Alle Jahre wieder trifft sich die Indie-Szene in Berlin
für den Versuch Videospiele voranzubringen.
Das A MAZE Festival fand im Rahmen der Games Week Berlin statt, die zwischen dem 21. und 26. April diverse Veranstaltungen unter ihrem Motto “Connecting Game Business, Technology and Culture” vereinte — etwa die Entwicklerkonferenz Quo Vadis oder die Verleihung des Deutschen Computerspielepreises. Die A MAZE füllte dabei eher das letzte Schlagwort mit Inhalten: Kultur. Zwei Tage füllte sie mit einer Ausstellung, Konferenz-Sessions, Workshops, Konzerten und Installationen.
Bereits seit 7 Jahren findet unter dem Banner ein stetig wachsendes Festival für alternative Videospielkultur in Berlin statt. Beim Eröffnungsabend im Urban Spree kamen dieses Jahr tausend Menschen zusammen, um zwischen der Ausstellung von Spielen, Kunst-Performances und Live-Musik zu Feiern und damit die Stimmung für die folgenden Tage zu setzen.
“WOMEN” stand plakativ auf der gedruckten Ausgabe des A MAZE Magazins, das zur Game Developer Conference in San Francisco im März dieses Jahres erschien. Das kleine Projekt war eine deutliche Gegenstimme zu den frauenfeindlichen Hassstürmen, die sich seit bald einem Jahr unter dem Namen #GamerGate nicht nur im Internet abspielen. Die Ansage übertrug sich auch auf die Konferenz, die zwar nicht ganz, aber doch fast einen Anteil von 50% vortragender Frauen auf die Bühne brachte. Auch wenn es nicht nach viel klingt, ist es in einem nach wie vor von Männern dominierten Feld wie Computertechnologie und Videospielen ein wichtiges Zeichen.
Die Diversität beschränkte sich nicht auf das Geschlecht der Vortragenden, sondern zog sich auch inhaltlich durch das Programm. Gezeichnet wurde ein Bild von Videospielen, das über den ersten, technischen Wortteil hinausgeht und den zweiten betonte: “playfulness”, Verspieltheit, war immer wieder zu hören. Die Konferenz präsentierte Indiegames auf der Suche nach Orientierung. Nach einigen kommerziellen Erfolgen und dem Hype der letzten Jahre, in denen selbst Industriegrößen wie Sony und Microsoft die Szene für sich entdeckt haben, sucht eine eingeschworene Gemeinschaft nun nach neuer Inspiration. Dazu ging der Blick in den meisten Vorträgen über den eigenen Tellerrand hinaus.
Nadezda Suvorova etwa berichtet davon, wie ihre Faszination für NASA-Fotografie sie zu der Idee für die iPad-Spiele OKO brachte und wie sie auch den Nachfolger MIKMA rund um wissenschaftliche Konzepte herum aufbaut. Das Berliner Zwei-Mann-Studio Maschinen-Mensch machte sich selbstständig und erzählten, wie ihr Projekt Curious Expedition für sie selbst genau dies ist: Eine Expedition in unentdeckte Gefilde. Und während Holly Gramazio erst über ihre Arbeit mit physischen Spielen zu den digitalen Pendants fand, trägt Marie Foulston sie als Videospiel-Kuratorin im Auftrag des Victoria and Albert Museums weiter in die Welt der Kunst.
Die vielen Perspektiven der Vorträge zeichneten nach zwei Tagen das Bild von einer Szene, die auch weiter gierig nach neuen Ideen ist. Die einzige Ausnahme bildete ein Beitrag vom Sponsor Unity: Der Business-Talk über Werbung in kostenlosen Spielen wirkte fehl am Platz und verdeutlichte damit noch einmal, dass kaum jemand auf der A MAZE ein Interesse daran hat, Videospiele als bloßes Produkt zu betrachten.
Bei der abschließenden Preisverleihung am Freitag Abend entschied sich das Publikum mit einer klaren Mehrheit für ein Spiel, das aus jeder engeren Definition des Begriffs “Computerspiel” herausfallen würde. Mit Linewobbler übertrug Robin Baumgarten das Roguelike – eines der ältesten Videospiel-Genres – auf eine eindimensionale Linie aus LED-Lichtern. Wie bereits letztes Jahr erhielt den Publikumspreis damit ein Spiel, das ohne Bildschirm auskommt: 2014 gewann Jerry Belich mit dem Choosatron — einem kleinen Holzkasten, der interaktive Geschichten auf Kassenbons ausdruckt.
Für von Kritik und Publikum gefeierte Spiele wie Kentucky Route Zero blieb es bei einer Nominierung. Den Hauptpreis für das “Most Amazing Game” gewann stattdessen mit Curtain von Llaura Dreamfeel eine surrealer und schwer zugänglicher Titel, der von Gewalt in einer Beziehung erzählt. Es ist ein Spiel, bei dem nicht Spaß im Vordergrund steht. Curtain ist persönlich, intensiv und unkonventionell – und wie Organisator Thorsten Wiedemann zu Beginn der Verleihung andeutete genau die Art von Werk, die eine Veranstaltung wie die A MAZE antreibt.
Damit endete die A MAZE thematisch genau dort, wo Nina Freeman sie in ihrem Vortrag “I don’t have to hide anymore” eröffnete. Videospiele sind schon lange kein reines Unterhaltungsmedium mehr, auch wenn sie das Wort “Spiel” im Namen tragen. Sie sind eine Ausdrucksform, die voller Möglichkeiten steckt — weit über das verzerrte Bild aus kommerzialisiertem Mainstream und Hassgruppen im Internet hinaus. Vielleicht kann eine Veranstaltung wie die A MAZE Beispiel sein und ein besseres Bild vermitteln.