Es war einmal im Westen...
Es könnte alles so schön sein auf unserer kleinen Farm. Tagein, tagaus die Büffel hüten und ansonsten die idyllische Ruhe der neu erschlossenen Welt genießen. Aber eines Tages brennt ein Outlaw das Haus nieder und tötet die Familie… zum Abendbrot gibt es heute also mal wieder ein kalt serviertes Gericht: Rache.
Aber da es doch etwas mühsam wäre, einfach jeden verdächtig aussehenen Cowboy in Westerado zu erschießen, geht es auf die Spurensuche. Der Sheriff weiß, dass der Killer ein blaues Halstuch trug, während Rancher Bob sich an einen braunen Hut mit hoher Krempe erinnert. Und so setzt sich Stück für Stück ein genaues Bild auf dem Fahndungszettel zusammen, mit dem irgendwann der wahre Übeltäter konfrontiert werden kann. Ganz frei geben die Mitbürger die Puzzlestücke dieses Wild-West-Cluedos allerdings nicht heraus.
Sie verlangen immer nach einer Gegenleistung. Hier ein paar Büffel fangen, dort eine Postkutsche beschützen, zwischendurch ein wenig Kartenspielen oder vom Ersparten ein Haus kaufen. Und so bleibt der Racheakt nicht lange der einzige Eintrag im Tagebuch, sondern bekommt Gesellschaft von unzähligen anderen Quests. Die anfangs kleine Karte wird immer größer und füllt sich mit allem, was Karl May und Sergio Leone sich unter Amerika vorgestellt haben: Ranchen und Forts, Prärien und Wälder, Cowboys und Indianer, Saloons und Eisenbahnen. Und wenn alles erkundet ist, dann tut sich in der Unterwelt noch ein Labyrinth aus Minentunneln auf.
Die Rache rückt bei so viel Ablenkung schnell in den Hintergrund, aber es macht einfach zu viel Spaß, die Prärie zu erkunden und Gauner aufzuknüpfen. Zumindest machen die zahlreichen Showdowns in Geisterstädten und Canyons immer dann Spaß, wenn gerade mal nicht die träge Steuerung zwischen die zweiläufige Schrotflinte und eine Gruppe Revolverhelden kommt. Oder wenn sich gerade nicht ein paar Quests zu viel im Tagebuch sammeln, deren Ziele sich widersprechen und so das Spiel selbst durcheinanderbringen.
Aber von solchen gelegentlichen, kleinen Frustmomenten abgesehen ist Westerado immer noch würdiger Vertreter eines Genres, das in Videospielen eher selten erkundet wird und dort genau so tot ist, wie auf der heutigen Kinoleinwand. Viel mehr als eine Kulisse macht Westerado zwar nicht aus seinem mit Wild-West-Klischees und Meta-Witzen garnierten Setting, aber bis Rockstar endlich die Fortsetzung von Red Dead Redemption ankündigt, ist Westerado immer noch die beste Gelegenheit, sich auf dem Rücken eines Pixel-Pferdes ein bisschen Staub um die Nase wehen zu lassen.