kleinste Bisschen unfair.
Wer die richtige Sichtweise aufs Spiel entwickelt und alle möglichen Situationen, Züge und Systeme lernt, der schafft es irgendwann auch mit Leichtigkeit, Lücken zu durchschlüpfen und die Hürden in Spiel und Schwierigkeitsgrad zu umgehen. Meine erste Runde in Super Hexagon hat ungefähr eine halbe Sekunde gedauert, mittlerweile halte ich beizeiten über eine Minute durch. Und nach jeder Bruchlandung in der Wand höre ich die grimmige Stimme in meinem Kopf sagen: “Jetzt noch mal ohne den blöden Fehler am Ende.”