Valkyria Chronicles: Zeichentrick-Schlachtgemälde
Ich erinnere mich noch daran, die Demo von Valkyria Chronicles auf meiner PlayStation 3 gespielt zu haben. Das muss so 2008 gewesen sein. Und obwohl das Strategiespiel im Anime-Design es mir durchaus angetan hatte, blieb es doch immer nur ein Eintrag auf meiner Wunschliste. Nach sechs Jahren erscheint es nun bei Steam. Sechs Jahre sind eine lange Zeit für ein Videospiel — und mir kommt es noch länger vor.
Die kleine Nation Gallien gerät zwischen die Fronten des Krieges der diktatorischen Imperialen Allianz und der demokratischen Atlantischen Föderation. Trotz ihres jungen Alters finden sich die Heldinnen Alicia, Welkin und Isara plötzlich im Kampf um ihre Heimat wieder. Valkyria Chronicles’ Stil ist ein für Anime nicht unüblicher Mischmasch aus verschiedenen Einflüssen. So stehen den Zweite-Weltkriegs-Panzern Fußtruppen gegenüber, die mit Lanzen bewaffnet gegen diese metallenen Drachen kämpfen. Es gibt unverkennbare Bezüge auf das echte Europa, die Länder sind trotzdem komplett fiktiv. Und bei der Vermischung aus Realität und Fiktion passt es auch, dass die kleine, wehrhafte Nation ausgerechnet Gallien heißt.
Die Geschichte ist weniger am Wesen des Krieges interessiert, sondern viel mehr an den Einzelschicksalen der Soldat*innen. Jedes Mitglied des Trupps hat eine eigene Persönlichkeit und sie alle sehnen sich nach ihrem Leben vor dem Krieg. Im Gegensatz zu den Galliern sind die Soldaten des Imperiums gesichtsloses Kanonenfutter, deren Abschüsse bejubelt werden. Trotzdem werden immer wieder auch die Grauen des Krieges sichtbar. Der leichtherzige Ton und die warmen Farben der wie mit Aquarell und Bleistift gemalten Landschaft wirken eher wie eine Flucht vor dieser Wirklichkeit, die sie aber nie ganz verdrängen kann.
Spielerisch ähnelt Valkyria Chronicles dem Prinzip, das XCOM: Enemy Unknown 2012 perfektioniert hat. Kleine Trupps kämpfen in rundenbasierten Gefechten in verschiedenen Umgebungen gegeneinander, während Missionsübergreifende Fortschritte wie die Entwicklung neuer Waffen im Hauptquartier stattfinden. Die Truppen werden direkt aus der dritten Person gesteuert. So bin ich nicht nur der über dem Schlachtfeld schwebende Befehlshaber, sondern befinde mich auch immer wieder selbst direkt im Geschehen, das sonst eher von dem Blick auf die Übersichtskarte geprägt ist. Nach jeder Aktion werden aus den Einheiten hier wieder rote und blaue Punkte auf einem braunen Stück Papier, von wo das weitere Vorgehen geplant wird. Die direkte Steuerung bringt nicht nur Action, sondern auch ein Gefühl der Verantwortung für die Einheiten. Läuft jemand in einen Hinterhalt war es nicht nur ein unüberlegtes Kommando – ich bin höchstpersönlich in die Falle gerannt.
Schlachten dauern lang und jeder Fortschritt ist hart erkämpft. Eine unüberlegte Offensive wird von einem Konter des Gegners schnell bestraft, gleichzeitig zwingt ein Runden-Limit zum Handeln. Doch auch nach schlechten Starts konnte ich schon verloren geglaubte Missionen noch erfolgreich beenden. Das Schlachtglück lässt sich immer noch wenden, es erfordert lediglich Geduld, Arbeit und gute Nerven. Verliert eine Einheit ihre Lebensenergie, kann kann an ihrer Stelle eine andere nachrücken. Jeder Fehlschlag ist so auch immer eine Chance, die eigene Taktik anzupassen. Um ein perfektes Team zusammenzustellen, hilft es eher, mit der Zeit die Charaktere kennen zu lernen, statt nur ihre Statistiken zu vergleichen. Alle haben eigene Stärken und Schwächen, die sich direkt im Spiel wiederspiegeln: Naturkinder können sich in Wäldern schneller fortbewegen, manche denken fatalistisch und geraten in Panik, sobald sie zu viel Lebensenergie verlieren und rassistische Ressentiments innerhalb der Truppe können die Kampfkraft senken.
Valkyria Chronicles wirkt wie aus der Zeit gefallen. Es ist ein langsames Spiel, selbst so schwerfällig wie der Panzer “Edelweiß”, der in der Handlung eine zentrale Rolle einnimmt. Auch er ist eigentlich schon ausgemustert, wird aber für den Krieg wieder reaktiviert. Doch wenn er erst einmal rollt, dann ist er kaum aufzuhalten. Und so merkwürdig Valkyria Chronicles als Konsolen-Portierung eines Rundenstrategiespiels im Anime-Look in Steams Portfolio wirkt, so scheint sich das Risiko für SEGA doch gelohnt zu haben. Die Liebe, mit der das wunderschöne Zeichentrick-Schlachtgemälde gemalt wurde, lässt sich spüren und mit all seinen verschiedenen Inspirationsquellen ist es vor allem eines: Eigen. Beides ist für das Kriegsspiel eines großen Publishers nicht selbstverständlich.