Recut, remade, remastered: Resident Evil kehrt erneut zurück
von den Toten, um uns an ein früheres Leben zu erinnern.
Als Resident Evil 1996 für die PlayStation erschien, veränderte es Videospiele nachhaltig. Als es sechs Jahre später mit überarbeiteter Grafik auf dem GameCube veröffentlicht wurde, erinnerte es noch einmal an seine Brillianz. Aber was kann über Resident Evil noch gesagt werden, das nicht schon längst gesagt wurde? Welchen Platz hat es im tagesaktuellen Review-Terminkalender einer Games-Redaktion?
“Das erste Resident Evil ist ein bahnbrechender Titel, dem die Prägung des Begriffs “Survival Horror” zugesprochen wird.” (GameTrailers)
Heute muss sich Resident Evil dann ungeachtet seiner Geschichte mit aktuellen Titeln vergleichen lassen und offenbart dabei, wie wenig Raum die Strukturen des Spielejournalismus für eine Einordnung außerhalb von Re- oder Previews bieten. Allein die Vorstellung, stilbildende Filme wie 2001 oder Metropolis wären bei ihren erneuten Aufführungen auf Augenhöhe mit zeitgleich erschienen Werken verglichen worden, wirkt absurd. Ebenso wie diese Meilensteine des Science-Fiction-Kinos hat Resident Evil seinen Platz längst gefunden. Es sollte sich nicht an seinen Enkeln messen lassen müssen, sondern an der Erinnerung an sich selbst.
“Nostalgie bezeichnet eine sehnsuchtsvolle Hinwendung zu vergangenen Gegenständen oder Praktiken”, steht im Duden.
Der eigentliche Wert im Resident Evil HD Remaster liegt nicht in höher aufgelösten Texturen oder dem neuen Bildformat, sondern in der Zugänglichkeit der Plattform. Denn was nützen all die Klassiker und Meilensteine der Videospielgeschichte, wenn sie nicht mehr gespielt werden können? Resident Evil gehört nicht in ein Museum, sondern in abgedunkelte Wohnzimmer.
Resident Evil ist und war schon immer naiv, kitschig, ein tiefer Griff in die Klischeekiste. Wie ein Zombie frisst sich das Spiel durch die modrige Sprache aus fünfzig Jahren angloamerikanischen Kinos, setzt sie neu zusammen und kreiert sich seinen eigenen Mutanten. Resident Evil ist in seine Vorbilder verliebt, nicht in sich selbst. Es zitiert nicht ironisch, sondern aufrichtig.
“‘Es funktioniert ganz gut’ fasst meine Gefühle zum Resident Evil Remake alles in allem ganz gut zusammen.” (Polygon)
Resident Evil ist aber mehr als eine schöne Erinnerung, sondern auch ein Beispiel für gutes Gamedesign. Die Hintergründe der Spencer Mansion stecken voller kleiner Details, die das Labyrinth aus Fluren und Räumen mit der Zeit vertraut wirken lassen. Das Zusammenspiel aus über das Gebäude verteilten Rätseln, verschlossenen Türen und dem winzigen Inventar führt Spielende an einem unsichtbaren roten Faden durch die Welt.
Trotz der trashigen Horror-Story offenbart sich in der Geschichte eine für ein Videospiel unerwartet subtile Tiefe. Im trockenen Humor, der immer wieder eingestreut wird. In der verstörenden Beschreibung der Umgebungsdetails, die das Kopfkino anregen. Und in der eigenartigen, verzweifelten Poesie, die die Welt umschreibt. Das Herrenhaus ist starr und vorberechnet, so als hätte es den Überlebenskampf schon aufgegeben. Es ist eine Welt, in der Action-Held_innen Tagebücher finden, deren Seiten aber leer sind und ein Ofenfeuer mit einem fatalistischen Zweizeiler kommentiert wird.
“Resident Evil HD Remaster gewährt mir Einblicke in eine Zeit, in der Untote und düstere Herrenhäuser wahrlich für Beklemmung gesorgt haben müssen.” (gamespilot)
Das eigentliche Spiel von 2002 wurde, abgesehen von kleinen Änderungen, nicht angerührt. Dazu bestand auch kein Grund, denn es war bereits die bestmögliche Version des ursprünglichen Resident Evil, kompromisslos heruntergebrochen auf dessen Essenz. Manche mögen sich an dem kleinen Inventar und der ungelenken Steuerung stören, aber jede größere Änderung wäre ein Eingriff die Einheit, die die vielen aufeinander abgestimmten Einzelzeile des Spiels ausmachen.
“Willkommen im Überlebenshorror”, grüßt das Spiel nach dem ersten Start.
Wie entsteht Horror? Durch Einschränkungen. Mehr noch als die knappen Ressourcen erzeugt die eingeschränkte Sicht Unbehagen. Ich habe zwar nur noch zehn Schuss im Revolver, aber selbst die sind nichts mehr wert, wenn ich den Zombie nur höre und nicht sehe. Wenn mich nicht die Anwesenheit von Zombies beunruhigt, sondern die Tatsache, dass sie auf einmal nicht mehr da sind. Wenn ich an den Regeln des Spiels und meiner eigenen Wahrnehmung zweifle. Das ist Horror.
Was der alles verschlingende Nebel in Silent Hill, der Schein der Öllampe in Amnesia oder der unzuverlässige Bewegungssensor in Alien: Isolation sind in Resident Evil vorgegebene Perspektiven und langsam aufschwingende Türen. Technisch ist das 2015 ein Anachronismus, der aber nur umso mehr zeigt, welchen Einfluss Einschränkungen auf die Atmosphäre haben. Es sind keine Reliquien einer vergangenen Generation, sie sind Höhepunkte, die die Sprache des Horrors im Medium Videospiel definierten.
“Zeitgemäßes Spieldesign sieht allerdings anders aus, und deshalb raten wir Neueinsteigern von Resident Evil ab.” (GameStar)
Zur Dramaturgie der Machtlosigkeit gehört auch seine Überwindung. Der Endgegner wird nicht nur in die Luft gesprengt, sein Ableben wird auch aus mehreren Kameraperspektiven wiederholt gezeigt. Das Ungeheuer unterm Bett wird nicht durch eine Rakete besiegt, sondern dadurch, dass es entblößt und ins Licht gezogen wird. Es war ohnehin nur ein Schatten. Es gibt nämlich gar keine Monster.
Das Erreichen dieses Endes ist ein hart erarbeiteter Triumph. Resident Evil biedert sich nicht an den Zeitgeist an, denn es ist bereits die beste Version des Spiels, das es sein will. Vielleicht ist es nach irgendwelchen vermeintlich objektiven Maßsstäben nicht das beste Horror-Spiel auf dem Markt. Aber Resident Evil ist ein Werk, das morgen noch immer für sich stehen wird. Es ausschließlich im Kontext des Jetzt zu sehen ist ein großer Fehler. Resident Evil steht immer im Kontext seiner Vergangenheit und der Zukunft aller Spiele, die es noch immer beeinflusst.
Spielt Resident Evil wie ihr wollt, nur spielt es. Am Besten aber auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad und mit der unzeitgemäßen Steuerung, in einem abgedunkelten Zimmer und mit der Lautstärke weit aufgedreht. So lässt sich erleben, was dieses Spiel wirklich ist. Immer noch und immer wieder.