1-2-Switch: Zum Mäuse melken

Auf dem Heimweg gibt es für mich gerade kein Entrinnen vor Nintendos Switch. Allerdings nicht, weil ich im Bus durch die Landschaft von Hyrule reite, sondern Nintendos Plakatwerbung sehr darum bemüht ist, die Welt daran zu erinnern, dass es neben The Legend of Zelda: Breath of the Wild auch noch andere Spiele für ihre neu erschienene Konsole gibt. Und so lächeln mich nicht Link und Zelda von den Litfaßsäulen aus an, sondern die gut gelaunten Millennials des Partyspiels 1-2-Switch.

Die Sammlung umfasst 28 Spiele. Drei davon sind gut. Das Tresorknacken demonstriert nicht nur, zu was für subtilen Bewegungen das “HD Rumble” der Controller imstande ist, sondern funktioniert auch als Test der eigenen Feinmotorik. Beim Fahnenschwenken auf Zuruf wird eine unterhaltsame Mischung aus Kommandoverarbeitung und Reaktionsgeschwindigkeit gefordert. Und das Samurai-Schwert-Training setzt die versprochene Idee eines Duells, bei dem man nicht auf den Monitor, sondern seiner bluffenden Konkurrenz in die Augen schaut, erfolgreich um.

Und das war’s. Die restlichen Minispiele kranken an unintuitiven Regelwerken, Fremdscham erzeugender Präsentation oder schlechter technischer Umsetzung. Aber schlimmer als das sind die unerwartet verstörenden Momente: Da muss man sich als Gorilla auf die Brust klopfen, um ein Weibchen für sich zu gewinnen, in der Gruppe mit einer Sektflasche bis zur Ejakulation um die Wette masturbieren oder die gesamte Konsole wie ein schreiendes Baby in den Schlaf wiegen. Kein Wunder, dass John Cena im Werbespot nur das harmlose Luftpistolenduell ausprobieren durfte.

So jung und dynamisch sich die Schauspielerinnen und Schauspieler in den ebenso hochwertig produzierten wie quälend lang(weilig)en Erklärungsvideos auch geben, über die stets präsenten Geschlechterrollen aus den 50ern und die verklemmte Vorstellung einer Party als Kindergeburtstag mit Schnaps kommt 1-2-Switch nicht hinweg. Es ist ein Spiel gewordenes GIF von Steve Buscemi, der versucht, an der High School dazuzugehören.

Ich hoffe, dass diese Peinlichkeit der Switch nicht den Ruf als Stimmungskiller einbringt. Denn ihr Potenzial als Gerät für Gesellschaftsspiele ist immer noch vorhanden. Ein gut umgesetztes Mario Party oder gar ein elegantes und komplett ohne Bildschirm auskommendes Bewegungsspiel wie Johann Sebastian Joust würde sich perfekt für die transportable Konsole eignen, ohne dass sich ihr Eigentümer als der Freak mit dem Kuh-Melk-Simulator brandmarken lassen muss. Die vermeintliche Zielgruppe der “Nicht-Gamer” dürften so aber eher verschreckt werden.

Einige Nintendo-Fans zeigten sich verwundert, dass Nintendo 1-2-Switch nicht einfach kostenlos jeder verkauften Konsole beilegt. Ich bin froh, dass sie es nicht getan haben. Wenn es nach mir ginge, sollte der Preis sogar noch weiter angehoben werden. Umso geringer wäre die Chance, dass sich jemand dieses aus Masturbations-Witzchen und Technik-Demos zusammengeschusterte Chaos versehentlich anschafft. Und selbst dann würde es wahrscheinlich mehr Spaß machen, an der Speicherkarte des Spiels zu lecken.

Für Fans von: Fremdscham / Zweideutigkeiten / den schlechten Teilen von Mario Party