Tiny Barbarian DX

»Nur dem Schwert kannst Du vertrauen.«

Erinnert ihr euch noch an Tiny Barbarian? Das kleine, ordentlich spielbare Retro-Abenteuer; basierend auf der Kurzgeschichte “The Frost-Giant’s Daughter”? Nein? Macht nichts, denn andere folgten dem Ruf des kleinen GameMaker-Spielchens aus grauer Vorzeit und so entstand ein erfolgreiches Kickstarterprojekt. Tausend Mann in Spendierhosen verlangten nach massiven Muskeln, minimalistischer Pixeloptik, nintendo-hartem Schwierigkeitsgrad und einer gehörigen Portion Barbaren-Pulp nach Vorbild von Robert E. Howard. Mit Kickstarter-Gold und einem halben Jahr investierter Zeit schmiedeten StarQuail Games in den Feuern von Mt. Indie ihr Fellstiefel-Epos: Tiny Barbarian DX!

In eine Frazetta’sche Fantasywelt geworfen (wortwörtlich, denn man darf sich noch vor dem Titelbildschirm um sein Leben prügeln) begleiten wir unseren kompakten Helden beim üblichen Barbarenhandwerk. Stachelgruben und waghalsige Kletterpartien wollen überwunden werden, allerlei schlecht gelaunte Krieger, Wachen und übles Getier lassen sich nur mit kaltem Stahl auf den Pfad der Tugend zurückbringen und zudem wartet jede Menge eingemauertes Geflügel auf seinen Verzehr. Ihr kennt das.

Und genau das ist der Knackpunkt. So nett das Ganze auch aussieht, so durchschnittlich und wenig überraschend gestaltet sich der Heldenalltag. Die meisten Gameplay-Elemente sind altbekannt — bisschen hüpfen und springen, gegebenenfalls mal an einem Vorsprung oder einer Kette hochziehen und brüchiges Mauerwerk mit dem Schwert bearbeiten für phat loot oder Gemäuergeflügel. Wirkt alles sehr NES Castlevania, nur ohne Peitsche oder ohrwurmiger Musik. 2D-Experten werden beim Spielen sicherlich noch weitere Inspirationen aus anderen Titeln wiedererkennen. Auch das Kampfsystem scheint nur halbwegs durchdacht: Was nützen Combomöglichkeiten und Juggles, wenn dabei weder Punkte noch derbe Fatalities rausspringen, geschweige denn, dass es einen Combo-Zähler gibt? Auch mangelt es an Enthauptungen — im gesamten Spielablauf wird niemand geköpft. Dabei weiß der echte Barbarian: Wahre Gefühle kann der Muskelmann nur durch Gewalt zum Ausdruck bringen, und wo Gewalt Ausdruck ist kann MEHR GEWALT nur MEHR AUSDRUCK bedeuten, in diesem Spielchen aber leider Fehlanzeige. (Immerhin trösten ein paar vollbusige Weiber über diesen traurigen Umstand hinweg.)

Neben der Saftlosigkeit und einem schwachen Soundtrack, sind es vor allem ein paar handwerkliche Macken wie die etwas eigentümliche Kollisionsabfrage, das schwache Trefferfeedback und der nicht funktionierende Gamepad-Support, die mich nerven und in schöner Regelmäßigkeit zum Fluchen brachten. Die Steuerung mit Tastatur geht zwar ausreichend gut von der Hand, für den maximalen Archaik-Faktor bedarf es aber (vermutlich) eines klassischen Joypads Marke NES-Controller oder besser noch einen Competition Pro.

Was Tiny Barbarian DX wirklich aus der Masse an Allerwelts-Actionspielchen emporhebt, ist die sehr, sehr liebevolle Umsetzung des Barbaren-Themas. Durch die geringe Größe des Helden wirken die Tempelanlagen und Kerker monolithischer, die Welt urzeitlicher und die Bosskämpfe epischer als bei vergleichbaren Spielen. Jede Menge Referenzen an Kull, Conan und ähnliche Pulp-Werke entzücken den Fan und sorgen für raschen Wuchs von Heavy Metal-Mähne und Brustbehaarung. Besonders das (anspruchsvolle) Finale ist grandios und lässt einen selbst vor dem Bildschirm selbst zum wutschäumenden Berserker werden.

Glücklicherweise ist das Abenteuer nach anderthalb Stunden auch schon wieder vorbei und fängt den Kurzgeschichten-Charakter der Vorlagen dabei vortrefflich ein. Einige überlange Räume strecken die Spielzeit zwar unnötig, dennoch bleibt das Ganze ausreichend unterhaltsam, um am Stück durchgespielt zu werden. Ob ich noch einmal auf Diamantenjagd gehe bleibt dabei allerdings fraglich — dafür fehlt dem Titel das gewisse Etwas, schließlich verlieren die meisten Räume bereits nach dem ersten Lösen deutlich an Reiz. Der Mangel an Leaderboards machen Highscore-Jagd und Speedruns relativ sinnlos.

Für die weiteren, bereits angekündigten Episoden würde ich mir allerdings wieder das Kettenhemd umschnallen, mein Zopfgummi lösen und das Breitschwert auspacken — denn zu kämpfen mit dem Feind, ihn zu verfolgen, zu vernichten und sich am Geschrei der Weiber zu erfreuen, das ist nun mal das Beste im Leben eines Mannes, ganz egal, aus wie wenigen Pixeln dieser besteht.


Es handelt sich hierbei um einen Gastartikel von Maik „Aulbath“ Wiechmann. Er bloggt für Shodannews und twittert unter dem Pseudonym @InsertDiskII.