X Rebirth
Wer macht was? Mit wem? Warum? Und was ist das für ein Schiff? Beim ersten Anspielen von X Rebirth verstehe ich überhaupt nicht, worum es geht.
Das Genre der Raumschiff-Simulatoren selbst liegt mir sehr am Herzen, aber ich habe in der Vergangenheit nie einen Zugang zur X-Serie gefunden. X Rebirth verspricht, ein Reboot der Serie zu sein und als solches sollte es mich als Neuling eigentlich mit offenen Armen empfangen. Leider knallen mir die Entwickler schon in der Dia-Show, die als Startsequenz dient, Begriffe um die Ohren, mit denen ich überhaupt nichts anfangen kann: Albion, Plutarch, … was? Egal, ich beschließe, die Story vorerst zu ignorieren und mich auf das schiere Gameplay zu konzentrieren. Das scheitert bereits an an der Steuerung. Obwohl ich das Xbox 360-Gamepad benutze, erfordert X Rebirth für bestimmte Befehle Tastatur und Maus. Ich verzichte aufs Gamepad. Lieber zwei Eingabegeräte als drei.
Nachdem ich von einer so knapp bekleideten wie hölzern animierten Dame in meinem kleinen Raumschiff (Name: Albion Skunk) begrüßt werde, darf ich glücklicherweise ein bisschen durch den Weltraum fliegen. Hier wird sichtbar, was die Entwickler von Egosoft eigentlich wollten: Das Schiff steuert sich simpel, die Optionen sind aber vielfältig. Per Tastendruck öffnet sich der Bordcomputer. Auf dem Schirm sehe ich Navigationskarten und die spielinterne Enzyklopädie, eine Art X-Wikipedia. Hier fühlt sich X Rebirth wirklich wie eine Weltraum-Simulation an, in der ich als einsamer Pirat durchs All navigiere. Per Knopfdruck kann ich entscheiden, ob ich mit der Maus das Schiff selbst oder den Avatar des Spielers im Cockpit steuern möchte. Diese Mechanik wirkt erst eingängig, offenbart gleichermaßen eine der größten spielerischen Schwächen: sich selbst.
Denke ich an Spiele wie Tie Fighter oder Wing Commander zurück, empfinde ich es retrospektiv betrachtet als große Errungenschaft, dass ich mein Raumschiff direkt bewege. Ich bin keine Figur in einem Schiff, ich bin das Schiff. Darauf konzentriert sich das Spiel, eine andere virtuelle Inkarnation meiner selbst gibt es nicht. Das ist gut so, weil es keine Brüche erzeugt. X Rebirth gibt mir als Spieler eine zweite Inkarnation und wirft mich daher dauernd aus meinem Schiff. Wenn ich mit selbigem an einer Station andocke und aussteige, bewege ich mich als schwebende Kamera durch die Korridore und begegne dort Polygon-Monstern: Figuren, die bei jeder Ansprache robotisch den Arm heben und den immer gleichen Satz wiederholen. Obwohl ich im Weltraum bin, fühle ich mich peinlich an ein Final Fantasy-Dorf aus den 80ern erinnert. Die Entwickler wollten mit der Darstellung des Spielers als 3D-Avatar offenbar die Sterilität aus der X-Serie nehmen, Identifikationspotenzial schaffen. Die Umsetzung ist steriler als ein Urologie-Operationssaal.
Katastrophal ist, dass X Rebirth in einem Zustand erschienen ist, der mit gutem Willen als Beta-Version zu bezeichnen ist. Vernichtend ist, dass das Spiel auch nach der Behebung der schlimmsten Fehler nicht wirklich besser wird. X Rebirth atmet einen seltsamen Komplexitätsdualismus. Schießen, fliegen, andocken, das alles klappt völlig problemlos, ist intuitiv steuerbar. Wenn ich jedoch versuche, mich in die Details zu vertiefen, scheitere ich. Manchmal lässt sich das Menü öffnen, manchmal nicht – und wenn es da ist, ist kaum zu verstehen, wo ich welche Option finde. Das bisweilen auftauchende Tutorial gibt dem Spieler deshalb Navigations-Koordinaten. Nicht für den Weltraum, sondern für die Menüs, wohlgemerkt. „Sie finden die Option unter 2-3-5“, heißt es da schon mal. Bei aller Komplexität fehlen gleichzeitig elementare Weltraumshooter-Mechanismen, beispielsweise eine Taste, um den nächstgelegenen Gegner anzuvisieren. Bei Tie Fighter war diese Funktion vorhanden, das war 1994.
X Rebirth hätte so furchtbar gut sein können. Kleine Blitzer von Genialität sind auch durchaus erkennbar. Durch den Weltraum zu fliegen ist toll, anzudocken, handeln, Gegner aus dem luftleeren Raum blasen — all das macht Spaß. Dazwischen offenbaren sich tragischerweise überall Spalten, Schlitze und Löcher, durch die die kaputte Mechanik scheint. Die Spielwelt ist an sich ein Abenteuer, den Großteil der Zeit verbringt der Spieler nur leider nicht in ihr, sondern in der Organisation der virtuellen Existenz. Wie lässt sich diese Kanone aufrüsten, wie das Schiff beschleunigen, wie funktioniert nochmal das mit den Super-Weltraumautobahnen? Die Antwort bleibt stets: suchen! Der Tod jeder Immersion. Ich warte weiterhin auf das Spiel, für das ich mir wieder einen Joystick kaufen möchte.