Apotheon: Der gute Ton

Kratos‘ Rachefeldzüge durch den Olymp waren in erster Linie blutig, doch hinterließ er auch ein Ausmaß an Sachbeschädigung, das beim Anblick des jüngst erschienenen 2D-Action-Adventures Apotheon die wahre Tragödie seiner Taten darstellt. Wenn auf all den zerschmetterten Amphoren des von ihm durchstreiften Keramik-Outlets der altgriechischen Mythologie solch feinziselierte Pinselstriche Verwendung fanden, wie bei der grafischen Gestaltung dieses bildhübschen Titels, mag man sich den Verlust für die Kunstnachwelt gar nicht ausmalen.

Apotheon

Ausgemalt ist bei Apotheon nämlich nicht sonderlich viel, da schwarze Farbe, ähnlich wie bei heutigen Tintenstrahldruckern, anscheinend deutlich günstiger in der Anschaffung war und deshalb auch der primär genutzte Grundton ist. Das sieht in seiner ästhetischen Pracht nicht nur sehr stimmungsvoll aus, sondern kaschiert auch sehr geschickt den Mangel an Originalität, den man abseits der optischen Gestaltung vorfindet. Neben der gängigen Geschichte eines Helden, der die Welt der Sterblichen vor der Vernichtung bewahren muss, ist die Reise durch die verschiedenen Götterdomänen auch spielerisch ein ziemliches Kuddelmuddel aus Bewährtem. Metroidvaniamäßiges Leveldesign, das den Entdeckergeist befriedigt, ein simples, doch forderndes Kampfsystem, dann hier noch ein wenig Crafting und dort noch ein paar Bosskämpfe. Kennt man alles und macht das Spiel nicht schlechter, ist aber weiß Gott auch kein Grund, zwei Tage vor Veröffentlichung ungeduldig vor dem nächsten Gamestop zu campieren. Zumal es sich um eine rein digitale Distribution handelt, also mal schön im Warmen geblieben bitte!

So hintereinander aufgezählt klingt das jetzt natürlich etwas öde, aber mit erfrischender Regelmäßigkeit liefert Apotheon tatsächlich ähnlich amüsante Slapstick-Einlagen wie sein mexikanischer Halbbruder Guacamelee. Nur sind diese hier eher unfreiwilliger Natur. Die recht spärlich ausfallenden Animationsphasen der Figuren wirken mitunter etwa, als würde man ausgeschnittene Papierfiguren mit einem Overheadprojektor an die Wand schmeißen, Waffen zerbrechen häufiger als die Ehen von Lothar Matthäus und manchmal haut man damit auch versehentlich unbescholtenen Bürgern das Mampfbrett aus dem Schädel und will gar nicht mehr damit aufhören. Schließlich stürmt dann aber doch eine ganze Armee auf einen zu, nur um mitten im Kampf plötzlich innezuhalten und die gerechte Strafe für den, grob geschätzt, zwölffachen Mord einzufordern: 20 Münzen! Das ist nicht sonderlich viel und derselbe Preis wird fällig, wenn man bei der Verwendung eines Dietrichs erwischt wird. Das nennt man dann wohl einen übersichtlichen Strafenkatalog.

Dennoch wird das Spiel für mich hauptsächlich durch seinen besonderen Stil und die sehr bedacht gewählte musikalische Untermalung getragen. Wie schnell man sich daran satt gesehen beziehungsweise gehört hat, hängt wohl auch damit zusammen, ob man Die lange Nacht der Museen im Französischen Institut eher wegen der Gratis-Weinprobe besucht oder tatsächlich eine Liebe für die bildende Kunst der Antike hegt. So oder so ist es ein wirklich schönes Spiel, welches einmal mehr beweist, dass die Erschaffung einer dichten Atmosphäre auch ohne das einbahnige Streben nach Fotorealismus möglich ist.

Ach ja, Playstation Plus-Abonnenten bekommen das Spiel für die Playstation 4 im Februar übrigens gratis. Da ist man dann doch ganz froh darüber, dass Kratos noch nicht auf die aktuelle Konsolengeneration umgestiegen ist.


Runtergescrollt, um die Prozentwertung zu sehen? Blöd, dass stattdessen hier nur der Hinweis steht, dass der coole Rainer Sigl ein interessantes Interview über die Hintergründe des einzigartigen Grafikstils mit Apotheons Art Director Jesse McGibney geführt hat. Lesenswert!