Bestimmt gibt es Gründe, dieses Spiel zu mögen.
Aber ich konnte sie im hohem Gras nicht finden.
Angesichts der einstimmigen Begeisterung für Horizon Zero Dawn fühlte ich mich in den letzten Wochen fast wie ein Ausgestoßener. Eine Rezension nach der anderen lobte die gelungene Übernahme altbekannter Mechaniken aus anderen Open-World-Spielen und vielleicht war genau das der Grund, warum mich dieses Spiel so frustriert hinterlassen hat. Vielleicht habe ich einfach endgültig genug von der Gamedesign-Monokultur, von Audiotagebüchern über den Weltuntergang, von farbig markierten Kanten, an denen ich hochklettern kann und von überfüllten Landkarten in einer ebenso schönen wie beliebigen Spielwelt.
Dass ich genug von solchen Spielen habe, ist natürlich nicht die Schuld von Horizon allein. Entwickler Guerrilla Games gibt sich durchaus Mühe, aus der Formelhaftigkeit des Open-World-Genres auszubrechen. Und tatsächlich hatte ich bei der Ankündigung die Hoffnung, dass ihnen das auch gelingen könnte. Heldin Aloy sah mit roten Haaren und gespanntem Bogen aus wie Kit Haringtons Lieblingsfigur aus Game of Thrones, die Kämpfe gegen übergroße Maschinenmonster versprachen Abwechslung vom immer gleichen Kampf gegen gesichtslose Soldaten und die futuristische Steinzeitwelt wirkte, in den golden schimmernden Sonnenuntergang getaucht, einfach atemberaubend.
Vielleicht bin ich selbst schuld, dass meine Hoffnung letztendlich enttäuscht wurde. Vielleicht hätte ich trotz vielversprechender Trailer kein Shadow of the Colossus mit den Produktionswerten von Killzone erwarten dürfen. Und vielleicht hätte ich auch keine falschen Ansprüche an die Hauptfigur allein aufgrund ihres Aussehens stellen sollen. Horizons Heldin Aloy ist keine Ygritte, sondern letzten Endes doch nur die Hauptfigur in einem Videospiel. Eine Ausgestoßene und Auserwählte, die sich von Rache getrieben auf einer gepunkteten Karte durch die Geschichte mordet.
Dabei ist Horizons Prämisse so spannend: Die Menschheit wird von ihren eigenen Maschinen zurück in die Steinzeit geworfen und entwickelt sich dort zu einer matriarchalen Stammesgesellschaft. Trotz des Weltuntergangs ist Horizon in mancher Hinsicht sogar mehr Utopie als Dystopie. Vorurteile und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Haut scheinen mitsamt der alten Welt untergegangen zu sein. Dank seine diversen Figuren setzt Horizon die Forderung nach mehr Repräsentation mit einer Leichtigkeit um, dass es für andere Spiele eigentlich keine Ausreden mehr gibt, es Guerrilla nicht gleichzutun.
Umso frustrierender ist es, dass dieser vielversprechende Ausgangspunkt letztendlich nirgendwohin führt und die vielen progressiven Ideen auf ein Spiel verschwendet werden, das tief in der Gegenwart verankert bleibt. Was das Fury Road des Actionspiels hätte sein können, ist letztendlich nur an der Oberfläche modern. Guerrilla weiß über die Prämisse hinaus so recht nichts mit seiner faszinierenden Welt und ihren Figuren anzufangen und klammert sich bei jeder Gelegenheit an altbekannte Mechaniken, statt ganz auf ihre zweifelsohne vorhandene Vision zu vertrauen.
Wird diese Vision dann doch einmal klar erkennbar, ist Horizon eines der besten Actionspiele der jüngeren Vergangenheit. Wenn Aloy mit Speer, Bogen und Stolperfallen bewaffnet zum ersten Mal gegen einen den bedrohlichen Sägezahn antritt, lässt sich ein Machtgefälle spüren, von dem ich schon gar nicht mehr glaubte, dass er so in einem Mainstream-Spiel stattfinden kann. Auch Horizon ist letztendlich natürlich eine Machtfantasie, aber eine, die sich zumindest stellenweise noch erkämpft werden muss.
Diese Momente müssen sich die Spielzeit leider mit weitaus genretypischerer Action teilen. Neben den Dinosauriern gibt es nämlich noch verfeindete Stämme, deren Schergen Aloy zu Hunderten erschießt, ersticht oder verbrennt. Bereits am Ende des ersten Aktes trägt sie ein vorsintflutliches Maschinengewehr und mäht eine Gruppe der gesichtslosen Angreifer nieder. Zwei Stunden später schleicht sie durch ein Banditenlager und schlachtet jeden Einzelnen aus dem Schutz der Dunkelheit heraus ab. Einer der befreiten Gefangenen dankt, ich kann bei ihm jetzt Ausrüstung kaufen. Später kann ich in irgendeinem Dialog eine mitfühlende Option wählen. Die Dramatik der ersten Kämpfe gegen Maschinen sind zu diesem Zeitpunkt fast vergessen. So aufregend und emotional ist leider keine der Begegnungen mit anderen Menschen.
Und so wird aus Horizon schnell ein Spiel wie so viele andere. Die Dinosaurier-Roboter sehen cool aus, aber die Kämpfe gegen sie wiederholen sich spätestens ab der dritten Begegnung und müssen sich die Aufmerksamkeit mit verfeindeten Stämmen teilen. Der Detailgrad der Welt ist beeindruckend, aber wichtig ist doch nur das immer gleich aussehende hohe Gras, das als Versteck dient. Die Figuren erscheinen divers, aber viele Charaktere bleiben eindimensional. Auserkorene Heldin, böser Kult und am Ende explodiert ein großer Roboter. Abspann, Teaser für ein Sequel, warten auf den DLC.
Horizon Zero Dawn ein schlechtes Spiel zu nennen wäre wohl nicht fair, schließlich erfüllt es auf dem Papier alle Anforderungen an ein gutes Spiel. Es ist technisch beeindruckend und das Setting unverbraucht, die offene Spielwelt bietet viele Aufgaben und die Story ist episch inszeniert. Aber geben wir uns, zehn Jahre nachdem Spiele wie Uncharted und Assassin’s Creed ihre prägenden Mechaniken etablierten, nicht mit zu wenig zufrieden? Sollten wir mittlerweile nicht kritischer sein, wenn ein Spiel von zwischenmenschlichen Beziehungen erzählen will, uns aber mit 200 Erfahrungspunkten und einem Achievement für den dreißigsten “Menschen-Kill” per Kopfschuss belohnt?
Immerhin bringt Aloy ein bisschen frischen Wind in das nach wie vor männlich dominierten Klima der Videospielhelden. Dass ihr Charakter sich über den Verlauf von zwanzig oder mehr Spielstunden kaum bewegt, lässt sich darüber fast vergessen. Nur bleibt von all den gut gemeinten, progressiven Ideen wenig übrig, wenn das Spiel um sie herum so rückwärtsgewandt ist. Ja, die Sonnenuntergänge von Horizon sind atemberaubend schön. Aber das sind sie in vielen anderen Spielen auch. Die wirkliche Schwierigkeit liegt darin, der Spielwelt Leben einzuhauchen. Im Fall von Horizon kommt dieses nicht aus dem Spiel selbst, sondern von seinen Fans. Sie sind es, die Aloys leere Seiten mit Inhalt füllen. Ich kann und will niemandem absprechen, dieses Spiel zu lieben. Denn letztendlich ist wohl egal, dass Horizon für mich nur ein weiterer wunderschöner, bedeutungsloser Massenmord ist. Ich hätte einfach nicht zu viel erwarten sollen.